Putin ist im Großmachtmodus und schert sich im Krimkonflikt kaum um das Völkerrecht. Außerdem in der Presseschau: Interviews mit den Ministern Maas und de Maizière, BVerfG-Eilentscheidung zur Videovernehmung, BGH zu Werbung mit Vanilleblüten auf Tee-Verpackungen, Analysen des BVerwG-Urteils zum Streikrecht der Lehrer, der Start des Pistorius-Prozesses in Südafrika und warum Geoforensiker tote Schweine verbuddeln.
Thema des Tages
Die Krim und das Völkerrecht: Russische Truppen kontrollieren inzwischen zahlreiche strategische Punkte auf der Halbinsel Krim, die (noch) zur Ukraine gehört. Die Montags-taz (Christian Rath) hat mögliche völkerrechtliche Rechtfertigungsgründe geprüft, die aber alle nicht überzeugten. faz.net (Reinhard Müller) vergleicht die Krim-Intervention mit ähnlichen Aktionen der USA und kommt zum Schluss: "Zum Schutz ihrer vermeintlich vitalen Interessen legen Großmächte das Gewaltverbot traditionell großzügig aus."
Rechtspolitik
Heiko Maas im Interview: Justizminister Heiko Maas (SPD) will auch den "bargeldlosen Handel" mit Nacktbildern von Kindern, insbesondere in Tauschbörsen, unter Strafe stellen. Das kündigte er im Interview mit der WamS (Jochen Gaugele/Thorsten Jungholt) an. Außerdem geht es in dem Interview um das Koalitionsklima, Geheimnisverrat, den Jagdeifer von Staatsanwälten, die geplante Mietpreisbremse und Pläne zur Senkung von Dispozinsen.
Thomas de Maizière im Interview: Innenminister Thomas de Maizière (CDU) spricht im Interview der Woche mit dem Deutschlandfunk (Gudula Geuther) über den NSA-Skandal, die Kinderporno-Ermittlungen, Geheimnisverrat und die Neuregelung der Staatsbürgerschaft.
Mietpreisbremse: Der Spiegel (Melanie Amann/Sven Böll) prognostiziert, das die geplante Mietpreisbremse zu einer Klagewelle führe. Wenn auch Neumietverträge nur noch zehn Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete liegen dürfen, werde die Erstellung der örtlichen Mietspiegel künftig häufig juristisch in Frage gestellt werden.
Justiz
BVerfG zu Videovernehmung: Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Eilverfahren die Vernehmung eines mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers gestoppt, weil der Frau bei der Aussage im Angesicht des Angeklagten eine Retraumatisierung drohe, meldet lto.de. Der Antrag auf eine Videovernehmung müsse erneut geprüft werden. Dass die Videoanlage des Gerichts kaputt sei, dürfe dabei keine Rolle spielen, so sinngemäß das Bundesverfassungsgericht.
BGH - irreführende Werbung: Der Bundesgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof letzte Woche die Frage vorgelegt, so lto.de, ob auf der Verpackung eines Tees Himbeeren und Vanilleblüten mit dem Hinweis "nur natürliche Zutaten" dargestellt werden dürfen, wenn der Tee weder Himbeeren noch Vanilleblüten enthält (was sich aber nur aus der Zutatenliste ergibt).
LG Frankfurt/Oder zu Angriff auf Fluglehrer: Das Landgericht Frankfurt/Oder verurteilte einen 52-Jährigen, der während einer Flugstunde seinen Fluglehrer mit einem Stein angegriffen hat, wegen versuchten Mordes zu neun Jahren Haft, berichtet spiegel.de. Vermutlich wollte sich der Mann auf diesem Weg das Leben nehmen. Er selbst behauptete, der Fluglehrer habe ihn sexuell belästigt.
VG Minden zu Bekenntnisschulen: Ein muslimischer Erstklässer muss in Paderborn durch die halbe Stadt in die Schule fahren und darf nicht in die nahegelegene katholische Grundschule, wenn er dort nicht am katholischen Religionsunterricht teilnimmt. Über diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden berichtete die Samstags-taz (Christian Rath).
LG Mannheim zu Patentstreit mit Apple: Der Patentverwerter IPCom hat am Landgericht Mannheim erfolglos gegen Apple auf Zahlung von Lizenzgebühren geklagt. Die Samstags-SZ (Max Hägler) erläutert, dass IPCom Patente verwertet, die einst Bosch angemeldet hatte, als das Unternehmen noch im Mobilfunk aktiv war.
LG Ellwangen - Auschwitz: Das Landgericht Ellwangen hat die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den mutmaßlichen Auschwitzer KZ-Wachmann Hans Lipschis abgelehnt, berichtet spiegel.de. Dieser sei wegen Demenz verhandlungsunfähig.
BVerfG - keine Prozenthürde bei Europawahl: Der Focus (Daniel Goffart - Zusammenfassung) schildert Kritik der Politik (unter anderem Norbert Röttgen, Armin Laschet, beide CDU) am Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen Prozenthürden bei Europawahlen. Gunther Krichbaum (CDU), Vorsitzender des EU-Ausschusses im Bundestag, will nach der Europawahl darüber nachdenken, ob im Grundgesetz eine Fünf-Prozent-Hürde für alle bundesweiten Wahlen verankert werden soll, kündigt er im Interview mit dem Spiegel an.
Christian Rath (Samstags-taz) verteidigt das Karlsruher Urteil. Das Europaparlament werde darin nicht als minderwertig oder zweitklassig behandelt, sondern einfach nur als andersartig. Nico Fried (Montags-SZ) nimmt Karlsruhe zumindest teilweise in Schutz: Es sei nicht Aufgabe der Richter, den Weg von europaskeptischen und rechtsradikalen Parteien nach Brüssel zu versperren.
BVerwG - Streikrecht für Beamte: Rechtsprofessor Marten Breuer bespricht auf verfassungsblog.de das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum bisherigen Streikverbot für Lehrer, das der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspreche. Mit der direkten Aufforderung an den Gesetzgeber, diesen Konflikt zu beseitigen, habe das Leipziger Gericht das Bundesverfassungsgericht "ausgebootet".
Die Samstags-SZ (Detlef Esslinger) weist darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil auch erklärt habe, dass Tarifabschlüssen für die Angestellten "maßgebende Bedeutung für die Beamtenbesoldung" zukomme. Damit würden Beamte zur Klage gegen Nullrunden und ähnliches ermuntert. In einem separaten Kommentar überlegt Detlef Esslinger (Samstags-SZ), ob die Richter wohl deshalb ohne konkrete Klage derartige Entscheidungen trafen, weil sie als Richter auch selbst am Ergebnis interessiert seien.
LG München I zu Gema und Youtube: Thomas Stadler (internet-law.de) beschäftigt sich mit dem vorige Woche ergangenen Urteil des Landgerichts München I zum Streit zwischen Gema und Youtube. Danach ist es Youtube verboten, Tafeln einzublenden, auf denen behauptet wird, ein Video sei nicht verfügbar, weil es Musik enthält, zu deren Nutzung die Gema keine Rechte eingeräumt hat. Stadler hält die verbotene Behauptung aber nicht für unwahr, allenfalls für unvollständig, da sie nicht erläutere, dass Youtube nicht bereit sei, das von der Gema verlangte Entgelt zu zahlen. Das Urteil sei deshalb "teilweise unrichtig".
LG Hannover zu Wulff: Rechtsprofessor Michael Kubiciel blickt auf lto.de nach dem Freispruch des Landgerichts Hannover für Ex-Bundespräsident Christian Wulff auf das Verfahren zurück. Die Einleitung förmlicher Ermittlungen sei ebenso richtig gewesen wie die Anklageerhebung. Dagegen habe das Landgericht unklug gehandelt, als es weitere Beweisanträge der Staatsanwaltschaft ablehnte. Im Interview mit dem Spiegel (Peter Müller) sagt Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) dagegen, das Ermittlungsverfahren hätte nie eröffnet werden dürfen. In der Nachbetrachtung des Spiegel (Melanie Amann/Gisela Friedrichsen und andere) heißt es, Wulff habe zu lange darauf vertraut, dass sein Verhalten gegenüber reichen Gönnern strafrechtlich nicht relevant ist und unterschätzt, dass moralische Empörung auch zu einem Rechtsfall führen könne.
LG München I zu Athletenvereinbarung: blog-sportrecht.de (Johannes Arnhold) stellt ausführlich das "richtungsweisende" Urteil des Landgerichts München I im Fall Claudia Pechstein dar. Danach sind Athletenvereinbarungen zur ausschließlichen Nutzung der Sportgerichtsbarkeit nichtig, wenn der Athlet diese nicht freiwillig unterschreibe. Künftig hätten Athleten damit ein Wahlrecht zwischen Sport- und staatlichen Gerichten. Rechtsprofessor Jens Adolphsen kritisiert auf lto.de das Urteil. Das Landgericht komme zur Nichtigkeit der Athletenvereinbarung indem es Schweizer Recht anders auslege als das Schweizer Bundesgericht. Das Landgericht stütze sich dabei auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die seine Schlussfolgerungen aber auch nicht trügen. Im Ergebnis spricht sich Adolphsen für die Beibehaltung der Sportgerichtsbarkeit aus, die den Sportlern nur besser erklärt werden müsse.
LG München II - Hoeneß: Am 10. März beginnt am Landgericht München II der Strafprozess gegen Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung. Der Focus (Christoph Elflein und andere) schildert den Fall und das bisherige Verfahren ausführlich in seiner Titelgeschichte.
BGH - Vorbereitung staatsgefährdender Gewalttat: Am 27. März wird der Bundesgerichtshof erstmals die neue Strafnorm des Paragrafen 89a des Strafgesetzbuches (Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat) anwenden und auslegen. Das meldet strafrechtsblogger.de (Konstantin Stern).
LG Stade - Notwehr: Die FAS (Philip Eppelsheim) schildert ausführlich die unterschiedlichen Versionen eines Raubüberfalls auf einen Rentner, der am Ende einen der fliehenden Angreifer, einen 16-Jährigen, erschießt. Das Landgericht Stade müsse ab Ende April die Frage beantworten, ob hier Notwehr vorlag.
BVerfG - Pflege: spiegel.de (Susanne Böllert) schildert eine Verfassungsbeschwerde gegen die Situation in Pflegeheimen, die der Anwalt Alexander Frey bereits im Januar eingelegt hat. Er stütze sich auf die Aufsehen erregende Dissertation von Susanne Moritz, die dem Staat Schutzpflichten für den Zustand von Pflegeheimen zuweise, die von Jedermann, also nicht nur von Insassen eingeklagt werden könnten.
EuGH - EEG: Die Bundesregierung hat jetzt vorsorglich beim Europäischen Gerichtshof gegen das Beihilfeverfahren der EU-Kommission geklagt, mit dem derzeit das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz geprüft wird. An diesem Montag wäre die Frist ausgelaufen, berichtet die Samstags-SZ (Michael Bauchmüller). Gleichzeitig verhandeln Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und EU-Binnenmarktkommissar Joaquín Almunia weiter über eine Reform des Gesetzes.
Recht in der Welt
Südafrika - Pistorius: Ab diesem Montag beginnt in Pretoria der Prozess gegen den Behindertensportler Oscar Pistorius, der seine Freundin absichtlich oder unabsichtlich erschossen haben soll. Die Montags-FAZ (Claudia Brill) stellt die Richterin, den Verteidiger und den Staatsanwalt vor, die Montags-SZ (Tobias Zick) nur die Richterin: "Eine schwarze Frau entscheidet über das Schicksal eines weißen Mannes – vielen Beobachtern gilt die Besetzung als politisch aufgeladen".
Sonstiges
Kinderpornofall beim BKA: Hans Leyendecker (Montags-SZ) fordert den Rücktritt von BKA-Chef Jörg Ziercke, weil er dem Bundestag den Kinderporno-Fall eines hohen BKA-Beamten verschwiegen habe. Dagegen hält Christian Rath (Montags-taz) einen Rücktritt für unnötig, Ziercke habe "weder den BKA-Mann geschützt noch den Bundestag belogen noch das Verfahren gegen Edathy verzögert."
Steuerhinterziehung: Im Interview mit der FAS (Dyrk Scherff) breitet der Anwalt Karsten Randt seine Soziologie der Steuerhinterziehung und der Selbstanzeige aus.
Das Letzte zum Schluss
Verscharrte Leichen: Der Spiegel (Laura Höflinger) stellt den Beruf des Geoforensikers vor, der dabei helfe, verscharrte Leichen, illegale Mülledeponien und versenkte Tatwaffen zu finden. Die Meßmethoden seien allerdings noch nicht ausgereift. Um das Verwesungsverhalten menschlicher Leichen zu studieren, hat ein Wissenschaftler an verschiedenen Orten Schweine vergraben, die ähnlich verwesen wie Menschen. Kleiner Unterschied: Schweine verwesen etwas schneller als Menschen, weil sie sich gesünder ernähren.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. - 3. März 2014: Die Krim und das Völkerrecht – BGH zu irreführenden Vanilleblüten – BVerwG bootete BVerfG beim Streikrecht aus . In: Legal Tribune Online, 03.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11209/ (abgerufen am: 21.07.2024 )
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