Vor der Wahl kommt die Zulassung. Der Bundeswahlausschuss entscheidet, welche Klein-Parteien zur Bundestagswahl im September antreten dürfen. Außerdem in der heutigen Presseschau: Erhöhung der Anwaltsgebühren, der BGH zu Unterhaltsansprüchen und AGB von Textilreinigungen, die Telekom vergleicht sich, Machtwechsel auf ägyptisch und Zigarettenduft als Kündigungsgrund.
Demokratie in Aktion: Unter dem Vorsitz von Bundeswahlleiter Roderich Egeler tagt am Donnerstag und am Freitag der Bundeswahlausschuss. Parteien, die nicht im Bundestag oder einem Landesparlament vertreten sind, müssen von diesem Gremium als Partei anerkannt werden, um zur Bundestagswahl im kommenden September zugelassen zu werden.
Vor der letzten Wahl hatte DIE PARTEI unter dem Vorsitz Martin Sonneborns für Furore gesorgt, weil sie ihre Nichtzulassung gerichtlich angreifen ließ. Ein Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht wurde jedoch zurückgewiesen. Unterstützt durch die Kritik eines OSZE-Berichts zur fehlenden Rechtsschutzmöglichkeit politischer Vereinigungen vor der Wahl änderte der Gesetzgeber das Bundeswahlgesetz: Nach § 18 Abs. 4a Bundeswahlgesetz (BWG) besteht nunmehr die Möglichkeit einer innerhalb von vier Tagen nach Nicht-Zulassung beim BVerfG zu erhebenden Beschwerde.
Ob Gruppen wie Aufbruch C, Deutsches Reich oder Muslimisch Demokratische Union von diesem Recht Gebrauch machen, ist noch nicht bekannt. Über die Sitzung des Bundeswahlausschusses schreibt spiegel.de (Annett Meiritz) unter der Überschrift "Freakshow der Splitterparteien."
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Anwaltsgebühren: Rechtsanwalt Hans-Jochem Mayer (blog.beck.de) schreibt, dass sich der Bundesrat am Freitag mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz und dem Gesetz zur Änderung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts beschäftigen wird. Die nach den Neuregelungen vorgesehe Anhebung der Anwaltsgebühren könnten bei einem positiven Votum bereits zum 1. August in Kraft treten.
Unseriöse Geschäftspraktiken: In der vergangenen Woche hat der Bundestag des Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet, das v.a. massenhaften Abmahnungen bei mutmaßlichen Urheberrechtsverletzungen entgegenwirken soll. Sehr zum Unwillen von Rechtsanwalt Peter Nümann. Auf lto.de erläutert er Schwächen der Regelung. Aufwendige Abmahnungen, d.h. solche, die eine individuelle Bearbeitung erforderten, würden nur für die Täter oder Störer, nicht jedoch für das Opfer von Urheberrechtsverletzungen billiger. Überhaupt sei dem Deliktsrecht der im Gesetz verwendeten Verbraucherbegriff fremd. Die gefundene Lösung kranke an fehlender Verzahnung von Störerhaftung und Auskunftspflicht und lasse viele Haftungsfragen offen.
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BVerfG – EZB-Verfahren: Zu dem vor dem Bundesverfassungsgericht laufenden Verfahren zum Staatsanleihenkauf-Programm (OMT) durch die Europäische Zentralbank (EZB) äußert sich Hans Werner Sinn (Handelsblatt) in einem Gastkommentar. Für den Autor ist es "schwer vorstellbar", dass Karlsruhe die unbegrenzte Ausweitung der deutschen Haftung durch das OMT-Programm der EZB akzeptieren wird, nach dem im Verfahren zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ein Ausschluss einer gesamtschuldnerischen Haftung erbeten wurde. Deshalb erscheint es Sinn wahrscheinlich, dass das BVerfG die Rechtswidrigkeit des OMT erklären wird.
BGH zum Ausbildungsunterhalt: Der Bundesgerichtshof hat am Mittwoch entschieden, das einer Berufsausbildung vorgelagerte Beschäftigungsverhältnisse den Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber seinen Eltern dann nicht entfallen lassen, wenn sie der späteren Berufsfindung dienen. Den Beschluss bespricht der Notar Herbert Grziwotz auf lto.de im Zusammenhang mit weiterer höchstrichterlicher Rechtsprechung zum Thema. Fazit: Unterhaltspflichtige Eltern müssen Abweichungen vom regelmäßigen Ausbildungsverlauf hinnehmen, nicht jedoch jugendliche Auszeiten zur "Selbstfindung" oder ein "Bummelstudium."
BGH zu Haftungsbeschränkungen von Textilreinigungen: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Haftungsbeschränkungen in AGBs von Textilreinigungen Kunden unangemessen benachteiligen und daher unwirksam sind. Bislang hätten die Firmen eine Haftung wegen der Beschädigung eingebrachter Kleidungsstücke auf eine Maximalsumme begrenzt, schreibt die Welt (Harald Czycholl) und stellt die Arbeit des klagenden Bundesverbandes der Verbraucherzentralen vor.
OVG Niedersachsen zu Kapuzenpullis: Das alleinige Mitführen von zur Vermummung geeigneten Utensilien wie etwa eines Kapuzenpullovers rechtfertigt ein polizeiliches Aufenthaltsverbot auch dann nicht, wenn der Betroffene in der Inpol-Datei "Straftäter linksmotiviert" gespeichert und auf dem Weg zu einer Anti-Nazi-Demonstration ist. Dies hat das OVG Niedersachsen entschieden und nach dem Bericht der taz-Nord (KVA) ausgeführt, dass ein Aufenthaltsverbot sich auf Tatsachen stützen müsse, "die die Annahme rechtfertigen, dass die Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen wird."
OLG München – NSU-Prozess: Über Verwirrung im vor dem Oberlandesgericht München laufenden Verfahren gegen Beate Zschäpe u.a. berichtet die SZ (Annette Ramelsberger) Der Mitangeklagte Carsten S. habe die von ihm dem NSU-Trio überbrachte, mutmaßliche Tatwaffe nicht eindeutig identifizieren können, dass Bundeskriminalamt aber auch andere als die anlässlich einer Vernehmung vor mehr als einem Jahr vorgelegten an das Gericht geschickt.
Über das Auftreten Beate Zschäpes vor Gericht räsoniert ein Beitrag in FR-Online (Stefan Geiger).
Vorkasse: Die Welt (Ernst August Ginten) berichtet, dass die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen fünf deutsche Fluggesellschaften, unter ihnen die Lufthansa, wegen der Praxis, bei der Ticket-Buchung hohe Anzahlungen oder gar den gesamten Preis zu fordern, vor den jeweils zuständigen Landegerichten verklagt hat. Kunden verlören hierdurch Druckmittel gegenüber den Fluganbietern, fällig werden sollte der Preis nach Vorstellung der Verbraucherschützer erst 30 Tage vor Abreise. Vergleichbare Klagen gegen Reiseveranstalter hätten ergeben, dass deren gängige Vorauszahlungsforderungen deutlich zu hoch gewesen seien.
Telekom-Vergleich: Die Deutsche Telekom hat mehrere Rechtsstreitigkeiten mit dem Patentverwerter IP-Com durch Zahlung eines mutmaßlich dreistelligen Millionenbetrages beigelegt. Wie die FAZ (Corinna Budras/Helmut Bündner) in ihrem Unternehmens-Teil schreibt, werfe die nun beendete Auseinandersetzung ein Schlaglicht auf das neue Geschäftsmodell von sogenannten Patentverwertungsgesellschaften, die sich ohne eigenes operatives Geschäft darauf spezialisieren, Schutzrechte aufzukaufen und auf dieser Basis Lizenzen zu vergeben.
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Ägypten – Putsch?: Die taz (Sven Hansen) geht der Frage nach, ob sich die Absetzung des ägyptischen Präsidenten Mursi durch das Militär staatsrechtlich als Putsch darstellt. Im Sinne der Machtergreifung einer militärischen Gruppe, die unter Bruch oder Verbiegung der Verfassung eine legitime zivile Regierung absetzt, sei dies der Fall. Auch die neue zivile Regierung sei von der Gnade der Militärs abhängig. Dieses beanspruche damit eine Interpretationshoheit, "die in einem Rechtsstaat Gerichten vorbehalten wäre."
Russland – Korruption: In der russischen Großstadt Jaroslawl ist Bürgermeister Jewgenij Urlaschow festgenommen worden. Wie die FAZ (Ann-Dorit Boy) schreibt, wird dem Parteilosen vorgeworfen, von einem Straßenreinigungs-Unternehmen mehrere hunderttausend Dollar Schmiergeld verlangt zu haben. Urlaschows Wahl im vergangenen Jahr hatte internationales Aufsehen erregt, weil er mit der Regierungspartei Einiges Russland, für die er jahrelang im Stadtrat saß, gebrochen hatte und sie und ihre Protagonisten nun heftig kritisierte. Den jetzigen Fall habe das zentrale Ermittlungskomitee in Moskau übernommen.
USA – Millionenentschädigung: Ein Gericht in Torrance/USA hat einem Gewalt-Opfer eine Entschädigung von 58 Millionen Dollar zugesprochen. Wie die FAZ (Leo Wieland) berichtet, wollte der 43-jährige Mann in eine Auseinandersetzung zwischen einem Türsteher und seinen Neffen eingreifen und wurde hierbei so schwer verletzt, dass er einen Teil seines Schädels verlor. Weil der Täter seitdem untergetaucht sei, müsse dessen Arbeitgeber die Entschädigung an den vollständig Pflegebedürftigen zahlen.
Sonstiges
Datenüberwachung: Die jüngst publik gewordenen US-amerikanischen Datenüberwachungsaktivitäten kommentiert Michael Wolffsohn (Welt) in einem Gastbeitrag. Er rekapituliert das deutsch-amerikanische Verhältnis seit Kriegsende und plädiert für Bescheidenheit, Dankbarkeit und Verständnis dafür, dass Amerika "als globale Terrorzielscheibe Nummer eins die Sicherheit größer schreibt als wir." Zudem dürfe nicht außer acht gelassen werden, dass "der Kern der Massenmörder vom 11. September 2001" aus Deutschland kam.
Das Letzte zum Schluss
Kündigungsgrund Zigarettengeruch: Der von Rauchern ausgehende Geruch stört viele Menschen, nicht zuletzt Nichtraucher. Als Kündigungsgrund reicht er nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Saarlouis vom Mai auch in der Probezeit nicht aus. Wie Udo Vetter (lawblog.de) berichtet, wurde der Bürokraft eines Unternehmens mit Rauchverbot an ihrem ersten Arbeitstag gekündigt, weil sie "gravierend" nach Rauch gerochen hätte, nachdem sie unmittelbar vor Arbeitsbeginn eine Zigarette geraucht habe. Nach Auffassung des Gerichts seien für Kündigungen in der Probezeit zwar nicht die Maßstäbe des Kündigungsschutzgesetzes heranzuziehen, wohl jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit der Freizeit-Raucherin.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. Juli 2013: Parteien vor der Wahl - BGH kippt Reinigungs-AGB - Machtwechsel in Ägypten . In: Legal Tribune Online, 05.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9083/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
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