Der Skandal um die Abhöraktivitäten des NSA erreicht höhere europäische Ebenen. Außerdem in der heutigen Presseschau: Endspurt im Bundestag, Staatsziel Ehrenamt, neue Regeln für die Fahrradbeleuchtung, Ärger für die Deutsche Bank, Rechtsfrieden beim BGH, die Bundesanwaltschaft zu einem Drohnentod und verpflichtende Besuche bei den Großeltern.
Datenüberwachung: Jeden Tag eine neue Enthüllung zum Datenüberwachungsprogramm des US-Geheimdienstes National Security Agency. Wie nun bekanntgeworden ist, erstreckten sich die Abhöraktivitäten auch auf Einrichtungen der EU in den USA und Brüssel.
Die taz (Svenja Bergt/Christian Rath) liefert einen Überblick der Vorwürfe und stellt fest, dass die Festnahme der sogenannten Sauerland-Gruppe durch einen Hinweis des NSA ermöglicht worden sei. Auch Torsten Riecke (Handelsblatt) weist in seinem Kommentar darauf hin, dass deutsche Geheimdienste von Erkenntnissen ihrer amerikanischen Kollegen profitieren würden. "Was der BND über die Bundesbürger legal nicht herausbekommt, kann er im Zweifel bei den Amerikanern abfragen."
Die FAZ (Matthias Rüb) stellt den Direktor der NSA, Keith B. Alexander, der versichere, dass die vielfältigen Aktivitäten des von ihm geleiteten Dienstes der nationalen Sicherheit dienten und sich im Rahmen geltender Gesetze bewegten, vor. Peter Schaar (Handelsblatt), der Bundesbeauftragte für Datenschutz, setzt in einem Gastkommentar seine Hoffnungen auf die derzeit in Brüssel verhandelte Datenschutzgrundverordnung. Durch sie könnten außereuropäische Unternehmen zur Einhaltung europäischer Datenschutzstandards gezwungen werden. In einem längeren Gastbeitrag ruft der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel (FAZ) im Feuilleton der Zeitung dazu auf, sich gegen "Datenkapitalismus" zu wehren. Im Verbund mit großen Internetfirmen erschlössen sich Geheimdiensten Möglichkeiten der Ausforschung, die Orwells Big Brother "geradezu archaisch" erscheinen ließen. Nötig sei eine Verfassung im Umgang mit unseren Daten, "soweit das Netz reicht."
Generalbundesanwalt: In seinen Namen des Tages stellt das Handelsblatt (Heike Anger) den Generalbundesanwalt Harald Range vor. Dessen Behörde sei zur Zeit mit der Prüfung von "Tatsachengrundlagen" zu den Überwachungsaktivitäten US-amerikanischer Geheimdienste beschäftigt.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Sitzungsmarathon: In der vergangenen Woche trafen sich die Abgeordneten des Bundestages zur letzten regulären Sitzung in dieser Legislaturperiode. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Bundestags Thomas Robl und Marek Schadrowski stellen auf lto.de die wichtigsten der hierbei verabschiedeten Gesetze vor. Neu sind Regelungen zur Bekämpfung des Menschenhandels und zur Überwachung von Prostitutionsstätten, gegen unseriöse Geschäftspraktiken und zur Reform des Urheberrechts.
Aktienrechtsnovelle: Nach dem Beitrag von Ulrick Noack (handelsblatt-rechtsboard) gehörte zu den verabschiedeten Gesetzen auch die Aktienrechtsnovelle, in deren Mittelpunkt die Begrenzung der Vorstandsvergütung steht. Es sei fraglich, ob die Änderung den Bundesrat passiere.
Staatsziel Ehrenamt: In der hessischen Landesverfassung soll die "Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes für das Gemeinwohl" als Staatsziel festgeschrieben werden. Über diesen Vorschlag des Ministerpräsidenten des Landes, Volker Bouffier (CDU), berichtet die FAZ (Thomas Holl). Die für die Verfassungsänderung notwendige Volksabstimmung könne zeitgleich mit der Europawahl im kommenden Jahr erfolgen.
Fahrradbeleuchtung: Voraussichtlich am kommenden Freitag stimmt der Bundesrat über eine Novellierung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ab. Wie die FAZ (Julian Staib) schreibt, steht im Zentrum der Neuregelung eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Beleuchtung von Fahrrädern an den "Stand der Technik." Ein Dynamo sei nunmehr keine Pflicht, akkubetriebene Leuchten ausdrücklich zugelassen. Trotzdem würden auch zukünftig "viele in legalen Grauzonen strampeln." Denn batteriebetriebene Leuchten sehe die Novelle nicht vor.
Kollektive Rechtsschutzverfahren: Den Vorschlag der EU-Kommission, in bestimmten zivilrechtlichen Konstellationen kollektive Rechtsschutzverfahren einzuführen, kommentiert Rechtsanwalt Jobst Hubertus Bauer (Handelsblatt) in einem Gastbeitrag. Wegen der hohen Missbrauchsgefahr drohten "Unternehmen und unsere Rechtskultur" durch die Einführung von Sammelklagen Schaden zu nehmen. Ohne Not solle man sich nicht von einem Grundprinzip unseres Zivilrechts verabschieden.
Datenlecks: Eine neue Verordnung der EU bestimmt die für Telekommunikationsunternehmen verbindliche Verpflichtung, Datenverluste und Pannen im Umgang mit Daten innerhalb von 24 Stunden sowohl Behörden als auch Betroffenen zu melden. Obwohl keine Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung vorgesehen sind, begrüßen die Anwälte Daniel Nagel und Thomas Weimann auf lto.de die Regelung. Seriöse Betreiber würden schon aus Gründen der Imagepflege auf Einhaltung bedacht sein. Der von der Europäischen Kommission gewährte Vertrauensvorschuss währe zudem nur drei Jahre. Danach würde die Kommission die Effektivität der Verordnung überprüfen und gegebenenfalls nachbessern.
Weitere Themen - Justiz
Verbotene Absprachen: Die SZ (Andrea Rexer) schreibt, dass EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia mehrere Großbanken, unter ihnen die Deutsche Bank, zu einer Stellungnahme wegen des Verdachts verbotener Absprachen aufgefordert hat. Nach zweijähriger Ermittlungsarbeit bestünde die Vermutung, dass die betroffenen Banken im Zeitraum 2006 bis 2009 den Zugang anderer Akteure zum Markt für komplex strukturierte Kreditversicherungen wettbewerbswidrig vehindert hätten. Im Raum stünden mögliche Strafen in Millionenhöhe.
BGH-Vorsitz: lto.de meldet, dass Thomas Fischer zum Vorsitzenden Richter des 2. Strafsenates des Bundesgerichtshofes ernannt wurde. Der langjährige Streit um Stellenbesetzungen beim BGH finde damit sein Ende.
BGH – NPS: Der Bundesgerichtshof hat nach einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom Mai die Frage der strafrechtlichen Einordnung sogenannter Neuer Psychoaktiver Substanzen (NPS), auch Legal Highs genannt, dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Wie Staatsanwalt Jörn Patzak (blog.beck.de) schreibt, ist die Rechtsfrage, ob derartige Substanzen dem Arzneimittelgesetz unterfallen oder – wegen der fehlenden therapeutischen Wirkung – nicht, seit Jahren umstritten.
BAG zu Leiharbeit: Das Handelsblatt (Catrin Gesellensetter) berichtet über einen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, nach dem bei der für die Größe des Betriebsrates maßgeblichen Zahl der Arbeitnehmer eines Betriebes die in Leiharbeitsverhältnissen Beschäftigten grundsätzlich mit zu berücksichtigen sind. Der Beschluss ändere die bisherige ständige Rechtsprechung, im Verbund mit anderen Entscheidungen des Erfurter Gerichtes trage er dazu bei, die "Attraktivität des Modells" Leiharbeit einzuschränken.
Bundesanwaltschaft zu gerechtfertigter Tötung: Nach Bericht der taz (Christian Rath) hat die Bundesanwaltschaft ihre Ermittlungen wegen des Todes eines türkischstämmigen Wuppertalers eingestellt. Der Mann war im Oktober 2010 im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet von einer mutmaßlich US-amerikanischen Drohne getötet worden. Nach Mitteilung der BAW sei die Tötung gerechtfertigt, weil das Opfer als Kombattant an "feindseligen Handlungen" teilnehmen wollte und daher ein legitimes militärisches Ziel darstellte. Auch die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet.
LG Berlin – Jonny K.: Dem vor dem Landgericht Berlin laufenden Verfahren wegen des Todes von Jonny K. im letzten Oktober widmet die taz (Plutonia Plarre) eine ausführliche Reportage, in der Opfer, Angeklagte und Zeugen vorgestellt werden.
LG Halle – gefährliche Körperverletzung: Über das Verfahren um den gewalttätigen Überfall auf eine syrisch-stämmige Familie in Eisleben, das vor dem Landgericht Halle verhandelt wird, berichtet die SZ (Annette Ramelsberger) im Rahmen einer Seite 3-Reportage.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Senegal – Diktator festgenommen: Im Senegal ist der ehemalige Diktator des Tschad, Hisséne Habré, festgenommen worden. Habré werden zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Wie die FAZ (Thomas Scheen) schreibt, habe sich Belgien wegen der Nicht-Vollstreckung eines 2005 erlassenen Haftbefehls gegen Habré an den Internationalen Strafgerichtshof gewandt, der Senegal im letzten Jahr dazu verurteilte, den früheren Diktator entweder anzuklagen oder auszuliefern. Hierauf sei ein Gesetz verabschiedet worden, dass die Schaffung eines Sondertribunals der Afrikanischen Union im Land erlaubt.
Russland – Homosexualität: Nach der Unterzeichnung durch Präsident Putin ist in Russland nunmehr ein Gesetz in Kraft, dass "homosexuelle Propaganda" in Anwesenheit von Minderjährigen unter Strafe stellt. Anlässlich eines Protests gegen das Gesetz am Wochenende in St. Petersburg kam es zu zahlreichen Festnahmen, schreibt die SZ (Frank Nienhuysen) und stellt eine Aktivistin vor.
Sonstiges
Justizirrtümer: Die SZ (Ronen Steinke) bespricht das Buch des Spiegel-Journalisten Thomas Darmstädt "Der Richter und sein Opfer. Wenn die Justiz sich irrt." Jenseits forensischer Erkenntnisse spiele in den "allermeisten" Strafprozessen die Frage, ob einem Zeugen geglaubt werde oder nicht, die entscheidende Rolle.
Das Letzte zum Schluss
Nett zu Opa und Oma sein: Der Besuch bei den Großeltern ist oftmals eher eine lästige Verpflichtung denn wahres Bedürfnis. In China ist er jetzt auch gesetzliche Pflicht. Wie die FAZ meldet, sieht eine Änderung des Gesetzes zur "Wahrung der Rechte und Interessen älterer Menschen" vor, dass Kinder und Enkel ihre alten Eltern und Großeltern regelmäßig besuchen und sich um sie kümmern müssen. Zuwiderhandlungen können mit Geldbuße oder Gefängnis bestraft werden.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 2. Juli 2013: Datenüberwachung - Fahrradbeleuchtung - Gerechtfertigte Tötung . In: Legal Tribune Online, 02.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9054/ (abgerufen am: 02.07.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag