Die juristische Presseschau vom 6. August 2014: Umstrittener Ecclestone-Deal – Erlaubte Demo auf dem Friedhof – Niedersächsische Examen gefährdet

06.08.2014

Die Verfahrenseinstellung im Fall Ecclestone sorgt für Streit. Leidet hier die Glaubwürdigkeit der Justiz? Außerdem in der Presseschau: das BVerfG erlaubt Kundgebungen auf dem Friedhof, ein Buchtitel darf die "Wanderhure" ironisieren, in Niedersachsen werden Referendarsexamen auf Auffälligkeiten geprüft, eine intersexuelle Person will durch die Instanzen gehen - und US-Forscher können bald Menschen mit Hilfe ihrer Chipstüten abhören.

Thema des Tages

LG München I - Ecclestone: Das Landgericht München I hat am Dienstag wie erwartet das Bestechungsverfahren gegen den Formel-1-Chef Bernie Ecclestone gegen Zahlung einer Geldauflage von 100 Millionen US-Dollar (75 Millionen Euro) eingestellt. Es berichtet u.a. sueddeutsche.de.

Reinhard Müller (FAZ) kommentiert: Das Urteil sei kein Indiz für eine Zwei-Klassen-Justiz, vielmehr handele es sich bei der Einstellung nach § 153a Strafprozessordnung (StPO) um "Alltagsgeschäft". Heribert Prantl (SZ) spricht dagegen von einer "Kassenjustiz" und weist darauf hin, dass § 153a bis zum Jahr 1993 nur bei geringer Schuld anwendbar war und damals ausgeweitet wurde. Er fordert eine präzisere gesetzliche Regelung der Einstellung gegen Geldauflage. Für Udo Vetter (lawblog.de) bleibt "das unschöne Bild, dass ausgerechnet Bestechungsvorwürfe hier durch eine Art 'Abstandszahlung' aus der Welt geschafft werden." Peter Kurz (WZ) meint: "Das Gefühl, dass alles mit rechten Dingen zugeht, geht verloren, wenn die Justiz mit dem Schwert droht – um anschließend die Hand offenzuhalten und sich mit Geld besänftigen zu lassen."

Auf lto.de diskutieren die Rechtsprofessoren Michael Kubiciel und Karsten Gaede. Kubiciel begrüßt die Einstellung des Verfahrens. Es sei "grundsätzlich richtig, dass Vorschriften wie § 153a StPO mit Hilfe eines diversifizierten Sanktionenprogramms einen Ausgleich zwischen Justizökonomie und Gerechtigkeit erlauben, wenn sich die Suche nach 'der' materiellen Wahrheit im prozessualen Grau verliert". Gaede rechnet vor, dass eine Geldstrafe im Fall Ecclestone maximal 21,6 Millionen Euro hätte betragen dürfen, mit einer Geldauflage von 75 Millionen Euro habe sich das Gericht deshalb in der Oktave vergriffen. Es bestehe die Gefahr, dass die Justiz nur noch danach schaue, auf welchem Weg bei dem Angeklagten mehr zu holen ist.

Rechtspolitik

Organhaftung: Die Anwälte Wilhelm Haarmann und Michael Weiss plädieren in einem Beitrag für die FAZ für eine gesetzliche Reform der Organhaftung. Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsräten sollen künftig nach allgemeinen Regeln haften. Sie sollen nicht mehr die Beweislast dafür tragen, dass sie die "Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters" angewendet haben. Sie sollen sich auch bei Verstößen gegen interne Regeln darauf berufen können, dass ein bestimmter Schaden auch ohne Pflichtverletzung eingetreten wäre. Haftungssummen sollen gesetzlich begrenzt werden, bei Managerversicherungen soll es keinen Selbstbehalt mehr geben.

Kastration: Die Anwältin Ulrike Golbs plädiert auf lto.de für eine Beibehaltung der Möglichkeit, dass sich Strafgefangene auf eigenen Wunsch kastrieren lassen, um ihren abnormen Sexualtrieb zu dämpfen. Das Anti-Folter-Kommittee des Europarats hatte dies zuvor als menschenunwürdige Verstümmelung beanstandet. Golbs warnt dagegen vor einer Ungleichbehandlung von Strafgefangen und sonstigen Bürgern mit dem gleichen medizinischen Befund.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. August 2014: Umstrittener Ecclestone-Deal – Erlaubte Demo auf dem Friedhof – Niedersächsische Examen gefährdet . In: Legal Tribune Online, 06.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12808/ (abgerufen am: 21.07.2024 )

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