Die Staatsanwaltschaft Hannover hat gegen den Freispruch für Christian Wulff Revision eingelegt. Außerdem in der Presseschau: neue Kompetenzen für das BMJ, Mindestlohn, Tötungsdelikte, keine Rasse in Berlin, Krimkrise, Steuersünder und warum das Abhören von Handys dem US-Justizministerium zu teuer ist.
Thema des Tages
StA Hannover – Revision gegen Wulff-Freispruch: Die Staatsanwaltschaft Hannover hat gegen den Freispruch für Christian Wulff Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt, berichten SZ (Marc Widmann) und FAZ (Robert von Lucius). Die Revision wird allerdings erst begründet, wenn das schriftliche Urteil des Landgerichts Hannover vorliegt.
Die SZ (Joachim Käppner) erläutert im Aktuellen Lexikon den Begriff "Revision" als Überprüfung, ob ein Gesetz falsch angewendet wurde. Die FAZ (Robert von Lucius) bringt ein Porträt des Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig, dem die hannoverschen Ankläger unterstellt sind.
Reinhard Müller (FAZ) meint, die Anklagebehörde habe sich mit diesem Schritt endgültig "im kleinsten Karo" verfangen. Ludwig Greven (zeit.de) meint, ein Urteil in einem Strafverfahren sei dazu da, den Rechtsfrieden wiederherzustellen. "Die Staatsanwaltschaft Hannover gibt jedoch keine Ruhe." Ernst Fricke (focus.de) bezieht ebenfalls die gesamte Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft mit ein und meint, eine Revision sei nur konsequent. Außerdem hätte auch Wulff dieses Rechtsmittel zur Verfügung gehabt. Béla Anda (bild.de), der Leiter des Ressorts Politik, meint per Videobotschaft, es sei falsch, wenn die Staatsanwaltschaft Revision einlege: "Schon das erste Verfahren war überflüssig."
Rechtspolitik
Zuschnitt des BMJ: Die Zeit (Elisabeth Niejahr) erläutert, dass das Bundesministerium der Justiz und damit auch der Minister Heiko Maas federführend für die Einführung der Frauenquote zuständig ist und weist auf die frauenpolitische Tradition des Ressorts hin.
Das Handelsblatt (sk) berichtet, für viele Beamte sei die Erweiterung des Ressorts um den Verbraucherschutz schwierig. Sie seien den Umgangston von Verbraucherschützern nicht gewohnt und der neue Aufgabenbereich verwässere das altehrwürdige Profil des Hauses.
Reform der Tötungsdelikte: In einem Beitrag auf der Recht-Seite der FAZ äußerst Professor Walter Grasnick Zweifel an der angestrebten Reform der Tötungsdelikte. Auch, wenn der "Mörder" als Tätertyp von den Nationalsozialisten ins Gesetz eingeführt worden sei, sei ein Gesetz ohne Mordmerkmale dennoch zweifelhaft. Das Merkmal "Habgier" werde als "Topos bei der Bemessung der Strafe" durch die Hintertür wieder eingeführt und sei noch schwerer zu greifen als jetzt.
Strafzuschlag für Steuersünder: Wie die FAZ (Martin Schäfers) in ihrem Wirtschaftsteil berichtet, will der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD) das Steuerstrafrecht doppelt verschärfen. Zum einen solle die Erklärungsfrist bei Selbstanzeigen von fünf auf zehn Jahre angehoben werden. Zum anderen sei daran gedacht, den Strafzuschlag auf hinterzogene Steuern von fünf auf zehn Prozent zu erhöhen, sofern das Hinterziehungsvolumen 50.000 Euro oder mehr betrage.
Mindestlohn: In einem Interview mit lto.de (Claudia Kornmeier) meint Professor Arnd Diringer, man solle die Ausnahmen vom flächendeckenden Mindestlohn auf Studenten und Praktikanten beschränken. Sonst bestehe die Gefahr, dass immer mehr Arbeit auf Rentner und 450-Euro-Kräfte abgewälzt werde.
Die Welt (Stefan von Borstel) gibt einen Überblick über die Lohnstruktur in unterschiedlichen Branchen und erörtert die möglichen Optionen für Ausnahmen.
Justiz
OLG Düsseldorf zu Pressevertrieb: Das deutsche System der Pressegrossisten ist mit europäischem Kartellrecht sehr wahrscheinlich nicht vereinbar, berichtet Die Zeit (Alina Fichter) in ihrem Wirtschaftsteil. Mit einer entsprechenden Entscheidung habe das Oberlandesgericht Düsseldorf einer Klage des Bauer-Verlags stattgegeben. Der Verlag lehnt das System der Quersubventionierung kleiner Druckerzeugnisse durch die großen Verlage ab. Das Oberlandesgericht hat keine Revision beim Bundesgerichtshof zugelassen. Dagegen hat der Grossistenverband Beschwerde eingelegt.
LG Gera zu Narkosearzt: Das Landgericht Gera hat einen Narkosearzt wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Wie spiegel.de berichtet, hatte ein zweijähriges Mädchen bei einer ambulanten Operation in einer Hals-Nasen-Ohren-Praxis akuten Sauerstoffmangel erlitten und sei wenige Tage später an den Folgen gestorben.
LG Köln zu Flugzeugkletterer: Der Mann, der auf dem Flughafen Köln/Bonn in einen Airbus der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums geklettert war, um die Maschine startklar zu machen, leidet nach Ansicht des Landgerichts Köln an einer Psychose und ist schuldunfähig. Dies berichtet spiegel.de. Der Mann werde in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht.
LG München zu Online-Bewertungen: Das Landgericht München I hat entschieden, dass ein Arzt die Bewertung seiner Leistungen nach Schulnoten auf einem Internet-Portal hinzunehmen habe. Die bloße Bewertung sei keine Schmähkritik, sondern lediglich ein Werturteil, berichtet internet-law.de (Thomas Stadler).
StA Stuttgart – Mutmaßliche KZ-Aufseher bald frei: lawblog.de (Udo Vetter) berichtet, die sich in Untersuchungshaft befindlichen drei mutmaßlichen Aufseher aus dem Konzentrationslager Auschwitz würden bald auf freien Fuß gesetzt. Es gebe keinen Haftgrund, der sich sinnvoll begründen lasse.
OLG München – NSU: zeit.de (Tom Sundermann) schreibt im NSU-Blog über die scheinbar "normalen Nachbarn". Die gewaltbereiten Terroristen fielen nicht weiter auf, so der Nebenklagevertreter Eberhard Reinecke in einem Beitrag für die Huffington Post, weil sich ihre Weltanschauung nicht wesentlich von der ihres Wohnumfelds in Zwickau unterschieden habe.
Der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) berichtet, dass die Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Mord an Halit Yozgat in Kassel in der kommenden Woche erneut Gegenstand der Beweisaufnahme würden. Unter anderem soll der ehemalige hessische Verfassungsschützer Thomas A. noch einmal gehört werden, der zwar am Tatort war, sich aber angeblich an nichts erinnern kann.
Recht in der Welt
USA – Chevron: Ein Bundesrichter in New York hat dem US-Ölkonzern Chevron bestätigt, dass er die 9,5 Milliarden US-Dollar nicht zu zahlen braucht, die in Ecuador von einem Gericht verhängt worden waren. Darüber berichtet die taz (Jürgen Vogt) in ihrem Wirtschaftsteil. Richter Lewis Kaplan halte eine Mitschuld Chevrons an der Umweltzerstörung zwar für möglich, entscheidend aber sei, dass das korrupte ecuadorianische Justizsystem nicht in der Lage sei, einwandfreie Urteile zu produzieren. zeit.de berichtet ebenfalls.
Sonstiges
BVerfG – EuGH: In einem Beitrag für die Recht-Seite der FAZ untersucht der frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof die jüngste vorsichtige Annäherung von Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof. Es komme auf eine "Rechtsprechung in wechselseitiger Verantwortung" an, die beiden Gerichte müssten kooperieren.
Völkerrecht und Krimkrise:Der Völkerrechtsprofessor Michael Bothe weist im Feuilleton der SZ darauf hin, dass Russland in den vergangenen 15 Jahren mit einer Fülle von Völkerrechtsverstößen westlicher Staaten konfrontiert gewesen sei, unter anderen mit den Luftangriffen auf Jugoslawien 1999. Wenn man Russland auch zurecht kritisiere, müsse das Völkerrecht doch für alle gelten.
In einem Beitrag für lto.de erläutert der Völkerrechtler Hans-Joachim Heintze, warum das humanitäre Völkerrecht im Falle der russischen Besetzung der Krim wohl nicht anwendbar ist. Es handele sich weder um eine Okkupation noch um einen bewaffneten Konflikt, der UN-Sicherheitsrat sei in erster Linie ein politisches, kein juristisches Entscheidungsgremium.
Keine Rasse in Berlin: Grüne und Piraten in Berlin wollen den Begriff "Rasse" aus der Landesverfassung streichen, berichtet die FAZ (Mechthild Küpper). Die Linke werde den Antrag unterstützen. Das Europäische Parlament empfiehlt seit geraumer Zeit, den Begriff in offiziellen Dokumenten nicht mehr zu verwenden. Verhandelt wird am heutigen Donnerstag.
Oppermann-Ziercke: In einem Beitrag für die Recht-Seite der FAZ äußert der Rechtsprofessor Reinhard Merkel die Auffassung, Thomas Oppermann habe sich durch sein Telefonat mit BKA-Präsident Ziercke nicht strafbar gemacht, seine "versuchte Anstiftung zum Geheimnisverrat" sei aber rechtswidrig.
Amtsverzicht für Hoeneß: Wie das Handelsblatt (M. Fasse/A. Höpner/M. Wocher /J. Hofer/J. Keuchel/K. Leitel) berichtet, haben Unternehmensvertreter aus dem Aufsichtsrat des FC Bayern Uli Hoeneß zum Amtsverzicht als Aufsichtsratsvorsitzender aufgefordert, sollte er wegen Steuerhinterziehung verurteilt werden. Hoeneß wolle die Mitglieder des Vereins entscheiden lassen.
In einem Interview mit dem Handelsblatt (Axel Höpner) rät der Experte für Corporate Governance Christian Strenger Hoeneß zum Rücktritt. Der Aufsichtsrat hätte schon viel früher auf einem Rücktritt bestehen müssen.
Das Letzte zum Schluss
USA – Abhören ist zu teuer: Wie die SZ (Katrin Werner) in ihrem Wirtschaftsteil berichtet, hat das US-Justizministerium Klage gegen das Telekommunikationsunternehmen Sprint eingereicht. Sprint soll für die Anschaffung technischer Ausrüstung für Abhörmaßnahmen 21 Millionen US-Dollar zu viel berechnet haben. Erstattet werde von der US-Regierung nur der Aufwand für eine bestimmte Maßnahme. Die Bereitstellung der allgemeinen technischen Ausstattung habe das Unternehmen selbst zu tragen. Dazu berichtet auch spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 6. März 2014: Revision gegen Wulff-Freispruch – Kirchhof zu BVerfG / EuGH – Amtsverzicht für Hoeneß? . In: Legal Tribune Online, 06.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11244/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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