Gesetzgebung kann so schnell gehen. Letzte Woche erst gab es die Eckpunkte zur Beschneidung, jetzt liegt schon ein Gesetzentwurf vor. Außerdem in der Presseschau: van Rompuy will nationale Demokratie durch neue Verträge einschränken, Bayern will Asyl-Bescheide binnen 48 Stunden, das geheime Prozessrecht des Vatikans und warum ein Maler für die Bildzeitung das Grundgesetz malte.
Gesetzentwurf zur Beschneidung: Schon am nächsten Mittwoch soll das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Beschneidung von Knaben beschließen. Einen entsprechenden 26-seitigen Entwurf hat jetzt Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorgelegt. Es wird darin klargestellt, dass die Beschneidung zulässig ist, wenn die Eltern zustimmen und der Eingriff nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wird. Neu ist vor allem die Gesetzesbegründung. Sie enthält auch Ausführungen zur Betäubung und zu einer Art Vetorecht des Kindes. Es berichten u.a. die FAZ (Peter Carstens, Kurzfassung) und die SZ (Heribert Prantl).
Reinhard Müller (FAZ) bleibt in seinem Kommentar skeptisch: "Von der nochmaligen Hervorhebung von Kindeswohl und -willen sollte man sich nicht zu viel versprechen."
Die taz (Christian Rath) hat Wolfram Höfling, Rechtsprofessor und Mitglied des Ethikrats, interviewt. Er befürwortet die Regierungslinie: Es sei "falsch, hier einen Gegensatz zwischen Eltern- und Kinderrechten zu konstruieren".
Weitere Themen – Rechtspolitik
EU-Reform: EU-Ratspräsident Herman van Rompuy hat in der Debatte um den Umbau der EU einen weitreichenden Vorschlag gemacht. Danach sollen sich alle EU-Staaten in Verträgen mit der EU verpflichten, Reformvorschläge der EU-Kommission, etwa zu den Sozialsystemen oder zum Arbeitsmarkt, umzusetzen. So soll Krisen vorgebeugt werden. Darüber berichtet u.a. die SZ (Cerstin Gammelin). Über den Vorschlag wird bei einem EU-Gipfel Mitte Oktober beraten.
Normenflut: Das Handelsblatt (Dorit Heß/Thomas Sigmund) ließ Führungskräfte der Wirtschaft befragen. 71 Prozent meinen, es gebe zu viele Vorschriften und Regulierungen in Deutschland. Anlass ist die für nächsten Mittwoch geplante Vorlage des Berichts des Normenkontrollrats.
Asyl und Visa: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat gefordert, dass Asylverfahren für Antragsteller aus Serbien und Mazedonien binnen 48 Stunden abgeschlossen sein müssen. Außerdem solle die Visafreiheit für Serben und Mazedonier ausgesetzt werden, berichtet die Welt (Martin Lutz). Die taz (Christian Rath) analysiert die Pläne.
Weitere Themen - Justiz
BVerfG zu Rundfunkgebühren: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass auf internetfähige PCs Rundfunkgebühren erhoben werden dürfen, so internet-law (Thomas Stadler).
BGH zu Waldgefahren: Wer beim Spaziergang im Wald von einem herabfallenden Ast getroffen wird, kann nicht vom Waldeigentümer Schadensersatz verlangen. Das hat nach einer Meldung von spiegel.de der Bundesgerichtshof entschieden.
BVerfG zu ESM-Umsetzung: Der Völkerrechtler Georg Nolte beschreibt in einem Gastbeitrag für die FAZ, wie die Bundesregierung völkerrechtlich sichergestellt hat, dass die deutsche Haftung beim ESM-Rettungsfonds nicht ohne die Zustimmung des Bundestags erhöht werden kann. Damit seien die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts vom 12. September umgesetzt, was das Gericht inzwischen selbst bestätigt habe.
Voßkuhle in Le Monde: Die Mittwochs-SZ-Sonderausgabe (Wolfgang Janisch) greift ein Interview auf, das der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle der französischen Zeitung Le Monde gegeben hatte. Voßkuhle wolle die europäischen Nachbarn mit einer Charmeoffensive beschwichtigen. So sei ein deutsches Referendum über die EU laut Voßkuhle nicht mehr akut.
SS-Mord-Verfahren eingestellt: Nachdem die Stuttgarter Staatsanwaltschaft Mord-Ermittlungen gegen deutsche SS-Angehörige wegen eines Massakers in Italien eingestellt hat, präsentiert die Mittwochs-SZ-Sonderausgabe (Christiane Kohl) enttäuschte Reaktionen aus Italien.
LG Dortmund – Neonazi aus U-Haft entlassen: In einem Verfahren gegen einen gewalttätigen Neonazi ist dieser aus der U-Haft entlassen worden, weil keine Fluchtgefahr mehr besteht und auch keine relevante Wiederholungsgefahr, berichtet spiegel.de (Jörg Diehl) in einem empörten Artikel.
LG Koblenz – Nürburgring: Mitte Oktober beginnt am Landgericht Koblenz der Prozess gegen die Verantwortlichen des Nürburgring-Desasters. Angeklagt ist u.a. der Ex-Finanzminister von Rheinland-Pfalz, Ingolf Deubel (SPD), wegen Untreue. Die Zeit (Marcus Rohwetter/Dagmar Rosenfeld) schildert in einem ausführlichen Vorbericht, wie Deubel auf dubiose Geschäftemacher hereinfiel und mutmaßlich seine Kompetenzen überschritt.
StA Hamburg gegen Ergo: In der heutigen Titelgeschichte schildert das Handelsblatt (Sönke Iwersen), wie die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen Führungskräfte der Versicherung Ergo wegen Betrugs ermittelt. Aufgrund eines Rechenfehlers waren die Kosten von 12.000 Riester-Kunden zu hoch angesetzt worden, was aber zunächst auch dann nicht korrigiert wurde, als der Fehler auffiel.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Vatikan – Kammerdiener vor Gericht: Die Mittwochs-SZ-Sonderausgabe (Andrea Bachmann) berichtete von der Aussage des angeklagten Paolo Gabriele, dem ehemaligen Kammerdiener des Papstes. Er will bei seinen Diebstählen von Dokumenten und Wertsachen keine Komplizen gehabt haben. Der Theologieprofessor Stefan Samerski schildert auf lto.de die Rahmenbedingungen dieses Strafverfahrens. "Materiell-rechtliche Grundlage für das Ermittlungs- sowie das Gerichtsverfahren ist ein etwa 100 Jahre altes, italienisches Strafrecht, das Italien selbst bereits mehrfach überholt und reformiert hat. Ein Strafprozessrecht ist dagegen nicht öffentlich bekannt."
USA – Wahlgesetz gekippt: Ein Bundesrichter in Pennsylvania, einem der wahlentscheidenden Staaten, hat das dortige Wahlgesetz beanstandet. Die Pflicht, bei der Stimmabgabe einen Ausweis vorzulegen, entziehe vielen Wählern, die keinen Ausweis haben, faktisch das Wahlrecht. Das Urteil nütze Präsident Obama, so spiegel.de.
Sonstiges
Telekomverbindungsdaten: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und die Bundesnetzagentur haben einen gemeinsamen Leitfaden herausgegeben, wie lange Telekom-Firmen die Daten von Nutzern für technische und administrative Zwecke speichern dürfen. Das berichtet blog.beck.de (Axel Spies).
Cyber-Mobbing: Anhand des Falles des Kölner Profifußballers Kevin Pezzoni schildert der Anwalt Thomas Hey auf lto.de, welche Pflichten sein Arbeitgeber gehabt hätte, ihn zu schützen. So hätte der 1. FC Köln auf "Facebook einwirken müssen, die Gruppen zu löschen, in denen Mitglieder zu Gewalt gegen Pezzoni anstachelten."
Das Letzte zum Schluss
Gemaltes Grundgesetz: Der renommierte Maler Markus Lüpertz hat 19 Grundrechte gemalt. Im Interview mit bild.de (Jacinta Omans) schildert Lüpertz, was er dabei gedacht hat. "Das Grundgesetz beschreibt ein Idyll. Es dient dem Frieden, der Gerechtigkeit, der Unversehrtheit jedes Einzelnen, fordert aber auch Verzicht, Rücksichtnahme und Einschränkung jedes Einzelnen. Und ich spüre diese beiden Seiten. Dabei fällt gerade mir als Maler Verzicht natürlich schwer!" Ein weiteres Interview mit dem Künstler führte lto.de (Constantin Baron van Lijnden).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 3. und 4. Oktober: Beschneidung wird geregelt – Voßkuhle wird charmanter – Das Grundgesetz wurde gemalt . In: Legal Tribune Online, 04.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7233/ (abgerufen am: 01.07.2024 )
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