Die juristische Presseschau vom 2. Juli 2014: Burka ist unkommunikativ – Der Ökostrom der Anderen – Präsidialer Polizeigewahrsam

02.07.2014

Der EGMR bestätigt das französische Burkaverbot. Außerdem in der Presseschau: EEG nachbesserungsbedürftig, exklusiv nationale Ökostromförderung unionsrechtskonform, NRW-Beamtenbesoldung verfassungswidrig, anonym bleibt anonym, ein Staatspräsident in Gewahrsam und warum sich die Kölner Polizei für ein Bußgeld entschuldigt.

Thema des Tages

EGMR bestätigt Burkaverbot: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass das mit 150 Euro Bußgeld bewehrte Burkaverbot Frankreichs nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Die Klägerin berief sich unter anderem auf die Religionsfreiheit, die Meinungsfreiheit und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, berichten die taz (Christian Rath), zeit.de und spiegel.de. Das Gericht folgte nicht gänzlich der Argumentation des französischen Gesetzgebers. Der Behauptung etwa, der Vollschleier stelle ein Sicherheitsrisiko dar, folgten die Richter nicht, er könne abgenommen werden. Ausreichend um das Verbot vor der Menschenrechtskonvention bestehen zu lassen, sei aber, dass Burka und Niqab eine Barriere zur Umwelt errichteten, die das Gefühl des Zusammenleben in der Gesellschaft untergrabe.

Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) zeigt, welche Verbotsgründe das Gericht verneint und kritisiert die "konstruierte" Argumentation der Richtermehrheit, die von einem Recht auf einen "das Zusammenleben erleichternden Raum der Begegnung" ausgeht. Auch Heribert Prantl (SZ) kritisiert die Entscheidung, indem er zwar den Schleier eine "verstörende Angelegenheit" nennt. Noch verstörender sei aber "die gewaltsame Entschleierung", die in Selbstbestimmungsrechte eingreife, ohne ein anderen Recht entgegensetzen zu können. Ein Recht, das Gesicht anderer sehen zu dürfen bestehe nicht, wohl aber das Recht, Außenseiter zu sein und als solcher geschützt zu werden. Jasper von Altenbockum (FAZ) bemerkt, dass "Öffentlichkeit nicht einfach nur ein angenehmes Beiwerk der bürgerlichen Gesellschaft" sei - sich ihr zu entziehen gebe sie ihrem Verfall preis. Das Verbot sei auch nicht rassistisch, islamophob oder diskriminierend, sondern "eine starke Öffentlichkeit verhindert solchen politischen Fundamentalismus gerade – solange sie sich gegen eine Burka-Mentalität wehrt". Helene Bubrowski (FAZ) verweist auf die Tendenz der höchsten Gerichte den Gesetzgeber zu stark einzuschränken, dem sich das Urteil nun entgegenstelle, indem es nationalen Eigenheiten wie der französischen Laizität mehr Raum gebe, was sich auch in früheren Entscheidungen des Gerichts bereits gezeigt habe. Die Juristin und Grünen-Politikerin Kirsten Wiese kritisiert auf lto.de, dass das Gericht seiner eigenen Rechtsprechung nicht treu geblieben sei, wonach es zuvor an Verbote religiöser Kleidung in der Öffentlichkeit höhere Anforderungen gestellt habe. Außerdem sei zu bedauern, dass der Gerichtshof den hinter dem Verbot stehenden islamfeindlichen Motiven nicht begegnet sei.

Rechtspolitik

Panne bei EEG: Das gerade beschlossene Erneuerbare-Energien-Gesetz muss nachgebessert werden, da es durch einen Fehler zu Förderkürzungen für bestehende Biogasanlagen gekommen sei. Die Änderungen sollen bereits in dieser Woche als Anhang zu einem anderen Gesetz erledigt werden. Allerdings sei der Patzer kein Einzelfall, wie die Frankfurter Rundschau (Holger Schmale/Daniela Vates) unter Verweis auf Diätenregelung und Rentenreform anmerkt.

Tarifeinheit: Wie die SZ (Detlef Esslinger) berichtet, sind die Regelungen zur Tarifeinheit vorerst vom Tisch. Die Arbeiten an dem Gesetz zur Vereinheitlichung der Tarifverhandlungen in einem Betrieb stieß auf Kritik, da nach dem letzten Vorschlag bei Überschneidung von Tarifverträgen nur derjenige der größeren Gewerkschaft Gültigkeit haben sollte. Dies stehe mit Artikel 9 des Grundgesetzes in Konflikt, da es die Verhandlungsmacht kleiner Gewerkschaften negiere und ihnen damit das nehme, was sie zu Gewerkschaften mache. Als weiterer Vorschlag stehen Absprachen über den Verhandlungsumfang der einzelnen Gewerkschaften zwischen ihnen im Raum. Dagegen wird jedoch vorgebracht, freiwillige Absprachen könnten auch ebenso freiwillig wieder aufgegeben werden.

Unzureichender Anlegerschutz: Wie der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Jens-Peter Gieschen gegenüber lto.de (Constantin van Lijnden) im Interview äußert, sind die derzeitigen Regelungen zum Anlegerschutz durch die Verpflichtung zur Anfertigung von Protokollen über Beratungsgespräche in späteren Zivilprozessen nutzlos. Gieschen sieht die Lösung durch Tonaufzeichnungen der Beratung zwar datenschutzrechtlich nicht als problematisch an, erwartet jedoch keine großen Sprünge von zukünftiger Gesetzgebung.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 2. Juli 2014: Burka ist unkommunikativ – Der Ökostrom der Anderen – Präsidialer Polizeigewahrsam . In: Legal Tribune Online, 02.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12419/ (abgerufen am: 02.07.2024 )

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