Die juristische Presseschau vom 1. - 3. März 2014: Die Krim und das Völkerrecht – BGH zu irreführenden Vanilleblüten – BVerwG bootete BVerfG beim Streikrecht aus

03.03.2014

Justiz

BVerfG zu Videovernehmung: Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Eilverfahren die Vernehmung eines mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers gestoppt, weil der Frau bei der Aussage im Angesicht des Angeklagten eine Retraumatisierung drohe, meldet lto.de. Der Antrag auf eine Videovernehmung müsse erneut geprüft werden. Dass die Videoanlage des Gerichts kaputt sei, dürfe dabei keine Rolle spielen, so sinngemäß das Bundesverfassungsgericht.

BGH - irreführende Werbung: Der Bundesgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof letzte Woche die Frage vorgelegt, so lto.de, ob auf der Verpackung eines Tees Himbeeren und Vanilleblüten mit dem Hinweis "nur natürliche Zutaten" dargestellt werden dürfen, wenn der Tee weder Himbeeren noch Vanilleblüten enthält (was sich aber nur aus der Zutatenliste ergibt).

LG Frankfurt/Oder zu Angriff auf Fluglehrer: Das Landgericht Frankfurt/Oder verurteilte einen 52-Jährigen, der während einer Flugstunde seinen Fluglehrer mit einem Stein angegriffen hat, wegen versuchten Mordes zu neun Jahren Haft, berichtet spiegel.de. Vermutlich wollte sich der Mann auf diesem Weg das Leben nehmen. Er selbst behauptete, der Fluglehrer habe ihn sexuell belästigt.

VG Minden zu Bekenntnisschulen: Ein muslimischer Erstklässer muss in Paderborn durch die halbe Stadt in die Schule fahren und darf nicht in die nahegelegene katholische Grundschule, wenn er dort nicht am katholischen Religionsunterricht teilnimmt. Über diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden berichtete die Samstags-taz (Christian Rath).

LG Mannheim zu Patentstreit mit Apple: Der Patentverwerter IPCom hat am Landgericht Mannheim erfolglos gegen Apple auf Zahlung von Lizenzgebühren geklagt. Die Samstags-SZ (Max Hägler) erläutert, dass IPCom Patente verwertet, die einst Bosch angemeldet hatte, als das Unternehmen noch im Mobilfunk aktiv war.

LG Ellwangen - Auschwitz: Das Landgericht Ellwangen hat die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den mutmaßlichen Auschwitzer KZ-Wachmann Hans Lipschis abgelehnt, berichtet spiegel.de. Dieser sei wegen Demenz verhandlungsunfähig.

BVerfG - keine Prozenthürde bei Europawahl: Der Focus (Daniel Goffart - Zusammenfassung) schildert Kritik der Politik (unter anderem Norbert Röttgen, Armin Laschet, beide CDU) am Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen Prozenthürden bei Europawahlen. Gunther Krichbaum (CDU), Vorsitzender des EU-Ausschusses im Bundestag, will nach der Europawahl darüber nachdenken, ob im Grundgesetz eine Fünf-Prozent-Hürde für alle bundesweiten Wahlen verankert werden soll, kündigt er im Interview mit dem Spiegel an.

Christian Rath (Samstags-taz) verteidigt das Karlsruher Urteil. Das Europaparlament werde darin nicht als minderwertig oder zweitklassig behandelt, sondern einfach nur als andersartig. Nico Fried (Montags-SZ) nimmt Karlsruhe zumindest teilweise in Schutz: Es sei nicht Aufgabe der Richter, den Weg von europaskeptischen und rechtsradikalen Parteien nach Brüssel zu versperren.

BVerwG - Streikrecht für Beamte: Rechtsprofessor Marten Breuer bespricht auf verfassungsblog.de das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum bisherigen Streikverbot für Lehrer, das der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspreche. Mit der direkten Aufforderung an den Gesetzgeber, diesen Konflikt zu beseitigen, habe das Leipziger Gericht das Bundesverfassungsgericht "ausgebootet".

Die Samstags-SZ (Detlef Esslinger) weist darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil auch erklärt habe, dass Tarifabschlüssen für die Angestellten "maßgebende Bedeutung für die Beamtenbesoldung" zukomme. Damit würden Beamte zur Klage gegen Nullrunden und ähnliches ermuntert. In einem separaten Kommentar überlegt Detlef Esslinger (Samstags-SZ), ob die Richter wohl deshalb ohne konkrete Klage derartige Entscheidungen trafen, weil sie als Richter auch selbst am Ergebnis interessiert seien.

LG München I zu Gema und Youtube: Thomas Stadler (internet-law.de) beschäftigt sich mit dem vorige Woche ergangenen Urteil des Landgerichts München I zum Streit zwischen Gema und Youtube. Danach ist es Youtube verboten, Tafeln einzublenden, auf denen behauptet wird, ein Video sei nicht verfügbar, weil es Musik enthält, zu deren Nutzung die Gema keine Rechte eingeräumt hat. Stadler hält die verbotene Behauptung aber nicht für unwahr, allenfalls für unvollständig, da sie nicht erläutere, dass Youtube nicht bereit sei, das von der Gema verlangte Entgelt zu zahlen. Das Urteil sei deshalb "teilweise unrichtig".

LG Hannover zu Wulff: Rechtsprofessor Michael Kubiciel blickt auf lto.de nach dem Freispruch des Landgerichts Hannover für Ex-Bundespräsident Christian Wulff auf das Verfahren zurück. Die Einleitung förmlicher Ermittlungen sei ebenso richtig gewesen wie die Anklageerhebung. Dagegen habe das Landgericht unklug gehandelt, als es weitere Beweisanträge der Staatsanwaltschaft ablehnte. Im Interview mit dem Spiegel (Peter Müller) sagt Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) dagegen, das Ermittlungsverfahren hätte nie eröffnet werden dürfen. In der Nachbetrachtung des Spiegel (Melanie Amann/Gisela Friedrichsen und andere) heißt es, Wulff habe zu lange darauf vertraut, dass sein Verhalten gegenüber reichen Gönnern strafrechtlich nicht relevant ist und unterschätzt, dass moralische Empörung auch zu einem Rechtsfall führen könne.

LG München I zu Athletenvereinbarung: blog-sportrecht.de (Johannes Arnhold) stellt ausführlich das "richtungsweisende" Urteil des Landgerichts München I im Fall Claudia Pechstein dar. Danach sind Athletenvereinbarungen zur ausschließlichen Nutzung der Sportgerichtsbarkeit nichtig, wenn der Athlet diese nicht freiwillig unterschreibe. Künftig hätten Athleten damit ein Wahlrecht zwischen Sport- und staatlichen Gerichten. Rechtsprofessor Jens Adolphsen kritisiert auf lto.de das Urteil. Das Landgericht komme zur Nichtigkeit der Athletenvereinbarung indem es Schweizer Recht anders auslege als das Schweizer Bundesgericht. Das Landgericht stütze sich dabei auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die seine Schlussfolgerungen aber auch nicht trügen. Im Ergebnis spricht sich Adolphsen für die Beibehaltung der Sportgerichtsbarkeit aus, die den Sportlern nur besser erklärt werden müsse.

LG München II - Hoeneß: Am 10. März beginnt am Landgericht München II der Strafprozess gegen Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung. Der Focus (Christoph Elflein und andere) schildert den Fall und das bisherige Verfahren ausführlich in seiner Titelgeschichte.

BGH - Vorbereitung staatsgefährdender Gewalttat: Am 27. März wird der Bundesgerichtshof erstmals die neue Strafnorm des Paragrafen 89a des Strafgesetzbuches (Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat) anwenden und auslegen. Das meldet strafrechtsblogger.de (Konstantin Stern).

LG Stade - Notwehr: Die FAS (Philip Eppelsheim) schildert ausführlich die unterschiedlichen Versionen eines Raubüberfalls auf einen Rentner, der am Ende einen der fliehenden Angreifer, einen 16-Jährigen, erschießt. Das Landgericht Stade müsse ab Ende April die Frage beantworten, ob hier Notwehr vorlag.

BVerfG - Pflege: spiegel.de (Susanne Böllert) schildert eine Verfassungsbeschwerde gegen die Situation in Pflegeheimen, die der Anwalt Alexander Frey bereits im Januar eingelegt hat. Er stütze sich auf die Aufsehen erregende Dissertation von Susanne Moritz, die dem Staat Schutzpflichten für den Zustand von Pflegeheimen zuweise, die von Jedermann, also nicht nur von Insassen eingeklagt werden könnten.

EuGH - EEG: Die Bundesregierung hat jetzt vorsorglich beim Europäischen Gerichtshof gegen das Beihilfeverfahren der EU-Kommission geklagt, mit dem derzeit das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz geprüft wird. An diesem Montag wäre die Frist ausgelaufen, berichtet die Samstags-SZ (Michael Bauchmüller). Gleichzeitig verhandeln Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und EU-Binnenmarktkommissar Joaquín Almunia weiter über eine Reform des Gesetzes.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. - 3. März 2014: Die Krim und das Völkerrecht – BGH zu irreführenden Vanilleblüten – BVerwG bootete BVerfG beim Streikrecht aus . In: Legal Tribune Online, 03.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11209/ (abgerufen am: 21.07.2024 )

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