Entschuldigung ja, Entschädigung nein. Der Bundespräsident spricht sich gegen deutsche Reparationszahlungen für Griechenland aus. Außerdem in der Presseschau: liberales Versammlungsrecht in Schleswig-Holstein, Alkohol-Grenzwerte für Kutscher, Andreas Voßkuhle zu Europa, BAG-Präsidentin im Gespräch und was man besser nicht unter eine Klausur schreibt.
Thema des Tages
Reparationen: Auf seiner Griechenland-Reise wird Bundespräsident Joachim Gauck nicht nur mit tagesaktuellen Ereignissen konfrontiert. Sein griechischer Amtskollege Karolos Papoulias, in seiner Jugend Widerstandskämpfer gegen die nationalsozialistischen Besatzer, erklärte, dass sein Land die Forderung nach Reparationen für NS-Verbrechen "nie aufgegeben" hat. Der Bundespräsident habe hierzu klargestellt, dass er nicht Teil der Bundesregierung sei und demnach nur darauf verweisen könne, dass der diesbezügliche Rechtsweg abgeschlossen sei. Es berichten SZ (Constanze von Bullion), FAZ (Michael Martens), Welt (Claudia Kade) und spiegel.de (Florian Gathmann).
Diese Haltung begrüßt Torsten Krauel (Welt). Zwar gebe es zum Unrecht der deutschen Besatzungszeit in Griechenland "keinen Dissens" und seien die Schrecken des zweiten Weltkriegs für Viele auch knapp 70 Jahre nach dessen Ende "erlebte Erinnerung und verlustvolle Gegenwart." Die Ablehnung von Reparations-Verhandlungen sei trotzdem richtig, weil Staaten nicht in "Ewigkeitshaftung" genommen werden könnten. Jasper von Altenbockum (FAZ) bemerkt dagegen, dass "es an deutscher Reparatur-Hilfe für den griechischen Staat ja nun wahrlich nicht fehlt."
Rechtspolitik
Versammlungsrecht: Die aus SPD, Grünen und SSW bestehende Regierungskoalition Schleswig-Holsteins plant ein "betont liberales Versammlungsrecht", meldet die taz-Nord. Ein nun vorgelegter Gesetzentwurf sehe Lockerungen gegenüber dem geltenden Bundesrecht vor, so sollten etwa Verstöße gegen das Vermummungsverbot als Ordnungswidrigkeit und nicht mehr als Straftat gelten.
Doppelpass: Den Vorschlag einiger Landesregierungen mit SPD-Beteiligung, die doppelte Staatsbürgerschaft im Widerspruch zu einer Vereinbarung des Koalitionsvertrages im Bund allein von einer Geburt im Land abhängig machen zu wollen, kommentiert Günter Bannas (FAZ) als "Symbolpolitik." Selbst wenn die angekündigte Initiative im Bundesrat erfolgreich wäre, hätte sie keine Chance im Bundestag. Das Staatsangehörigkeitsrecht unterfalle den sogenannten Einspruchsgesetzen, der Bundestag könne aber einen Einspruch der Länderkammer ohne weiteres zurückweisen und würde dies angesichts der "80-Prozent-Mehrheit von Union und SPD" wohl auch tun.
Selbstanzeige: In Vorbereitung einer geplanten Zusammenkunft der Finanzminister von Bund und Ländern haben sich Staatssekretäre darauf verständigt, die Regeln für die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht "deutlich" zu verschärfen, schreiben FAZ (Manfred Schäfers) und Handelsblatt (Donata Riedel). Obwohl noch nicht alle Einzelheiten geklärt seien, gelte die Verlängerung der Verjährungsfrist als sicher.
In einem von den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ausgehenden historischen Rückblick macht die FAZ (Jürgen Dunsch) einen Wandel der Bewertung der Steuerhinterziehung "vom Kavaliersdelikt zur hochkriminellen Tat" aus.
Investitionsschutz: Die FAZ (Hendrick Kafsack/Henrike Roßbach) berichtet zu Überlegungen der EU-Kommission, Vereinbarungen zu Investitionsschutzklauseln und Schiedsgerichtsbarkeit als Bestandteil eines zwischen den USA und der EU verhandelten Freihandelsabkommens einzuschränken. So sollten bestimmte Bereiche, etwa der Verbraucherschutz, dem Investitionsschutz nicht unterfallen. Auch sollten die Voraussetzungen für die Anrufung eines Schiedsgerichtes genauer definiert werden.
Justiz
BGH zu Abo-Fallen: Der Bundesgerichtshof hat eine unterinstanzliche Verurteilung wegen versuchten Betruges durch die Verwendung sogenannter Abo-Fallen bestätigt. Der Angeklagte habe es durch eine irreführende Gestaltung einer Internet-Seite bewusst darauf angelegt, die Unaufmerksamkeit und Unerfahrenheit von Besuchern auszunutzen, fasst @vieuxrenard (netzpolitik.org) das Urteil zusammen und verweist darauf, dass die kürzlich erfolgte gesetzliche Einführung sogenannter Bestell-Buttons dem Fall seine Brisanz nehme.
OLG Oldenburg zu Kutschern: Auch Kutscher mit einem Blutalkoholgehalt von mehr als 1,1 Promille sind fahruntüchtig. Dies entschied das Oberlandesgericht Oldenburg nach einer Meldung der FAZ (Corinna Budras) und hob dabei eine anderslautende Entscheidung des Landgerichts Osnabrück auf.
OLG München zu Deutscher Bank: Nach einem Bericht der FAZ (Joachim Jahn/Henning Peitsmeier) hat der frühere Vorstandschef der Deutschen Bank, Rolf-Ernst Breuer, dem vor dem Oberlandesgericht München abgeschlossenen Vergleich des Geldhauses mit den Erben Leo Kirchs zugestimmt, die Einigung sei damit "in trockenen Tüchern."
StA München – Schmiergeld: Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen frühere Manager des Rüstungskonzerns Krauss-Maffei-Wegmann. Wie die SZ (Klaus Ott/Tasos Telloglou) schreibt, stünden die Vorwürfe im Zusammenhang mit Geschäften der Firma in Griechenland, hierbei sollen an die beteiligten Manager zurückgeflossene Schmiergeldzahlungen nicht dem Fiskus offenbart worden seien.
Andreas Voßkuhle: Die taz (Christian Rath) berichtet über einen Auftritt des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, bei dem dieser die Vorlageentscheidung des Gerichts zur umstrittenen Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank verteidigte und für die "Rechtsgemeinschaft" EU warb.
Ingrid Schmidt: Die FAZ (Corinna Budras, Zusammenfassung) befragt Ingrid Schmidt, Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, zu den rechtlichen Voraussetzungen der ständigen Verfügbarkeit von Arbeitnehmern durch Anrufe oder E-Mails der Arbeitgeber, möglichen Sanktionen bei Verstößen gegen Bestimmungen zur Arbeitnehmerüberlassung, Missbräuchen von Werkverträgen und diesbezüglichem gesetzgeberischen Handlungsbedarf, der Berechtigung von Compliance-Systemen, Datenschutz am Arbeitsplatz und der Sinnhaftigkeit eines Gesetzes zur Tarifeinheit.
Recht in der Welt
EGMR – Fiat-Affäre: Filip Bubenheimer (verfassungsblog.de) schreibt über eine jetzt veröffentlichte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, nach der hochrangige Fiat-Manager nach einem von der italienischen Börsenaufsicht verhängten Bußgeld wegen Marktmanipulationen nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden dürfen. Dies verstieße gegen das in Artikel 4 des 7. Protokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Verbot der Doppelbestrafung.
EuGH – Markenschutz: Der Europäische Gerichtshof hat einen Markenschutz-Streit über die Verwendung der Bezeichnung "Kornspitz" an die österreichische Gerichtsbarkeit zurückverwiesen und ihr die Prüfung aufgetragen, ob der ursprünglich geschützte Markenname durch ein Verhalten oder die Untätigkeit des Markeninhabers aus Verbrauchersicht zur gebräuchlichen Bezeichnung für die Ware geworden ist. Die FAZ (Corinna Budras) berichtet.
Spanien – Wiedergutmachung: Die SZ (Peter Münch/Thomas Urban) berichtet in ihrem Feuilleton über ein Gesetzesvorhaben in Spanien, nach dem Nachkommen der 1492 aus dem Land vertriebenen Juden, den sogenannten Sephardim, auf Antrag die Staatsbürgerschaft des Landes verliehen werden könnte. Einzige Voraussetzung sei der Nachweis von Bindungen zur spanischen Kultur; die Regelung solle "historisches Unrecht" wiedergutmachen, wird der Justizminister des Landes zitiert.
USA – Upskirt-Fotos: Heimlich getätigte Aufnahmen des weiblichen Intimbereichs, sogenannte Upskirt-Fotos, sind nach einer Entscheidung des obersten Gerichts des US-amerikanischen Bundesstaats Massachusetts jedenfalls dann nicht strafbar, wenn sie in der Öffentlichkeit angefertigt werden. Die Anwältin eines wegen solcher Aufnahmen in der Bostoner U-Bahn Angeklagten habe erfolgreich damit argumentiert, dass eine gesetzlich geschützte Privatsphäre in einer derartigen Lokalität tatsächlich nicht bestehe, schreibt die FAZ (klw).
Südafrika – Pistorius: Über den in Pretoria/Südafrika laufenden Mordprozess gegen Oscar Pistorius schreibt die FAZ (Claudia Bröll). Ein Nachbar des Sportlers habe als Zeuge die von ihm vorgefundene Szene am Tatort geschildert und dabei die Einlassung des Angeklagten, er hätte seine Freundin nur aufgrund einer Verwechslung erschossen, gestützt. Vorherige Zeugen hätten dagegen von einer den tödlichen Schüssen vorangehenden lautstarken Auseinandersetzung zwischen Pistorius und dem Opfer berichtet.
Sonstiges
Warnschussarrest: Eine Bilanz der "Schocktherapie" Warnschussarrest zieht die SZ (Mike Szymanski) auf ihrer Titelseite. Ein Jahr nach Einführung dieser neuen Strafform für jugendliche Intensivtäter sei festzustellen, dass sie von Jugendgerichten nur selten und dann auch nur mit beachtlichen regionalen Unterschieden eingesetzt werde. Vielen derartig Verurteilten seien die Arrestanstalten zudem bereits aus früheren Urteilen bekannt, der beabsichtigte Schockeffekt verlaufe sich so.
Betriebsratswahlen: Voraussetzungen und Ablauf der demnächst turnusmäßig anstehenden Betriebsratswahlen erklärt Rechtsprofessor Michael Fuhlrott auf lto.de. Der Experte geht dabei auch auf die Rechte dieses Gremiums und seiner Mitglieder ein.
Das Letzte zum Schluss
Klausurstress: Welcher Jurist würde das nicht kennen: In den letzten Minuten vor der Abgabe einer Klausur finden sich häufig Einlassungen auf dem Papier wieder, die bei klarem Bewusstsein eher nicht das Tageslicht erblickt hätten. Das mag nun auch eine Potsdamer Studierende denken, die sich in nicht jugendfreien, bei juraexamen.info und spiegel.de (Alexander Demling) nachzulesenden Worten über den Inhalt einer Schuldrechtsklausur beschwerte. Der so angesprochene Professor zeigte wenig Verständnis und erstattete Anzeige wegen Beleidigung, er sieht sich zudem als Opfer sexueller Belästigung. Wie die Klausur benotet wurde, ist den Berichten nicht zu entnehmen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. März 2014: Keine Reparationen für Griechenland – BVerfG und Europa – BAG-Präsidentin im Gespräch . In: Legal Tribune Online, 07.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11260/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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