Das BVerfG wird sich in Sachen OMT wohl nicht mit dem EuGH anlegen. Außerdem in der Presseschau: Hamburg fordert weitere Verschärfung des Sexualstrafrechts, EU-Kommission immer noch gegen Maut und Inkompetenz als Strafmilderungsgrund.
Thema des Tages
BVerfG – OMT: Am gestrigen Dienstag verhandelte das Bundesverfassungsgericht zum zweiten Mal über das OMT-Programm der EZB. Der Europäische Gerichtshof hatte zuvor auf Vorlage aus Karlsruhe entschieden, die EZB handele mit diesem Programm innerhalb ihrer währungspolitischen Kompetenz. Während die Richter keine vorläufige Einschätzung abgaben, betonten die Vertreter der Klägergruppen, ihre Kritik am OMT-Programm bestünde weiterhin. Die EZB überschreite ihr Mandat und sei für diese Maßnahme nicht demokratisch legitimiert. Auch der Chef der Bundesbank, Jens Weidmann, als Sachverständiger geladen, wiederholte seine Vorbehalte. Das Urteil werde in einigen Monaten erwartet und wohl keine direkte Konfrontation mit dem Europäischen Gerichtshof beinhalten, schreiben unter anderem SZ (Wolfgang Janisch), FAZ (Helene Bubrowski) und BadZ (Christian Rath). Das Gericht erörtere über das OMT-Programm hinaus auch die Reichweite der Klagebefugnis von EU-Bürgern. FAZ (Philip Plickert) und Hbl (Jan Mallien) fokussieren sich auf die wirtschaftlichen Argumente.
"Mündliche Verhandlungen am Bundesverfassungsgericht eignen sich nicht zur Kaffeesatzleserei", konstatiert Joachim Jahn (FAZ). Die Richter hätten "kritische Fragen in alle Richtungen" gestellt, sich allerdings nicht festgelegt. Es sei wahrscheinlich, dass die Karlsruher Richter sich an die "goldene Brücke" aus Luxemburg hielten und die "vage Ankündigung" von EZB-Chef Draghi als "gerade noch rechtmäßig" einstuften.
Rechtspolitik
Reform des Sexualstrafrechts: Hamburg fordert mit "Nein heißt Nein" eine über den Gesetzentwurf des Bundes hinausgehende Reform des Sexualstrafrechts und hat eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, meldet lto.de. Der Antrag solle am 26. Februar in der Länderkammer beraten werden.
Erbschaftsteuer: Die FAZ (Manfred Schäfers) hat mit dem CSU-Finanzpolitker Hans Michelbach über die Erbschaftsteuer gesprochen und stellt den bisherigen Kompromiss vor. Grundsätzlich soll zwischen verschonungswürdigem und nicht-verschonungswürdigem Vermögen unterschieden werden, Unternehmenswerte sollen anders berechnet werden und durch eine Investitionsklausel liquide Mittel ausnahmsweise unter die Verschonungsregel fallen können.
Strafkammertag: Am gestrigen Dienstag haben sich rund 70 Richter aus allen OLG-Bezirken zum ersten Strafkammertag getroffen, um unter anderem die geplante Reform der Strafprozessordnung zu erörtern. lto.de (Tanja Podolski) spricht mit dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle und Gastgeber Peter Götz von Olenhusen unter anderem über seine Meinung zum Reform-Entwurf und über "Brennpunkte" der täglichen Arbeit als Landesrichter.
EU-Gipfel: Kanzlerin Merkel betont, dass die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten beim EU-Gipfel keine neuen Kontingente für Flüchtlinge beschließen werden; es sei wichtiger, die Zusammenarbeit mit der Türkei in Flüchtlingsfragen zu klären, schreiben SZ (Nico Fried) und FAZ (Günter Bannas/Majid Sattar).
Datenschutz: Die FAZ (Joachim Jahn) begleitete eine Tagung des Bundesverbands der Deutschen Industrie mit Diskussionen über datenschutzrechtliche Themen. So forderte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium Ole Schröder etwa, der Datenschutz müsse reformiert, "Big Data" anwendbar und Bürokratie verhindert werden. Andere Themen waren der Privacy Shield und selbstfahrende Autos.
Sichere Maghrebstaaten: Nachdem unter anderem Baden-Württemberg vorgeschlagen hatte, dem Gesetzentwurf um die Maghrebstaaten zuzustimmen, wenn die Koalition asylrechtliche Forderungen berücksichtigte, kam dahingehend aus der Union nun eine Absage. Zudem hat sich die SPD geweigert, den Gesetzentwurf als Entwurf der Koalitionsfraktionen in den Bundestag einzubringen. taz (Ulrich Schulte), SZ (Robert Rossmann/Josef Kelnberger) und Hbl (Frank Specht) fassen die Verzögerungen zusammen. Die FAZ (Johannes Leithäuser) betont, die Grünen seien sich hier nicht einig.
Im Interview mit der taz (Ulrich Schulte) erläutert die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, warum Algerien und Marokko keine sicheren Herkunftsländer seien.
EZB gegen 500-Euro-Schein: "Wie kann die EZB den Schein aus dem Verkehr ziehen?" "Lässt sich mit der Abschaffung Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bekämpfen?" Die SZ (Nora Kolhoff/Markus Zydra) beantwortet mehrere Fragen rund um den Plan der EZB, den 500-Euro-Schein abzuschaffen.
Justiz
BGH zu Heizkosten: Der Bundesgerichtshof entschied, dass Mieter Heizkostenabrechnungen auch dann zahlen müssen, wenn sie diese verspätet erhalten. Die Vermieter haben damit auch nach der vertraglich vereinbarten Frist die Möglichkeit, Nachforderungen geltend zu machen. tagesschau.de schildert auch den zugrundeliegenden Fall.
OLG München – NSU: spiegel.de (Gisela Friedrichsen) und blog.zeit.de (Tom Sundermann) fassen die Aussage des ehemaligen Chefs einer rechten Organisation in Thüringen, Jens L., zusammen, der von den Aktivitäten der Bande und insbesondere über die Waffengeschäfte berichtet. Über die Tatwaffe, die Ceska, sagte er nichts, er habe zudem ein "Glaubwürdigkeitsproblem". Zschäpes Befangenheitsantrag lehnte das Gericht ab.
LG Detmold – Auschwitzprozess: Am zweiten Verhandlungstag des Auschwitzprozesses vor dem Landgericht Detmold schildert der Nebenkläger und Auschwitz-Überlebende Justin S. seine Erfahrungen im KZ. Ihm gehe es darum, dass die "schweren Verbrechen noch einmal aufgearbeitet werden". Die taz (Klaus Hillenbrand) gibt die Aussage ausführlich wieder.
Vertragsverletzungsverfahren – Maut: EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc erklärt, die Bundesregierung habe die nötigen Informationen zum Mautgesetz übermittelt, die Zweifel der EU-Kommission bestünden allerdings weiterhin. Im April werde die nächste Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet, dann habe die Bundesregierung eine weitere Gelegenheit zur Stellungnahme, meldet das Hbl (Thomas Ludwig). Sollte diese der EU-Kommission erneut nicht genügen, werde sie den Europäischen Gerichtshof anrufen.
LG Berlin – tote Schwangere: Vor dem Landgericht Berlin hat der Prozess um den Mord an einer Schwangeren begonnen. Die Angeklagten Eren T., der Exfreund des Opfers, und sein Kumpel, Daniel M., werden verdächtigt, die 19-Jährige in einem Waldstück in den Bauch gestochen und dann angezündet zu haben. Die SZ (Verena Mayer) schildert die Tatvorwürfe, zu denen sich die jungen Männer nicht äußern wollen.
Bundesanwaltschaft – Anklage gegen Islamisten: Die Bundesanwaltschaft hat drei Männer, die sich den Terrororganisationen Islamischer Staat und "Junud al-Sham" in Syrien angeschlossen haben sollen, vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf angeklagt, meldet spiegel.de und skizziert die Vorwürfe.
Klage wegen Hartz IV-Neuberechnung? Der Wohlfahrtsverband droht, gegen die Bundesregierung zu klagen, weil das Arbeitsministerium die maßgeblichen Daten des Statistischen Bundesamts zur Neuberechnung der Hartz IV-Regelsätze nicht sofort veröffentlichen will. Der Verband beruft sich dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz. Die SZ (Thomas Öchsner) gibt die Kritik des Verbands am Arbeitsministerium wieder.
Recht in der Welt
EU/Großbritannien – Brexit: Der SZ (Daniel Brössler) liegt ein vertraulicher Vertragsentwurf zum Verbleib Großbritanniens in der EU vor, welcher entscheidende Änderungen gegenüber einem früheren aufzeige. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten sollen beim EU-Gipfel am morgigen Donnerstag darüber entscheiden. EU-Parlamentspräsident Schulz, der auch bei den Verhandlungen teilnehmen wird, gab an, es sei nicht klar, ob das Parlament den Kompromissvorschlag annehme, so die FAZ (Werner Mussler).
Zukunft der EU: "Europa wird nicht untergehen", die taz (Eric Bonse/Camille le Tallec) spricht mit EU-Kommissar Pierre Moscovici über die Zukunft der EU, "Brexit", "Grexit", Flüchtlingspolitik und Rechtspopulismus.
Ungarn – Schnellverfahren für illegale Flüchtlinge: Die SZ (Cathrin Kahlweit) schildert einen Tag am Gericht in Szeged, das in Schnellverfahren illegale Einwanderer aburteilt. Der Beitrag beleuchtet die Schicksale der Illegalen, die Reaktion Ungarns auf die Flüchtlingswelle und die Schnellverfahren aus Sicht der beteiligten Juristen. Der "Normalfall im Eilfall" sei: "in Ungarn unerwünscht".
Sonstiges
Tote Zeugen des NSU: Nachdem mit Sascha W., dem Verlobten der im vergangenen Jahr verstorbenen NSU-Zeugin Melisa M., nun wieder ein potenzieller Zeuge aus dem NSU-Komplex gestorben ist, beschäftigt sich die taz (Gareth Joswig) ausführlich mit den mittlerweile fünf verstorbenen möglichen Zeugen und fordert Aufklärung.
(Straf-)Recht in der Presse: Unter dem Titel "Lücke oder Lüge" echauffiert sich der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer in seiner zeit.de-Kolumne darüber, wie die Presse über (straf-)rechtliche Sachverhalte schreibt. Anhand eines Beispiels kritisiert er "das Zusammenspiel von fehlender Sachkenntnis und strammer Meinung".
Völkerrechtliche Normänderungen: Der Rechtswissenschaftler Julian Uldich erläutert auf juwiss.de, inwieweit Normänderungen im Völkerrecht Rechtsunsicherheiten bedingen können. Nachdem es auf Völkerrechtsebene keine einheitlichen Anordnungen dazu gebe, wie sich eine Reform auf die ältere Norm auswirkt, beleuchtet er drei Möglichkeiten, die Rechtsklarheit schaffen können – etwa "implizierte Übergangsvorschriften".
XKeyscore: Nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht dazu berechtigt ist, Massenüberwachungen durchzuführen, fragt auch netzpolitik.org (Anna Biselli), wozu es die dafür vorgesehene Software XKeyscore brauche. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken sei wenig aufschlussreich gewesen. Der Beitrag erinnert auch an die NSA-Enthüllungen.
Flüchtlingsunterkünfte: Die Immobilienrechtlerin Beate Heilmann erklärte auf einer Veranstaltung des Deutschen Anwaltsvereins, welche Vorteile Vermieter daraus zögen, dass Flüchtlingsunterkünfte nicht als privater Wohnraum, sondern als gewerblicher Raum gelten, weist allerdings auch auf "juristische Fallstricke" hin. Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet.
Das Letzte zum Schluss
Inkompetenz verhindert Haft: Ein 20-jähriger Mann darf sich freuen, dass er nach Angaben des Richters "weder die Cleverness, Erfahrung, noch das Durchhaltevermögen" hat, um sein angebautes Cannabis gedeihen zu lassen. Er hatte in seiner Wohnung nahezu erfolglos versucht, 40 Marihuana-Pflanzen für seinen Eigenbedarf großzuziehen. Der Vermieter hatte die Hanfzucht entdeckt. Das Strafverfahren endete für den jungen Mann ohne grünen Daumen mit einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten und 100 Sozialstunden – der Richter habe die "Inkompetenz" des Angeklagten bei der Urteilsfindung berücksichtigt, schreibt justillon.de (Stephan Weinberger).
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. Februar 2016: BVerfG und OMT / Hamburg fordert "Nein heißt Nein" / Nein zur Maut . In: Legal Tribune Online, 17.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18485/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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