Vor dem LG Essen muss sich Thomas Middelhoff, der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Arcandor verantworten. Ihm wird Untreue zur Last gelegt. Außerdem in der Presseschau: Deutschland und neun weitere EU-Staaten wollen 2016 eine Transaktionssteuer einführen, EU und Menschenrechte und warum der Volkstrauertag keiner von den Hundstagen ist.
Thema des Tages
Angeklagt – Herr Middelhoff: Vor dem Landgericht Essen läuft seit Dienstag der Prozess gegen Thomas Middelhoff. Dem früheren Vorstandschef von Arcandor wird Untreue zum Nachteil des Unternehmens in Höhe von 1,1 Millionen Euro zur Last gelegt. Der erste von 32 geplanten Verhandlungstagen bis Oktober war geprägt von der mehrstündigen Verteidigungsrede Middelhoffs, der der Staatsanwaltschaft unter anderem "Unverhältnismäßigkeit" vorwirft. Es berichten SZ (Uwe Ritzer), FAZ (Joachim Jahn), Handelsblatt (Massimo Bognanni), spiegel.de (Frank Patalong), zeit.de (Lisa Hegemann) und welt.de (Michael Gassmann).
Die FR (Peter Berger) gibt einen Überblick über die sonstigen strafrechtlichen Auseinandersetzungen, die Middelhoffs Rolle bei Arcandor zum Gegenstand haben. lawblog.de (Udo Vetter) kritisiert die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Köln. Die Anklagevertreter hatten im Verfahren zur Pleite des Bankhauses Sal. Oppenheim Middelhoff Respektlosigkeit vorgeworfen, weil dieser als Zeuge kurzfristig von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte.
Rechtspolitik
Transaktionssteuer 2016: Deutschland und neun andere EU-Staaten wollen 2016 eine Transaktionssteuer einführen. Die Steuer soll auf den Handel mit Aktien und bestimmte Derivaten erhoben werden, Ziel sei eine EU-weite Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte. Es berichten SZ (Cerstin Gammelin), die FAZ (Werner Mussler), das Handelsblatt (Ruth Berschens) und spiegel.de.
EU-Mutter-Tochter-Steuerrichtlinie: Der Rat der EU-Finanzminister will die grenzüberschreitende Steuern mindernde Verschiebung von Gewinnen durch die Reformierung der Mutter-Tochter-Richtlinie im Juni unterbinden (Ruth Berschens/ Donata Riedel). Im Detail soll die Vorschrift, derzufolge Konzernmütter für Gewinne, die Töchter aus anderen EU-Staaten überweisen, keine Steuern zahlen müssen, abgeschafft werden.
Ruth Berschens (Handelsblatt) fordert weitere Maßnahmen gegen Steuerschlupflöcher. Die großen Unternehmen sollten zum Beispiel verpflichtet werden, Gewinne und darauf gezahlte Steuern für jeden einzelnen Staat getrennt in der Bilanz auszuweisen.
Angedacht – Steuerdatenabgleich: Auf der Recht-Seite der FAZ stellt Sebastian Meinhardt ein Konzept der OECD zum länderübergreifenden Abgleich von Daten zur Steuerpflichtigkeit vor. Das zweiteilige Konzept gliedere sich in ein Musterabkommen, das die gegenseitigen Rechte und Pflichten eines bilateralen Abkommens umreißt und in einen Reportingstandard, der festlege, welche Daten übermittelt werden können und sollen. Bisher hätten 44 OECD-Mitglieder Interesse bekundet.
Angefragt – Edward Snowden: Am Donnerstag muss der NSA-Ausschuss entscheiden, ob und wo er Edward Snowden als Zeugen hören möchte. Die taz (Astrid Geissler/Konrad Litschko) erläutert die Gemengelage, kurz berichten spiegel.de und zeit.de.
In einem Gespräch mit der taz (Astrid Geissler) erklärt der CDU-Obmann Roderich Kiesewetter, er würde Snowden gerne in Moskau befragen. In der SZ (Stefan Braun) wird die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff zitiert, eine Vernehmung Snowdens sei unter datenschutzrechtlichen Aspekten sinnvoll.
Kinderpornographie: Die FAZ (Eckart Lohse) berichtet über die Forderung in der CDU-Bundestagsfraktion zu prüfen, ob der Haftgrund "Wiederholungsgefahr" auf Delikte mit Bezug zu Kinderpornographie angewendet werden soll. Die rechtspolitische Sprecherin Elisabeth Winkelmeier-Becker habe auf den Fall in Aschersleben (Sachsen-Anhalt) verwiesen, bei dem elf Personen auf freiem Fuß bleiben konnten, da ein Anfangsverdacht auf kinderpornographische Delikte für einen Haftbefehl nicht ausgereicht habe.
Justiz
Elektronische Gerichtspost: Heribert Prantl (SZ) kritisiert die Umstellung auf vollständig elektronische Korrespondenz als Folge des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten aus dem Jahr 2013. Wenn jeder Anwalt bis 2016 mit einem "elektronischen Anwaltspostfach" ausgestattet werde, steige das Risiko beträchtlich, dass die vertrauliche Korrespondenz systematisch ausgespäht werde. "Im Postfach sitzt die NSA", so sein Resümee.
EuGH – EU und EMRK: Am Montag und Dienstag wurde vor dem Europäischen Gerichtshof zu der Frage verhandelt, ob die EU als Ganzes, also nicht nur EU-Mitgliedstaaten, der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten kann. Die FAZ (Helene Bubrowski) bringt eine Zusammenfassung der Argumente. Für die Richter in Luxemburg könnte es einschneidende Folgen haben, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte letzte Entscheidungsinstanz würde. Insofern entscheide der Europäische Gerichtshof hier auch in eigener Sache.
BVerfG – NPD: Durch das gesundheitlich bedingte Ausscheiden des Bundesverfassungsrichters Michael Gerhardt verliert des Zweite Senat seinen Berichterstatter im NPD-Verbotsverfahren. Reinhard Müller (FAZ) meint, auch durch das Ausscheiden von Richterin Gertrude Lübbe-Wolff stehe der Senat unter dem Vorsitz des Präsidenten Andreas Voßkuhle vor einem Neustart. Ein möglicher Kandidat für den Posten des Berichterstatters im NPD-Verfahren sei der frühere saarländische Ministerpräsident Peter Müller.
BVerfG – Hausdurchsuchung Edathy: Über die Verfassungsbeschwerde von Sebastian Edathy (SPD) wegen der in seiner Wohnung vorgenommenen Hausdurchsuchung berichtet jetzt auch die SZ (Hans Leyendecker). Edathys Anwalt wende sich insbesondere gegen die Begründung des Landgerichts Hannover, dass die Hausdurchsuchungen mit den mutmaßlichen pädophilen Neigungen Edathys begründet habe.
BGH zu Zuwendungen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften: Die Badische Zeitung (Christian Rath) berichtet über eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Wenn eine nichteheliche Lebensgemeinschaft scheitert, können größere finanzielle Zuwendungen, die zur Absicherung des Partners dienten, zurückgefordert werden. Bei einer "unbenannten Zuwendung" handele es sich nicht um ein Geschenk, daher hätte der Zuwender das Recht, den Pfandbrief über 25.000 Euro zurückzuverlangen.
BAG zu Diskriminierung: Rechtsanwalt Stefan Lingemann setzt sich in der FAZ mit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auseinander. Eine symptomlose HIV-Infektion stellt eine Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dar. Die Kündigung eines entsprechend erkrankten Mitarbeiters eines medizinischen Labors in der Probezeit war daher als Diskriminierung unwirksam. Die Stigmatisierung aus Angst vor einer Infektion schränke die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben so nachhaltig ein, dass aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts von einer Behinderung gesprochen werden könne.
EuGH zu Verkehrsdeliktsdaten: Wegen eines Formfehlers hat der Europäische Gerichtshof eine Richtlinie gekippt, die den Datenaustausch bei Verkehrsdelikten hätte erleichtern sollen, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). Die vom Gesetzgeber gewählte Rechtsgrundlage, die polizeiliche Zusammenarbeit sei falsch gewählt, es gehe um Verkehrssicherheit. Das Gericht hat ein Jahr Zeit zur Nachbesserung gewährt.
OLG München – NSU: Der Prozess gegen Beate Zschäpe und andere wurde gestern unterbrochen, weil die Hauptangeklagte von einem Unwohlsein befallen war. Es berichten SZ (Annette Ramelsberger) und focus.de.
zeit.de (Tom Sundermann) zieht nach einem Jahr NSU-Prozess Bilanz.
LG Bayreuth – Peggy: Im Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht Bayreuth zum Mordfall Peggy hat der Psychiater seine bisherige Position aufgegeben. Er hält es mittlerweile für möglich, dass der im ersten Prozess Verurteilte Ulvy K. sich fälschlicherweise selbst der Tat bezichtigt hat. Es berichtet spiegel.de (Gisela Friedrichsen).
LG Bonn – Sparkasse verklagt Stadt: Die Sparkasse Bonn verklagt die Stadt Bonn. Über diese ungewöhnliche Konstellation berichtet das Handelsblatt (Elisabeth Atzler). Beim mittlerweile zur Bauruine gewordenen World Conference Center Bonn trat die Stadt als Bürge auf. Nach der Pleite des Bauherrn will der Zweckverband Sparkasse Köln Bonn jetzt 82 Millionen Euro von der Stadt. Eine außergerichtliche Einigung scheiterte, auch weil die Stadt diesen Weg angesichts der komplizierten Materie für ungeeignet hält.
ArbG Iserlohn zu Energiekostenpauschale: blog.beck.de (Markus Stoffels) stellt eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Iserlohn vor: Wenn ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz private elektrische Geräte, zum Beispiel einen Kühlschrank betreibt, kann der Arbeitgeber eine Kostenpauschale von ihnen verlangen.
Recht in der Welt
Schweiz/Singapur – Steuergeheimnis vor dem Aus: Das Steuergeheimnis in der Schweiz und Singapur steht vor seinem Ende. Wie die SZ (Bastian Brinkmann) in ihrem Wirtschaftsteil berichtet, haben sich beide Staaten verpflichtet, die Finanzdaten von Steuerflüchtlingen an deren heimische Finanzverwaltungen zu übermitteln. Die Zeit dieser beiden Steueroasen geht dem Ende entgegen.
Sonstiges
Porträt Markus Beckedahl: Dirk von Gehlen (SZ) porträtiert Markus Beckedahl. Der spiritus rector der diesjährigen re:publica 14, einer Konferenz zur gesellschaftlichen Wirksamkeit der Digitalisierung in Berlin, ist mit seinen Beiträgen zu Datenschutz und Internet unter anderem ein vehementer Kritiker der kürzlich gekippten Vorratsdatenspeicherung.
Sterbehilfe: In einem Gastbeitrag für die FAZ plädiert die ehemalige Verwaltungsrichterin und SPD-Spitzenpolitikerin Ingrid Matthäus-Maier vehement für eine Entkriminalisierung der Sterbehilfe. Dadurch würden diejenigen, die sich bewusst für einen begleiteten Freitod entschieden hätten, in dieser schwierigen Situation alleine gelassen.
"Vorsicht Anwalt": Auch lto.de (Annelie Kaufmann) bringt eine Rezension des Buches "Vorsicht Anwalt" von Joachim Wagner. Der Autor wolle ausdrücklich nicht zurück zum elitären Berufsbild von vor einigen Jahrzehnten, seine Vorschläge zur Reform des Berufs – Begrenzung des Zugangs zum Jurastudium verbunden mit einer besonderen Ausbildung für Justiz, Verwaltungsjuristen und Anwälte – hätten es vielmehr verdient, in der Bildungsdebatte aufgegriffen zu werden.
Das Letzte zum Schluss
Der Volkstrauertag gehört nicht zu den Hundstagen: Weil Hund Pico am Volkstrauertag in München eine halb Stunde "respektlos" bellte, und auch beim Abspielen der Nationalhymne keine Pause machte, ist sein Herrchen vom Amtsgericht München zu einem Bußgeld von 100 Euro verurteilt worden. Dem "politisch aktiven Hund" sei es auf der Veranstaltung zu laut gewesen, so das Herrchen. Es handele sich um "vorsätzliche Ruhestörung" so das Gericht. Es berichten taz (Tobias Schulze), spiegel.de und Die Welt (Florian Kinast).
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. Mai 2014: Angeklagt: Thomas Middelhoff – Angefragt: Edward Snowden – Angedacht: Steuerdatenabgleich . In: Legal Tribune Online, 07.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11890/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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