Niedersächsische Jungjuristen müssen zittern. Die Klausuren des zweiten Staatsexamens werden nach einem Korruptionsfall überprüft. Außerdem in der Presseschau: Nebenjobs der Bundesrichter, frauenfreundliche Stimmzettel, der GBA und die US-Drohnenangriffe, Verquickungen in der Schiedsgerichtsbarkeit und warum der Verfassungsschutz von einem Fotograf verklagt wurde.
Thema des Tages
Verkaufte Examensklausuren: Jörg L. war Referatsleiter im niedersächsischen Justizprüfungsamt und verkaufte gegen Geld Klausuren und Lösungswege für das zweite juristische Staatsexamen. Nach seiner Flucht wurde er in Mailand festgenommen. Inzwischen zieht der Fall immer größere Kreise, wie spiegel.de (Felix Bohr und andere) berichtet. Zwölf Sonderprüfer untersuchen nun alle niedersächsischen Examensklausuren ab 2011 auf Auffälligkeiten. Da Klausuren unter den Ländern ausgetauscht werden, könnten sogar auch andere Bundesländer betroffen sein. Es berichteten ebenfalls die Samstags-SZ (Marc Widmann) und die Samstags-FAZ (Robert von Lucius).
lto.de (Constantin van Lijnden) beschreibt, wie die Klausuren im niedersächsischen Prüfungsamt gesichert werden. bild.de (Jana Godau und andere) versucht sich an einem Portrait des "gierigen Richters".
Rechtspolitik
BVerfG-Reform: Justizminister Heiko Maas weist Vorschläge aus Unionskreisen zurück, die Amtszeit und Befugnisse der Verfassungsrichter zu beschneiden, meldet der Spiegel: "Mit mir wird es keine Änderung der Struktur und der Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts geben." Der konservative Xantener Kreis um den CDU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder wolle künftig stärker auf die Auswahl von Kandidaten für die Richterposten achten, damit das Bundesverfassungsgericht weniger Gesellschaftpolitik mache wie bei der Ausweitung des Ehegattensplittings auf eingetragene homosexuelle Paare. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) versichert laut FAS, dass die geplante Reform des Wahlmodus für die Verfassungsrichterwahl keine Reaktion auf bestimmte Karlsruher Urteile sei.
Im Interview mit der Samstags-SZ (Wolfgang Janisch/Heribert Prantl) nimmt Verfassungsrichter Peter M. Huber unter anderem Stellung zum geplanten neuen Wahlverfahren. Dieses sei unproblematisch, solange die Richter im Plenum des Bundestags ohne Aussprache gewählt würden. Kritik an den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts sei nichts Neues. "Das nehmen wir nicht persönlich." Außerdem verteidigt er die Karlsruher Rechtsprechung zu Europa und zur Sperrklausel bei Europawahlen.
Justizhaushalte: Ausgehend von der Diskussion auf dem Richter- und Staatsanwaltstag in Weimar befasst sich die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) mit der zu geringen Mittelausstattung der Justiz: "Die Etats der Justiz sind traditionell klein, verglichen mit anderen Ressorts. Es würde also nicht eminent viel kosten, deren Qualität zu sichern."
Gutachter vor Gericht: Die habilitierte Medizinern Ursula Greßer stellt im Interview mit lto.de (Constantin van Lijnden) eine Studie vor, wonach ein Viertel der psychologischen Gerichtsgutachter schon einmal vom Gericht das erwünschte Ergebnis signalisiert bekommen haben. Als Gegenmittel gegen die Auswahl abhängiger oder voreingenommer Gutachter schlägt sie die Auslosung von Gutachtern vor.
Drogenverbote: Die Montags-SZ (Heribert Prantl) stellt eine Resolution von 122 Rechtsprofessoren vor, die eine Liberalisierung des Drogenstrafrechts fordern. Grüne und Linke wollen den Impuls im Bundestag aufgreifen. In einem separaten Kommentar behauptet Heribert Prantl (Montags-SZ), der amerikanischen Krieg gegen Drogen habe die deutsche Drogenpolitik beeinflusst und kritisiert dann die Verwendung von Kriegsmetaphern im Strafrecht.
Heim oder Pflegeeltern: Die WamS (Freia Peters) beschreibt die Tendenz von Jugendämtern und Gerichten, misshandelte Kinder eher im Heim als bei Pflegeeltern unterzubringen, damit die Kinder später besser in ihre leibliche Familie zurückkehren können. Grund sei, dass im Sozialgesetzbuch VII die Eltern einen Anspruch auf Unterstützung hätten, nicht aber die Kinder. Die Buchautorin und Gerichtsmedizinerin Saskia Etzold fordere eine Änderung. Misshandelte Kinder sollten schneller in einer "liebevolle Pflegefamilie" kommen und dort auch bleiben.
Streikrecht: In einem Gastbeitrag für die Montags-SZ plädiert Anwalt Jobst-Hubertus Bauer für eine gesetzliche Regelung des Arbeitskampfrechts und stellt einen Gesetzentwurf zur Regelung von Arbeitskämpfen in der Daseinsvorsorge vor, den die Professoren Gregor Thüsing und Christian Waldhoff im Auftrag der Carl-Friedrich-von Weizsäcker-Stiftung verfasst haben. Bauer hält ihn für ein "ausgewogenes Konzept" und sieht darin eine Alternative zur verfassungsrechtlich problematischen Wiedereinführung der Tarifeinheit.
Justiz
Bundesrichter mit Nebenjobs: Die Samstags-Bild (Dirk Hoeren) kritisiert: "Fast alle der über 300 Richter an den Bundesgerichten gehen lukrativen Nebentätigkeiten nach, kassieren bis zu über 28.000 Euro pro Jahr nebenbei." Wenn gut bezahlte Vorträge vor Lobbygruppen gehalten werden, könne es auch zu Interessenskonflikten kommen. Ausführlich berichtet auch handelsblatt.com (Florian Zerfaß/Konrad Fischer).
VerfGH Rheinland-Pfalz zu frauenfreundlichen Stimmzetteln: Der Verfassungsgerichtshof von Rheinland-Pflalz hat per einstweiliger Verfügung eine Änderung der Stimmzettel für die Kommunalwahl am 25. Mai verlangt. Es beeinträchtige die Freiheit der Wahl, wenn auf dem Stimmzettel an die Gleichberechtigung von Männern und Frauen erinnert werde. Auch die Anteile der Geschlechter im jeweiligen Gemeinde- oder Stadtrat sowie der Geschlechteranteil auf den Kandidatenlisten dürfen nicht mehr angegeben werden, berichtet die Samstags-taz (Heide Oestreich).
BGH zur Begrenzung von Schadensersatz: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Käufer eines Hauses nicht Anspruch auf vollen Schadensersatz hat, wenn die Beseitigung eines Mangels - hier Hausschwamm - unverhältnismäßige Kosten verursache. Der Schadensersatz sei dann auf die Wertminderung begrenzt. Es berichteten lto.de und Badische Zeitung (Christian Rath).
LG Hannover zu Edathy-Durchsuchung: Das Landgericht Hannover hat die Beschwerden des Ex-Abgeordneten Sebastian Edathy gegen die Durchsuchung seiner Wohn- und Büroräume verworfen, meldet die BamS knapp. Es habe ein Anfangsverdacht auf Besitz von Kinderpornographie bestanden.
LG Wiesbaden zu Ehrenmord: Nun greift auch taz.de (Christian Rath) die durch ein Urteil des Landgerichts Wiesbaden ausgelöste Diskussion um angebliche Strafrabatte bei Ehrenmorden auf. Im Interview erklärt die Kriminologin Julia Kasselt, dass Ehrenmorde in Deutschland härter bestraft werden als gewöhnliche Partnertötungen. Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2002 sei das ganz eindeutig.
BVerfG - IHK-Mitgliedschaft: Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich demnächst mit Verfassungsbeschwerden gegen die Zwangsmitgliedschaft von Unternehmen in der Industrie- und Handelskammer. Im Interview mit lto.de (Pia Lorenz) sagt Anwalt Dominik Storr, der die Klagen betreut: "Die Zwangsmitgliedschaft ist eine Enklave innerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die den Mindestansprüchen an demokratische Legitimation nicht ansatzweise genügt."
GBA - Drohnenangriffe: Generalbundesanwalt Harald Range prüft Medienberichte, wonach die US-Kaserne in Ramstein eine Schaltzentrale im US-Drohnenkrieg - unter anderem in Pakistan - sei. Das berichtet die Montags-taz (Christian Rath) und erinnert daran, dass der Einsatz von Drohnen zur Tötung von Menschen nur in bstimmten Konstellationen verboten ist.
GBA - NSA-Spionage: Der Focus (Josef Huffelschulte - Zusammenfassung) will aus der Umgebung von Justizminister Maas erfahren haben, dass Generalbundesanwalt bald die Eröffnung von Ermittlungen wegen Überwachung des Handys von Kanzlerin Merkel ablehnen wird.
StA Dessau-Rosslau - Ouri Jalloh: Die Dessauer Staatsanwaltschaft hat im Fall des 2005 im Polizeigewahrsam verbrannten Asylbewerbers Ouri Jalloh ein neues Todesermittlungsverfahren eingeleitet, meldet taz.de. Bisher war die Justiz davon ausgegangen, dass Jalloh sich selbst angezündet hat. Christian Rath (taz.de) begrüßt, dass die Staatsanwaltschaft nun wieder offen ermittelt, warnt aber vor Schnellschlüssen: "Nur weil die Selbsttötung Jallohs unwahrscheinlich war, ist ein Mord von Polizisten oder Dritten noch nicht bewiesen."
Ermittlungen wegen Dividendensteuerhinterziehung: Eine Umfrage der Samstags-SZ (Klaus Ott) hat ergeben, dass der Fiskus bundesweit in rund 50 Fällen gegen Banken und Fonds wegen Steuerhinterziehung ermittelt, in über zehn Fällen sei bereits die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Beim Handel von Aktien mit und ohne Dividendenanspruch ließen sich die mutmaßlichen Täter eine nur einmal gezahlte Kapitalertragssteuer von den Finanzämtern mehrmals erstatten. Wie das Handelsblatt meldet, werde der Bundesfinanzhof am 16. April eine Vorentscheidung zur Zulässigkeit solcher Modelle beschließen.
Paralleljustiz: Die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski/Alexander Haneke) greift die vermeintliche Paralleljustiz unter Einwanderern auf: "Viele Muslime hierzulande wünschen sich, dass islamische Friedensrichter über Recht und Unrecht entscheiden – auf Grundlage der Scharia. Es gibt Schätzungen, denen zufolge neunzig Prozent der Straftaten im muslimischen Milieu den deutschen Strafverfolgungsbehörden verborgen bleiben." Anlass des Artikels war eine Diskussion auf dem Richter- und Staatsanwaltstag in Weimar.
Recht in der Welt
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit: Das Handelsblatt (Norbert Haering) weist darauf hin, dass bei internationalen Schiedsgerichten spezialisierte Anwaltskanzleien auch dann einen Richter stellen können, wenn sie früher eine der Parteien beraten haben.
Russland - Krim und Völkerrecht: Im Interview mit dem Spiegel (Dietmar Hipp) kritisiert der Völkerrechtler und ehemalige Richter am Internationalen Gerichtshof Bruno Simma die völkerrechtswidrige Annektion der Krim durch Russland. Simma berücksichtigt aber auch die geostrategischen Interessen der Russen und warnt den Westen vor Rechthaberei und Alleingängen in völkerrechtlichen Fragen.
Argentinien - Selbstjustiz: Die Montags-FAZ (Josef Oehrlein) berichtet über zunehmende Fälle von Lynchjustiz in Argentinien.
Sonstiges
Roman Herzog: Zum achtzigsten Geburtstag von Roman Herzog widmet die Samstags-FAZ (Reinhard Müller) dem ehemaligen Staatsrechtslehrer, Politiker, Verfassungsrichter und Bundespräsident ein Portrait.
Das Letzte zum Schluss
LG Berlin - Urheberrecht und Verfassungsschutz: Ein Fotograf hat das Bundesamt für Verfassungsschutz verklagt, weil im Verfassungsschutzbericht ohne Bezahlung und ohne Genehmigung ein von ihm gefertigtes Bandfoto der linksradikalen Band "Feine Sahne Fischfilet" abgedruckt wurde. Das Landgericht Berlin muss in dieser Woche entscheiden, ob die Schranke der Inneren Sicherheit die kostenlose Illustration des Verfassungsschutzberichts mit einem fremden Bandfoto rechtfertigen kann. internet-law.de (Thomas Stadler) erläutert den Rechtsstreit.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. - 7. April 2014: Examens-Korruption in Niedersachsen – Bundesrichter mit Nebenjobs – Keine frauenfreundlichen Stimmzettel in Rheinland-Pfalz . In: Legal Tribune Online, 07.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11576/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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