Das BKA setzt einen wahrhaftigen Charmeur auf Beate Zschäpe an und die geht ihm auf den Leim. Außerdem in der Presseschau: Kritik am Straftatbestand zur weiblichen Genitalverstümmelung, Reform des Verfassungsschutzes, PartGmbB für Anwälte, BGH zur Bedeutung von Mietspiegeln und die Marke "Shakira".
NSU-Prozess – "Der Zschäpe-Flüsterer": Eine "Geheimwaffe mit Charme" und "Zschäpe-Flüsterer" nennt Holger Schmidt (SWR-Terrorismus-Blog) den Ersten Kriminalhauptkommissar beim Bundeskriminalamt Reiner B., der Beate Zschäpe bei einem Gefangenentransport zwischen Köln und Gera begleitet und ihr dabei Informationen entlockt haben soll. Zschäpe habe ihren Unmut über ihre Verteidiger geäußert und gesagt, sie habe eigentlich aussagen wollen, wovon man ihr abgeraten habe. B. hatte am Mittwoch als Zeuge im Prozess vor dem Oberlandesgericht München ausgesagt, wie er Zschäpe in ein Gespräch verwickelt hatte.
"Welche Tricks sind erlaubt", fragt sich Gisela Friedrichsen (spiegel.de). "Wir machen hier keine Vernehmung", habe Zschäpe der BKA-Mann beim Transport versichert, "aber wir können über alles reden, über Gott und die Welt, über alles." Lediglich einen Aktenvermerk würde man machen. Dabei habe er die Angeklagte auch auf mögliche "Strafrabatte" durch eine Aussage hingewiesen. Der "schwatzhafte Alleinunterhalter" sei nach eigenen Angaben von "ganz oben" für die Begleitung ausgewählt worden, so Friedrichsen weiter. Bundesanwalt Herbert Diemer finde das polizeiliche Vorgehen "völlig normal und legitim". Auch Annette Ramelsberger (SZ) berichtet ausführlich von der Aussage.
Udo Vetter (lawblog.de) hält das Gespräch für "unverwertbar": Die Verteidigung hatte vor dem Transport eine Zusage der Bundesanwaltschaft eingeholt, dass es zu keinen Vernehmungsversuchen kommen werde - weder förmlich noch als "informatorische Befragung". Letzteres sei schon vor dem Hintergrund unmöglich gewesen, dass von "vornherein klar" gewesen sei, "dass jedes von der Angeklagten geäußerte Wort gegen sie verwendet werden wird". Dass doch versucht wurde, von Zschäpe etwas "in der Sache" zu erfahren, sei eine verbotene Täuschung und verstoße auch gegen das "Fairnessgebot" aus der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Haftungsprivilegien für Anwälte: Mit dem im Bundestag bereits beschlossenen "Gesetz zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung", dem am Freitag wohl auch der Bundesrat zustimmen werde, befasst sich ausführlich Martin Henssler (Handelsblatt-Rechtsboard). Ziel der neuen Sonderform sei vor allem die Schaffung einer deutschen Alternative zur englischen LLP (Limited Liability Partnership). Trotz einiger Schwächen sei die PartGmbB aus Verbrauchersicht "allemal besser" als die LLP. Hauptprofiteur seien die Rechtsanwälte, vielen anderen Freien Berufe bleibe sie indes verwehrt, wenn die entsprechenden Berufsgesetze keine Berufshaftpflichtversicherung vorsehen.
Genitalverstümmelung bei Jungen: Dass der neu geschaffene § 226a Strafgesetzbuch ausdrücklich die Genitalverstümmelung an Frauen und Mädchen bestraft, nicht aber die an Männern und Jungen, empfindet der Strafrechtsprofessor und Richter am Oberlandesgericht Nürnberg Tonio Walter in der Zeit als Zumutung. § 226a StGB verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass "niemand wegen seines Geschlechts bevorzugt oder benachteiligt" werden dürfe, so Walter. Die ausschließliche Inbezugnahme des weiblichen Geschlechts sei gespenstisch und habe auch mit der Wirklichkeit der männlichen "Beschneidung" wenig zu tun. Zu Unrecht werde letztere zumeist als medizinisch einwandfreier sauberer Eingriff gesehen, wogegen auch das bloße Entfernen oder Anstechen der Klitoris-Vorhaut stets als "Verstümmelung" gelte.
Glücksspielnovelle: Vor der Bundesrats-Abstimmung am Freitag zur Novelle der Spielverordnung von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) berichtet die taz (Denis Schnur). Vorgesehen seien eine Reduktion der Zahl der Spielautomaten und die Deckelung des Höchstgewinns. Experten kritisierten, die Verordnung gehe nicht weit genug. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrates fordere ein Verbot des sogenannten Punktespieles, womit sich etwa die Gewinn-Grenze aushebeln lasse.
Asyl für Snowden: Mit dem Rechtsanwalt und Asyrechtsexperten Reinhard Marx spricht spiegel.de (Dietmar Hipp) die Optionen des Whistleblower Edward Snowden durch. Er könne einen Asylantrag stellen, käme er aus einem unsicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist, so Marx, landete dann aber wohl direkt in Auslieferungshaft. Eine Durchbrechung der grundsätzlich gegenüber den USA bestehenden Auslieferungspflicht käme nur in Betracht bei politischer Verfolgung, der Erwartung eines unfairen Verfahren für Snowden sowie der Todesstrafe. Die USA könnten wiederum, so Marx weiter, ihr Gesuch auf "nicht-politisches" stützen und Zusicherungen machen, dann wäre eine Auslieferung "rechtlich möglich".
In einem Gastbeitrag für die FR fordert Jörg-Uwe Hahn, Hessischer Justizminister (FDP), die EU solle Edward Snowden aufnehmen. Es sei "eine Frage der Glaubwürdigkeit, ob man eine politische Randfigur sein oder ob man als Europäische Union die Verantwortung annehmen will".
Innere Sicherheit – Spionageabwehr/ Verfassungsschutz: Die am Mittwoch von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Hans-Georg Maaßen vorgestellte Verfassungsschutzreform enthalte u.a. präzisere Regelungen zur Akten-Aufbewahrung, so die taz (Christian Rath). Auch werde ein bundesweites V-Leute-Register eingeführt und es solle weniger "Spitzel-Prämien" geben. Anlässlich des Skandals um spähende US-Geheimdienste habe Maaßen klar gestellt, die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes schütze auch gegenüber Nato- und EU-Verbündeten; eingegriffen würde aber erst bei konkreten Hinweisen von außen. Die Überwachung des internationalen Telefon- und Internetverkehrs in die USA hält Friedrich für unproblematisch: So etwas mache der BND ja auch.
Die FAZ (Günter Bannas) erläutert in ihrem Bericht, Teil der Reform sei auch eine "Querdenker-Gruppe", die nach Maaßens Vorstellungen "Arbeitshypothesen auf ihre Aktualität" überprüft und ein "internes Controlling" bieten solle. Als V-Leute kamen keinen Personen mehr in Betracht, die "schwerste Straftaten" begangen hätten und die Spitzel-Prämien sollten nicht mehr zum Lebensunterhalt dienen können, so die FAZ weiter. Über die BfV-Binnenreform berichtet auch die SZ (Susanne Höll) und weist auf die weiteren Pläne Friedrichs zur Stärkung der Rolle des BfV hin: Künftig solle das Bundesamt im bestimmten Fällen auch dann in Bundesländern ermitteln können, wenn diese es nicht "ausdrücklich erlauben". Dazu auch die FR (Steffen Hebestreit).
Separat berichtet die FAZ (Günter Bannas) über die Versicherung Maaßens, von den Spähaktionen der NSA auch erst "aus der Zeitung erfahren" zu haben.
Wieso gibt es eigentlich Steuersünder?: Warum sind erfolgreiche Unternehmen immer wieder bereit, für einen finanziellen Vorteil Risiken einzugehen? Diesen Fragen geht der ehemalige Bundesverfassungsrichter und Rechtsprofessor Paul Kirchhof in einem ganzseitigen Beitrag im Feuilleton der FAZ nach. Entscheidend sei, dass der Staat seine "guten Gründe" für die Erhebung von Steuern im Gesetz "sichtbar" und damit nachvollziehbar macht: Dann wisse "jeder, was sich gehört". Dass es daran mangelt, habe zum Autoritätsverlust des Steuerrechts geführt.
Weitere Themen – Justiz
BGH zu Mietspiegel: Wie lto.de knapp informiert, hat der Bundesgerichtshof am Mittwoch die Bedingungen für Mieterhöhungen präzisiert. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Mieterhöhungen müsse der Mietspiegel der Stadt berücksichtigt werden; dies habe der Gutachter in Fällen vor dem Landgericht Münster versäumt und eine Mieterhöhung in Zechensiedlungen nur an der Preisspanne des Stadtteils bemessen. Der BGH habe, so die SZ (Wolfgang Janisch), den Mitspiegel gestärkt, die "wahre Messzahl fürs Soziale".
Beschwerde an UN wegen Mord im LG Dresden: Laut lto.de hat die Familie der im Jahr 2009 im Dresdener Landgericht getötete Ägypterin Marwa El-Sherbini nach erfolgloser Rechtswegerschöpfung und Verfassungsbeschwerde Beschwerde vor dem Anti-Rassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen eingelegt. Die Strafverfahren wegen unterlassender Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung gegen zwei Richter seien nicht ernsthaft geführt worden. So auch das Verfahren gegen einen Bundespolizisten der den Ehemann der getöteten irrtümlich ins Bein geschossen habe.
OLG Frankfurt zu Telekom-Anlegern: Wie die FAZ (Joachim Jahn) knapp meldet, hat das Oberlandesgericht Frankfurt in einem Musterentscheid geurteilt, dass die Telekom ihre Anleger auch beim zweiten Börsengang nicht betrogen habe. Damit scheiterten Schadenersatzklagen von insgesamt zehn Millionen Euro. Wie bereits in der Entscheidung zum dritten Börsengang habe das Gericht keine Täuschung in den Telekom-Börsenprospekten angenommen.
"Viele Anleger sterben, bevor sie Geld bekommen" – Mit Andreas Tilp, dem Anwalt des Musterklägers, spricht lto.de (Claudia Kornmeier). Der Anwalt hält das deutsche Prozessrecht nicht für geeignet, Sammelklagen von Anlegern in angemessener Zeit durchzuführen. Er ist davon überzeugt: das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz "muss weg".
Kirch-Anwälte gegen Deutsche Bank: Wie das Handelsblatt (Laura de la Motte) informiert, überziehen Anwälte der Kirch-Erben die Deutsche Bank erneut mit Anfechtungsklagen zu Hauptversammlungsbeschlüssen – diesmal zur außerordentlichen Sitzung im April sowie zur ordentlichen im Mai dieses Jahres. Die Kirch-Seite, die damit einen Nebenkriegsschauplatz zum eigentlichen Verfahren vor dem Oberlandesgericht München bediene, so das Handelsblatt, stütze die erneuten Klagen auf die Verletzung von Informationsrechten der Aktionäre und nicht erteiltem Rederecht für einen Kirch-Anwalt, dem "Papa" sein Stimmrecht übertragen habe.
Separat berichtet das Handelsblatt (Laura de la Motte), an diesem Freitag wolle das OLG München Gutachter bestellen, die den Schadenersatz für die Kirch-Erben im Streit um die Mitschuld der Deutschen Bank und insbesondere des Ex-Vorstands Rolf E. Breuer an der Kirch-Pleite bestimmen sollen. Gleichzeitig stehe noch eine Entscheidung aus zur Nichtzulassungsbeschwerde der Bank an den Bundesgerichtshof.
Verteiler-Mails in Bcc setzen: Mit einem Bußgeldbescheid des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht an eine Unternehmensmitarbeiterin, die bei Versendung einer E-Mail den Empfänger-Verteiler nicht in "Bcc" gesetzt hatte, befasst sich für lto.de der Rechtsanwalt und Datenschutzexperte Markus Schröder. Zu Recht werde eine E-Mailadresse mit Vor- und Nachnamen als ein personenbezogenes Datum eingestuft. Für eine Übermittlung an Dritte bedürfe es daher entweder einer Einwilligung oder einer gesetzlichen Erlaubnis.
Weitere Themen – Recht im Ausland
Juristen zu Morales' Zwischenlandung:Dürfte einem Staatsoberhaupt, wie dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales, durch einen anderen Staat das Überflugsrecht verweigert werden? Die Rechtsprofessoren Elmar Giemulla und Andreas Zimmermann halten dies für völkerrechtlich unproblematisch, berichtetspiegel.de (Claus Hecking). Laut Giemulla seien die Anforderungen bei Staatschefs sogar höher, da sie nicht dem Chicagoer Abkommen zur Regelung der Zivilluftfahrt unterfielen und eine Durchflug-Erlaubnis benötigten. Auch eine Landungserzwingung oder Durchsuchung des Flugzeugs am Boden sei unter Umständen möglich. Es sei, so Giemulla, ein "altes Märchen", dass ein Präsidentenflugzeug "ausgelagertes Territorium" darstelle.
Sonstiges
Facebook-Fanseiten: Im Unternehmens-Teil der FAZ befasst sich Corinna Budras mit den Unsicherheiten bei der Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von Unternehmens-Fanseiten bei Facebook. Edgar Wagner, Datenschutzbeauftragter von Rheinland-Pfalz, befürchtet einen Verstoß gegen das Telemediengesetz: Fanseiten sähen keine Widerspruchsmöglichkeit für die Internetnutzer vor, um gegen eine Nutzung ihrer Daten vorzugehen. Auch die Nutzung im Rahmen der öffentlichen Verwaltung sei problematisch. Medienrechtler Niko Härting sieht indes die Chance zur effektiven Verbrechensbekämpfung durch die Polizei.
Das letzte zum Schluss
Wertvolle Shakira: Wie spiegel.de meldet, stehen sich zur Zeit die Sängerin Shakira und ihr Ex-Freund Antonio de la Rúa, Sohn des ehemaligen argentinischen Staatspräsidenten, vor Gericht gegenüber. De la Rúa verlange eine Viertelmilliarde Dollar von der Sängerin, er habe die "Marke Shakira" mit aufgebaut. Shakira halte dagegen, er sei nur Berater gewesen – aus Mitleid engagiert – und sei dafür auch bezahlt worden.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 4. Juli 2013: "Zschäpe-Flüsterer" vom BKA – Haftungsprivilegien für Anwälte - BGH stärkt Mietspiegel . In: Legal Tribune Online, 04.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9074/ (abgerufen am: 20.07.2024 )
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