Der Bundestags-Untersuchungsausschuss zu den NSA-Spähpraktiken konstituiert sich am heutigen Donnerstag. Außerdem in der Presseschau: Mehr Rechte für die Opposition, Twittersperre in der Türkei verfassungswidrig, Ziercke und Edathy, Mollath, Streikrecht, und wieso man in Australien sein Geschlecht frei wählen kann.
Thema des Tages
Der NSA-Ausschuss beginnt: Anlässlich der Konstituierung des Untersuchungsausschuss zur Tätigkeit der US-amerikanischen National Security Agency (NSA) berichtet die SZ (Stefan Braun) über die Befürchtungen der deutschen Geheimdienste, als Ersatzthema politisch ausgeschlachtet zu werden. zeit.de (Lisa Caspari) und taz (Astrid Geisler) diskutieren die Frage, ob Edward Snowden als Zeuge gehört werden kann, wie es die Opposition gerne hätte.
Die FAZ (Alexander Haneke/Eckart Lohse) bringt ein Interview mit dem Ausschuss-Vorsitzenden Clemens Binninger (CDU), der sagt: "Es spricht leider wenig dafür, dass Amerika kooperiert." Die taz (Martin Kaul) spricht mit Friedrich Lindenberg, Vorstand der Open Knowledge Foundation, der wissen will, was die Bundesregierung über die Abhöraktionen wusste. netzpolitik.org (Anna Biselli) befürchtet, die strengen Geheimhaltungsauflagen hinsichtlich der grundlegenden Dokumente könnten die Arbeit des Ausschusses blockieren.
Rechtspolitik
Oppositionsrechte im Bundestag: Der Bundestag hat sich auf verbesserte Rechte für die Oppositionsparteien, darunter auch längere Redezeiten geeinigt. Es berichten FAZ (Günther Bannas) und taz (Ulrich Schulte).
Christian Rath (taz) meint, im internationalen Vergleich sei der deutsche Kompromiss zur Sicherung der Oppositionsrechte geradezu mustergültig. Robert Rossmann (SZ) begrüßt es, dass der Opposition damit die Ausrede von den fehlenden Rechten im Parlament genommen sei.
EU-Parlament zu Netzneutralität: Am heutigen Donnerstag stimmt das Europaparlament darüber ab, ob alle Internetnutzer Daten in der gleichen Geschwindigkeit transferieren und erhalten können, die sogenannte Netzneutralität. Kritik gibt es an der Möglichkeit für Provider, schnellere "Spezialdienste" für bestimmte Datenpakete gegen Aufpreis an bestimmte Kunden zu verkaufen. Es berichten taz (Lujas Meyer-Blankenburg) und zeit.de (Johannes Wendt).
EU-Trennbanken-Gesetz: Der Entwurf für eine EU-Verordnung zur Neustrukturierung der 30 größten europäischen Banken, den der Binnenmarktkommissar Michel Barnier vorgestellt hat, ist von den EU-Finanzministern reserviert aufgenommen worden. Vor allem Frankreich und Deutschland befürchteten, das Regelwerk gefährde das Geschäftsmodell der Universalbank, berichtet das Handelsblatt (Ruth Berschens).
Insolvenzrecht: Die Welt (Carsten Dierig) stellt eine Studie der Boston Consulting Group vor, derzufolge das vor zwei Jahren reformierte Insolvenzrecht nicht den erwünschten Erfolg gezeitigt habe. Lediglich 2,4 Prozent der in die Insolvenz gefallenen Unternehmen würden von ihren ursprünglichen Eigentümern weitergeführt. Die erhoffte Stärkung der Eigenverantwortlichkeit finde nicht statt.
Pilotenstreik: Auf die Suche nach tarifrechtlichen Alternativen zur Macht der kleinen Gewerkschaften begibt sich Die Zeit (Kolja Rudzio/Claas Tatje). Denkbar sei eine Rückkehr zur Tarifeinheit, auch die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen der Spartengewerkschaften müsse hinterfragt werden.
Justiz
Kein "Islamrabatt" bei Ehrenmorden: Der Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer bestreitet in Die Zeit die populistische Darstellung, für Straftäter mit Migrationshintergrund gebe es einen "Islamrabatt". Die dafür angeführte Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, komme zum gegenteiligen Ergebnis. Zu diesem Thema berichtet auch die SZ (Wolfgang Janisch).
zeit.de (Annelie Kaufmann) weist darauf hin, dass das Tötungsdelikt eines aus Afghanistan stammenden 23-jährigen Mannes an seiner schwangeren Freundin strafschärfend als "Mord" gewertet worden sei.
Ziercke und Edathy: Als "Kommissar Teflon" bezeichnet spiegel.de (Florian Gathmann/Veit Medick) den Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, nach dessen vierten Auftritt im Innenausschuss des deutschen Bundestages. Mittlerweile wurde bekannt, dass ein zweiter BKA-Ermittler Kunde bei dem Anbieter von Aktfotos von Kindern gewesen ist, auf dessen Kundenliste der Name Edathy gefunden wurde. Da Zierckes Auftritt parteiübergreifend als wenig befriedigend bewertet worden sei, werde es mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Untersuchungsausschuss zur Rolle des BKA im Fall Edathy geben.
Es berichten dazu auch zeit.de (Christian Tretbar), FAZ (Eckart Lohse), FR (Markus Decker) und Die Welt (Manuel Bewarder).
BGH – Pressegrossisten: Im Rechtsstreit mit dem Bauer Verlag hat der Verband der Pressegrossisten Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. Wie die FAZ (Jan Hauser) auf ihrer Medienseite berichtet, sei der BGH die letzte Möglichkeit, den Erhalt des verpflichtenden Grossistensystems zu erhalten, gegen das der Bauer Verlag vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erfolgreich vorgegangen sei. Da die Bundesregierung die "Vielfalt am Kiosk" erhalten wolle sei bei einem Scheitern der Grossisten der Gesetzgeber gefordert.
OLG Bamberg – Mollath: Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hat mit Beschluss vom 24. März den Feststellungsantrag von Gustl Mollath abgelehnt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung Mollaths seit dem 11. Mai 2011 nicht mehr vorgelegen hätten, berichtet internet-law.de (Thomas Stadler). Das OLG ignoriere damit erneut die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts, eventuell werde es zu einer weiteren Verfassungsbeschwerde kommen.
OLG München – NSU: Im NSU-Verfahren stand das Verhältnis von Beate Zschäpe zu "den beiden Uwes" Böhnhardt und Mundlos im Mittelpunkt des Verhandlungstages. Zschäpe sei gleichberechtigtes Mitglied in der Gruppe gewesen. Es berichten die SZ (Annette Ramelsberger) und spiegel.de (Gisela Friedrichsen).
zeit.de (Tom Sundermann) gibt einen Überblick zur aktuellen Berichterstattung.
LG Bayreuth – Peggy Knobloch: In der nächsten Woche beginnt das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Peggy Knobloch. Die SZ (Hans Holzhaider) berichtet über den Vorwurf zweier Journalisten, der Vorsitzende Richter beim Landgericht Bayreuth, Michael Eckstein, habe einen Gerichtspsychiater vor Prozessbeginn zu beeinflussen versucht. Zugleich habe ein Vertreter der Anklagebehörde von dem Verfahren abgezogen werden müssen, nachdem er bei einer Vernehmung einem Verdächtigen die Hinzuziehung eines Anwalts zur Vernehmung "in rechtlich angreifbarer Weise" verweigert habe.
LSG NRW zu Indonesien-Reise: Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat in einem noch nicht rechtskräftigern Beschluss nach Eilantrag entschieden, dass das Jobcenter einem Hartz-IV-Empfänger eine Reise nach Indonesien bezahlen muss, damit der Mann dort seinen zehnjährigen Sohn besuchen kann. Der Kontakt mit dem Vater sei für die Entwicklung des Kindes besonders wichtig. Es berichten lawblog.de (Udo Vetter) und spiegel.de.
Bundeskartellamt bestraft Brauereien: Das Bundeskartellamt hat wegen Preisabsprachen Strafgelder in Höhe von 231 Millionen Euro gegen sechs Brauereien und einen Branchenverband verhängt, berichtet welt.de (Carsten Dierig/Michael Gassmann).
Justizbesoldung: Reinhard Müller (FAZ) kommentiert die zunehmende Unzufriedenheit von Richtern und Staatsanwälten mit ihrer Besoldung und kritisiert insbesondere, dass die Schere zwischen West- und Ost-Bundesländern immer stärker auseinander klaffe.
Anwaltskanzleien verdienen: Die Zeit (Claas Tetje) berichtet in ihrem Wirtschaftsteil, wie Großkanzleien in Brüssel Geld verdienen, egal, ob gerade eine Krise oder ein Boom ins Haus steht.
Scharia-Gerichte: Die Rechtsanwältin Seyran Ateş spricht mit lto.de (Ulf Nadarzinski) über die Bedeutung sogenannter "Scharia-Gerichte". Diese Einigung vor einem islamischen Friedensrichter spiele auch im strafrechtlichen Bereich eine Rolle. Üblich sei in Deutschland beispielsweise die Zahlung einer Geldstrafe an den Geschädigten eines Diebstahls.
Recht in der Welt
Türkei – Twitterverbot illegal: Das türkische Verfassungsgericht hat die Sperrung des Kurznachrichtendienstes Twitter für illegal erklärt. Das von der Regierung verhängte Verbot verstoße gegen Bürgerrechte, berichtet spiegel.de (Florian Gathmann).
USA – Wahlkampfspenden: Der Oberste Gerichtshof der USA hat die Obergrenze für Wahlkampfspenden gekippt. Über diese Entscheidung berichtet verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) und meint, diese Entscheidung garantiere endgültig das Recht, sich mit barem Geld politischen Einfluss verschaffen zu dürfen.
USA – Deutsche Börse: Der Staatsanwalt des Southern District von New York hat ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Deutsche-Börse-Tochter Clearstream eingeleitet, berichtet die SZ (Markus Zydra). Bei dem Verfahren, das bis in das Jahr 1983 zurückeiche, werde geprüft, ob Clearstream gegen Handelsverbote den Iran betreffend verstoßen habe. Es berichten außerdem das Handelsblatt (Elisabeth Atzler) und welt.de.
Transferverbot für FC Barcelona: Die FIFA hat den FC Barcelona mit einem Verbot von Spielertransfers für die beiden nächsten Transferperioden belegt. Der spanische Club soll zwischen 2009 und 2013 zehn Spieler im Kindesalter verpflichtet haben. Es berichten SZ (Thomas Kistner), taz (Florian Haupt), das Handelsblatt (Joachim Hofer) und Die Welt (Florian Haupt/Lutz Wöckener). Barcelona will Berufung vor dem Internationalen Sportgerichtshof einlegen.
Johannes Kopp (taz), meint, das Urteil könne ein Ende des nur halbherzigen Kampfes gegen den Kinderhandel bedeuten und viele weitere Vereine, auch aus der Bundesliga, betreffen.
Juristische Ausbildung
Asylrecht im Asylantenheim: Die Hochschule Alice Salomon in Berlin-Hellersdorf hält seit Beginn des Wintersemesters Lehrveranstaltungen in der unter anderem von der NPD bedrohten Unterkunft für Asylbewerber ab. Studierende unterstützen die Asylbewerber in rechtlichen Fragen und würden bei der Suche nach Anwälten behilflich sein, berichtet Die Zeit (Silke Weber).
Niedersachsen – 2000 Jura-Examen werden überprüft: Wie spiegel.de (Lena Greiner/Michael Fröhlingsdorf) berichtet, wird die niedersächsische Justizverwaltung alle seit 2011 absolvierten Zweiten Staatesexamina überprüfen lassen. Es bestehe der Verdacht, dass ein Richter die Prüfungsinhalte an Examenskandidaten verkauft habe. Die Staatsanwaltschaft Verden ermittele gegen den 48-Jährigen wegen Korruption.
Sonstiges
100 Jahre Otto Bachof: Auf der Recht-Seite der FAZ würdigt der Richter am Bundesverfassungsgericht Ferdinand Kirchhof das Wirken des Juristen Otto Bachof, dem die Verwaltungsrechtswissenschaft die Durchdringung so wesentlicher Begriffe wie "Ermessen", "Klagebefugnis" und "Folgenbeseitungsanspruch" verdanke.
Anita Augspurg: zeit.de (Barbara Sichermann) erinnert an die Feministin Anita Augspurg, die erste promovierte Juristin des deutschen Kaiserreichs. Die erste Frauenbewegung in Deutschland wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs in ihren rechtspolitischen Forderungen über Jahre hinweg blockiert, erst die Niederlage brachte 1918 das Wahlrecht für Frauen in Deutschland.
Das Letzte zum Schluss
Australien – Geschlecht optional: Das Oberste Gericht Australiens in Canberra hat entschieden, dass die in Sydney lebende Person Norrie keine Geschlechtsbezeichnung tragen muss. Lediglich das Ehegesetz sehe eine eindeutige Geschlechtsbezeichnung vor. Eine dritte Geschlechtsbezeichnung wie "Intersex" werde es aber nicht geben, berichten die taz (Urs Wälterlin) und FAZ (Helene Bubrowski).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ro
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 3. April 2014: Der NSA-Ausschuss beginnt – Kein "Islamrabatt" bei Ehrenmorden – FIFA bestraft FC Barcelona . In: Legal Tribune Online, 03.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11540/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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