Die juristische Presseschau vom 3. Februar 2015: Geld für fehlenden Kita-Platz – Deals für Teldafax-Pleitiers? – Aus für Abschiebehaft

03.02.2015

Der Rechtsanspruch auf einen Kinder-Betreuungsplatz macht sich erstmals für betroffene Eltern bezahlt. Außerdem in der Presseschau: Vorratsdatenspeicherung und Facebook, Argumentation pro Schiedsgerichtsbarkeit, mögliche Deals im Teldafax-Verfahren, vorläufiges Aus für Abschiebehaft, IGH zu Völkermord und vom richtigen Glück zur falschen Zeit.

Thema des Tages

LG Leipzig zu Kita-Anspruch: Seit August 2013 besteht bundesweit ein Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren. Weil die Stadt Leipzig diesen gegenüber drei klagenden Elternpaaren nicht erfüllte, hat das Landgericht Leipzig nun den Müttern eine Entschädigung für Verdienstausfall von insgesamt 15.100 Euro zugesprochen. Die beklagte Kommune habe ihre Amtspflicht verletzt, so die SZ (Ulrike Heidenreich) in ihrer Urteilsdarstellung. Denn gegenüber den von ihr geltend gemachten Verzögerungen bei öffentlichen und privaten Trägern von Kindertagesstätten hätte ausreichende Vorsorge getroffen werden müssen. Die Verurteilung zum Schadensersatz sei die bundesweit erste dieses Inhalts. Dagegen habe sich die nach der Einführung der Regelung befürchtete Klagewelle bislang nicht bewahrheitet. In geführten Verfahren hätten sich Parteien bislang üblicherweise auf alternative Streitbeilegungen, etwa die Erstattung von Differenzbeträgen für private Träger geeinigt.

Heribert Prantl (SZ) begrüßt das Urteil. Ansprüche gegen den Staat seien von diesem genauso wie von privaten Schuldnern zu erfüllen. Problematisch sei indes, dass die Bundesregelung als "Gesetz zulasten Dritter" Kommunen verpflichte, ohne ihnen einen angemessen Ausgleich zu gewähren. Demnach stünde den Kommunen ein eigener Schadensersatzanspruch gegen den Bund zu. Nach der Föderalismusreform von 2006 seien dem Bund bei der Finanzierung der Städte die Hände gefesselt. In diesem Punkt müsse sich der Bund "entfesseln, das Grundgesetz rückgeändert werden."

Rechtspolitik

Vorratsdatenspeicherung: Im Leitartikel kritisiert Reinhard Müller (FAZ) die ablehnende Haltung der Bundesbeauftragten für Datenschutz zur Vorratsdatenspeicherung. Weder Europäischer Gerichtshof noch Bundesverfassungsgericht hätten dieses bei der Bekämpfung von Schwerstkriminalität "notwendige" Instrument im Grundsatz abgelehnt. Das von Kritikern immer wieder bemühte "Orwellsche Albtraumbild" habe mit einer an strenge Voraussetzungen geknüpften Datenspeicherung nichts zu tun. Die "größte anlasslose Datenspeicherung aller Zeiten" finde stattdessen in den neuen Geschäftsbedingungen von Facebook Ausdruck. "Gegen diese Überwachung ist die Vorratsdatenspeicherung ein Witz."

Reform des Vergewaltigungsparagrafen: In einem Gastbeitrag für die SZ spricht sich Monika Frommel, Leiterin des Instituts für Sanktionsrecht und Kriminologie an der Universität Kiel, dagegen aus, jede sexuelle Handlung gegen den Willen einer Person als Vergewaltigung zu bestrafen. Wer derartiges fordere, bevorzuge Symbolik gegenüber einer "sinnvollen Lösung des Problems." Auch nach dem geltenden Recht könnten sexuelle Übergriffe ohne brachiale Gewalt als besonders schwere Nötigung bestraft werden. Dass dies nicht in ausreichendem Maße geschehe, belege keine Schutzlücke des Rechts, vielmehr eine solche der Rechtsprechung.

Schiedsgerichtsbarkeit: In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt plädiert Rechtsanwalt Jörg Risse dafür, die im Zuge der Debatte über Freihandelsabkommen als "Schattenjustiz in Nobelhotels" geschmähte Schiedsgerichtsbarkeit sachlicher zu diskutieren. Diese biete gerade bei grenzüberschreitenden Vertragsverhältnissen "eine bewährte und gebotene Alternative zu staatlichen Gerichten", Recht und Gesetz würde für sie gleichermaßen beachtlich sein. Auch sei es "ein Denkfehler, von der überragenden Qualität deutscher Gerichte auf die allgemeine Qualität staatlicher Gerichte innerhalb und außerhalb der EU zu schließen."

Drogenbeauftragte: Im Gespräch mit der Welt (Claudia Kade) kündigt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), einen Gesetzentwurf an, nach dem schwerkranken Schmerzpatienten der Zugang zu Cannabis-Produkten erleichtert werden soll. Daneben spricht sie über ihren Wunsch nach einer bundesweit einheitlichen Grenzmenge des straflosen Eigenbesitzes von Cannabis , Werbeverbote im Internet und einen Regelungsbedarf bei der E-Zigarette.

§ 201a StGB n.F.: Nach Thomas Stadler (internet-law.de) schießt die Neufassung des § 201a Strafgesetzbuch, der die Strafbarkeit der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen verschärft, "deutlich über das Ziel hinaus." So sei Abs. 3 der Neufassung "in der Tat eine Art Lex Edathy" so weit formuliert, dass wohl auch das berühmte Nirvana-Cover des Albums "Nevermind" betroffen sei und eine Strafbarkeit wohl nur nach dem in Abs. 4 vorgesehenen Kunstprivileg entfalle.

Einen Überblick zu den Neuregelungen gibt spiegel.de.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. Februar 2015: Geld für fehlenden Kita-Platz – Deals für Teldafax-Pleitiers? – Aus für Abschiebehaft . In: Legal Tribune Online, 03.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14556/ (abgerufen am: 02.07.2024 )

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