In der Auseinandersetzung über die Zukunft der Selbstanzeige meldet sich der Finanzminister zu Wort. Nicht nur für ihn ist das Steuergeheimnis ein Thema. Außerdem in der Presseschau: fehlender Beklagter im HRE-Prozess, harte Richterworte im Wulff-Prozess, Suizidhilfe in Frankreich und Belgien, abhängige Gutachter und ein übereifriger Gesetzeshüter.
Thema des Tages
Selbstanzeige und Steuergeheimnis: In einem Interview mit der FAZ (Heike Göbel/Manfred Schäfers, Zusammenfassung) äußert sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) skeptisch zur Idee, die strafbefreiende Selbstanzeige abzuschaffen. Dagegen seien Verschärfungen, etwa hinsichtlich des vom Anzeigenden zu leistenden Zuschlags, denkbar. Gleichzeitig erinnert der Minister an das "hohe Gut" des Steuergeheimnisses und drückt auch angesichts der jüngsten Berichterstattungen zu Prominenten sein "großes Vertrauen in die Steuerverwaltung" aus.
Ein Bericht des Handelsblatts (Donata Riedel/Thomas Siegmund) legt nahe, dass die Finanzbehörden das Steuergeheimnis nach wie vor wahren würden. Publizität erführen Fälle in der Regel durch "andere Behörden", etwa Staatsanwaltschaften oder persönliche Bekannte der Betroffenen. Ein Beispiel für vollständige Transparenz in Steuerangelegenheiten beschreibt ein weiterer Beitrag des Handelsblatts (Helmut Steuer/Moritz Koch). In Schweden sei das Prinzip des Steuergeheimnisses völlig unbekannt, Bürger könnten dort durch einfachen Anruf beim Finanzamt die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Nachbarn in Erfahrung bringen, die gleichen Informationen stünden aber auch Banken und Behörden offen.
Zur Frage der Vereinbarkeit des Steuergeheimnisses und medialer Berichterstattung über prominente Fälle befragt lto.de Niko Härting und Ralf Höcker. Die Rechtsprofessoren und Anwälte beziehen konträre Positionen zur rechtlichen Zulässigkeit und rechtspolitischen Notwendigkeit in derartigen Fällen.
Die FAZ (Joachim Jahn) zählt Beispiele für einer Selbstanzeige vergleichbare Regelungen auf und nennt die tätige Reue, den Rücktritt vom Versuch oder auch eine Norm aus dem Parteiengesetz, nach der Spenden nachträglich offengelegt werden können.
In wiederkehrenden Forderungen nach schärferen Regeln sieht Jan Fleischhauer (spiegel.de) in einer Kolumne schließlich das Werk von "Steuerpuritanern". Statt sich um den Schutz der Privatsphäre zu kümmern, würden demnächst wohl Steuer-CDs "heiliggesprochen" und die Entschuldigung oder Verharmlosung von Steuerhinterziehung bestraft.
Rechtspolitik
Suizidhilfe: Der Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe (CDU) hat einen Gesetzentwurf zum Verbot der "organisierten, geschäftsmäßigen und selbstsüchtigen Förderung des Suizids" vorgelegt, nach dem auch die bislang straflose ärztliche Beihilfe und "Werbung zur Förderung von Selbsttötungen" bestraft werden solle, schreibt die taz (Heike Haarhoff) und prognostiziert zum Thema "die zentrale Ethikdebatte des Jahres".
Raubkunst: Zwei Gastbeiträge im Staat und Recht-Teil der FAZ setzen die rechtspolitische Diskussion über den angemessenen Umgang mit Raubkunst fort. Der Historiker Michael Wolffsohn erinnert daran, dass Recht "wahrlich nicht immer zu Gerechtigkeit" führe, aber immerhin Rache verhindere. Das Ziel müsse Versöhnung sein, die auch durch einen "Verzicht auf vermeintlich klar bestimmtes oder bestimmbares Recht" bei gleichzeitigem Bestehen auf historischer Wahrheit erreicht werden könne. Axel Burghart, Richter am Brandenburgischen Oberlandesgericht, kritisiert dagegen den bayerischen Entwurf eines Raubkunst-Rückgabe-Gesetzes wegen des von ursprünglichen Eigentümern kaum zu leistenden Nachweises der Bösgläubigkeit jetziger Besitzer bei der Besitzerlangung als "stumpfes Schwert". Auch das geltende Recht erlaube es Gerichten, unter bestimmten Voraussetzungen die Berufung auf Verjährungsregeln als unzulässige Rechtsausübung zu werten.
von Armin: Zeit.de (Lukas Koschnitzke) interviewt den Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim. Der Parteienforscher kritisiert das Fehlen eines Gesetzes gegen Abgeordnetenbestechung und fordert eine gesetzliche, mehrjährige Karenzzeit für den Wechsel von Politikern in wirtschaftliche Bereiche, die mit dem früheren Ressort zusammenhingen.
Justiz
EuGH - eingebettete Videos: Der Europäische Gerichtshof verhandelt derzeit auf Vorlage des Bundesgerichtshofs zur urheberrechtlichen Einordnung der Einbettung von Filmen einer Videoplattform wie etwa YouTube in eigene redaktionelle Angebote. Thomas Stadler (internet-law.de) erläutert die "in der Rechtsprechung und der juristischen Literatur umstrittene" Rechtsfrage und berichtet über die Ankündigung der GEMA, für derartige Nutzungen künftig eine Gebühr zu erheben.
BVerfG – Drei-Prozent-Klausel: Das Bundesverfassungsgericht hat mitgeteilt, dass es sein Urteil zur Zulässigkeit der Drei-Prozent-Klausel bei Europawahlen am 26. Februar verkünden wird, meldet die SZ.
BVerfG – Bundespräsident: In zwei aktuellen Verfahren beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Wahlmodus und den Befugnissen des Bundespräsidenten. Der erste Fall betrifft Rechte der Mitglieder der Bundesversammlung, der zweite Äußerungen Joachim Gaucks zu Anhängern der NPD als "Spinner". Beide Verfahren seien "bezeichnenderweise durch die faktisch geächtete NPD angestrengt" worden, schreibt Reinhard Müller (FAZ), mit einem persönlichen Auftritt des Bundespräsidenten sei nicht zu rechnen.
BGH zu Schleichwerbung: Redaktionelle Beiträge eines Druckerzeugnisses, für deren Veröffentlichung ein Entgelt bezahlt wurde, müssen nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs durch den Zusatz "Anzeige" gekennzeichnet werden. Die im Streitfall verwendete Kennzeichnung "sponsored by" sei nicht ausreichend, meldet lto.de.
LSG Bayern zu Ski-Unfall: Auch eine im Rahmen eines Firmen-Events erlittene Ski-Verletzung ist nach einer Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts kein Arbeitsunfall. Die zum Unfall führende Ski-Abfahrt habe sich nicht für geschäftliche Besprechungen geeignet und sei daher als Freizeitvergnügen zu werten, schreibt die SZ (Ekkehard Müller-Jentsch).
LAG Frankfurt – Deutsche Bank: Das Landesarbeitsgericht Frankfurt muss sich der Frage beschäftigen, ob die Deutsche Bank einer Anordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Folge leisten muss, mit der dem Geldhaus die Weiterbeschäftigung von Zinshändlern in deren alten Positionen untersagt wurde. Täte die Bank dies, würde sie damit eine Entscheidung des Arbeitsgerichts missachten, vor dem sich die wegen Zinsmanipulationen entlassenen Händler erfolgreich gegen ihre Kündigung behauptet haben, schreibt die FAZ (Markus Frühauf).
OLG München – HRE-Prozess: Die SZ (Oliver Hollenstein/Alexander Mühlauer) berichtet in ihrem Wirtschafts-Teil über das vor dem Oberlandesgericht München angestrengte Musterverfahren von Altaktionären der mittlerweile verstaatlichte Hypo Real Estate gegen die Bank. Deren früherer Vorstandsvorsitzende Georg Funke, gewissermaßen "das Gesicht der Finanzkrise in Deutschland", blieb der Verhandlung fern: über seinen Anwalt habe er erklären lassen, bis zum Abschluss eines parallelen Strafverfahrens vor dem Münchner Landgericht nicht aussagen zu wollen. Nach Einschätzung der FAZ (Joachim Jahn) seien die einleitenden Äußerungen des Vorsitzenden Richters Guido Kotschny zu einer wohl zu optimistischen Selbstdarstellung der Lage der Bank keineswegs als Freibrief für den begehrten Schadensersatz zu werten. Über eine Pflichtverletzung der Beklagten hinaus müssten die Kläger eine Kausalität zu ihrer Anlage-Entscheidung darlegen.
LG Stuttgart – LBBW: Im Strafverfahren wegen Bilanzfälschungen der Landesbank Baden-Württemberg hat das Landgericht Stuttgart zu verstehen gegeben, "wesentliche Vorwürfe der Staatsanwaltschaft für gerechtfertigt" zu halten, schreibt die SZ (Online-Version). Den angeklagten früheren Vorständen des Geldinstitutes werde vorgeworfen, die tatsächlich bedrohliche Lage der Bank durch Bilanztricks verschleiert zu haben. Das Verfahren gelte als Musterfall für vergleichbare Praktiken anderer Banken.
LG Hannover – Christian Wulff: Im vor dem Landgericht Hannover laufenden Bestechungs-Verfahren gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) sind mehrere neue Beweisanträge der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen worden. Die Anklagebehörde habe versucht, Daten einer "bisher unbekannten" E-Mail-Adresse Wulffs in den Prozess einzuführen, schreibt die SZ (Marc Widmann) und sei hierfür in ungewöhnlich scharfer Form vom Vorsitzenden Richter angeherrscht worden. Auch FAZ (Robert von Lucius, Online-Version) und Welt (Ulrich Exner) berichten über die Auseinandersetzung und die vom Gericht mündlich dargestellten, für einen Freispruch sprechenden Umstände.
In einem separaten Kommentar betont Marc Widmann (SZ), dass es nun "auf einen oder zwei Verhandlungstage" mehr angesichts der bevorstehenden "beispiellosen Niederlage" der Staatsanwaltschaft auch nicht mehr ankomme. Für den "genervten Mann" auf der Richterbank hätte es eine einfache Lösung gegeben: das Verfahren gar nicht erst zu eröffnen. Christian Bommarius (fr-online.de) macht dagegen den zuständigen Generalstaatsanwalt Frank Lüttig (CDU), ehemaliger Mitarbeiter des früheren niedersächsischen Justizministers Bernd Busemann (CDU) für den "unsäglichen" Prozess, der das Gegenteil eines fairen Verfahrens darstelle, verantwortlich.
Schiedsgericht – Oetker: Ein Schiedsgericht, dass unter anderem mit dem früheren Präsidenten des Bundesgerichtshofs, Karlmann Geiß besetzt ist, entscheidet über einen Gesellschafter-Streit beim Oetker-Konzern. Die FAZ (Johannes Ritter) stellt in ihrem Unternehmens-Teil die Seiten des "Familienzerwürfnisses im Hause Oetker" vor und konstatiert "eine lukrative Angelegenheit für eine Heerschar von Juristen."
Heidi K.: Die Tochter des verstorbenen Lehrers, der von seiner Kollegin Heidi K. fälschlicherweise der Vergewaltigung bezichtigt wurde, zieht ihre Schadensersatzklage zurück. Das Landgericht Osnabrück hatte die unter anderem wegen Freiheitsberaubung Verurteilte im Herbst zur Zahlung von 80.000 Euro verurteilt, eine nächstinstanzliche Fortsetzung des Rechtsstreit sei der Tochter jedoch aus finanziellen Gründen nicht möglich, schreibt die FAZ.
Recht in der Welt
Frankreich/Belgien – Suizidhilfe: Das oberste französische Verwaltungsgericht verhandelt derzeit den Streit von Angehörigen eines querschnittsgelähmten Koma-Patienten über die Einstellung seiner künstlichen Ernährung. In ihrem Bericht stellt die FAZ (Michaela Wiegel) auch die Debatte über eine Reform der 2005 eingeführten gesetzlichen Regelung zur sogenannten passiven Sterbehilfe in Frankreich dar. In Belgien stimmt das Parlament in der kommenden Woche über einen Gesetzentwurf ab, nach dem auch Minderjährige unter bestimmten Voraussetzungen ihre Tötung durch einen Arzt verlangen können. Nach dem Bericht der Welt (Florian Eder, Online-Version) manifestiere sich in dem Entwurf, mit dessen Annahme zu rechnen sei, "gesellschaftspolitischer Turboliberalismus als gemeinsamer Nenner einer Parteienlandschaft", die nach der letzten Wahl fast anderthalb Jahre für eine Regierungsbildung benötigte.
USA – Guantánamo: Die kanadische Rockband Skinny Puppy hat den USA eine Rechnung über 666.000 Dollar wegen der Verwendung ihrer Musik bei Folterungen auf dem US-Truppenstützpunkt Guantánamo geschrieben und erwägt eine Klage gegen das US-Verteidigungsministerium. Dies meldet die Welt (Online-Version).
Sonstiges
Gerichtliche Gutachter: Die SZ (Annette Ramelsberger) berichtet auf ihrer Titelseite über eine Münchner Doktorarbeit, in deren Rahmen gutachterlich tätige Ärzte, Psychiater und Psychologen in Bayern danach befragt wurden, ob sie von Gerichten schon einmal ergebnisbezogene Vorgaben für ihre Gutachten bekommen hätten. Ein knappes Viertel des Befragten habe diese Frage bejaht. Besonders problematisch sei dabei die wirtschaftliche Abhängigkeit von Gerichtsaufträgen, die befragten Psychologen etwa bezögen fast die Hälfte ihrer Einkünfte aus derartigen Aufträgen.
Fall Yagmur: Die taz-Nord (Kaija Kutter) berichtet über einen öffentlichen Auftritt des Hamburger Anwalts Rudolf von Bracken, der die Eltern eines im Dezember verstorbenen Kleinkinds in einem Sorgerechtsstreit vor dem Familiengericht vertreten hatte und sich nun massiven Anfeindungen ausgesetzt sieht. Die kleine Yagmur wurde mutmaßlich von ihren Eltern misshandelt, der Anwalt habe nun an seine Funktion als Elternanwalt erinnert und betont, "kein objektiver Gesetzesvollzieher" gewesen zu sein.
Das Letzte zum Schluss
Ordnung muss sein: In Kalifornien hat ein Polizist einen Feuerwehrmann vorläufig festgesetzt, weil der mit seinen Einsatzwagen die zweite Fahrspur blockierte. Wie Udo Vetter (lawblog.de) schreibt, versorgte der Festgenommene gerade ein Unfallopfer.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. Februar 2014: Selbstanzeige und Steuergeheimnis – Rückgabe und Recht – Eklat um Wulff . In: Legal Tribune Online, 07.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10919/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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