Das Handelsabkommen Ceta steht besonders wegen des geplanten Investitionsschutzes in der Kritik. Der ist halb so schlimm, wie aus einem neuen Gutachten hervorgeht. Außerdem in der Presseschau: Frauenrechtsorganisationen schlagen ein gesetzliches Verbot sexistischer Werbung vor, "Legal Highs" sollen verboten werden, ein Journalist bekommt vorerst keine Auskunft vom Verfassungsschutz und warum gemeinsames Kuchenbacken einen Sachverständigen ersetzen kann.
Thema des Tages
Zwei Rechtsgutachten zu Ceta: Wie weit geht der umstrittene Investitionsschutz im Ceta-Abkommen zwischen der EU und Kanada? Kann die EU-Kommission das Abkommen allein paraphieren, wie ursprünglich für kommenden Freitag geplant? Das Bundeswirtschaftsministerium hat hierzu zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Das erste stellt fest: Deutsches Recht geht beim Schutz bestehender Investitionen "wesentlich weiter" als Ceta. Die umstrittene Schiedsgerichtsbarkeit sei weitgehend transparent und komme ohnehin nur "bei gezielter Benachteiligung ausländischer Investoren" und nach Erschöpfung des inländischen Rechtsweges in Frage. Das zweite Rechtsgutachten kommt zum Ergebnis, dass das Abkommen auch die Parlamente der 28 EU-Staaten und damit auch den Bundestag passieren müsse ("gemischtes Abkommen" wegen teils fehlender Kompetenz der EU). Die SZ (Michael Bauchmüller), die FAZ (Henrike Roßbach), die taz (Kai Schöneberg) und das Handelsblatt (G. Braune u.a.) berichten.
Rechtspolitik
Sexistische Werbung: Berichten der SZ (Marc Felix Serrao) und der taz (Heide Oestreich) zufolge fordern Frauenrechtsorganisationen (Deutscher Juristinnenbund u.a.) ein Gesetz gegen sexistische Werbung. Konkret zielt der Vorschlag darauf ab, einen neuen wettbewerbsrechtlichen Verbotstatbestand zu schaffen. Dieser könne Geschlechterdiskriminierung definieren als Darstellung eines "Über-/Unterordnungsverhältnisses" der in Werbung abgebildeten Geschlechter, Zuordnung bestimmter sozialer Rollen und Reduzierung von Frauen "auf einen Gegenstand zum sexuellen Gebrauch". Heide Oestreich (taz) zieht in einem gesonderten Kommentar Wachsamkeit und den gesellschaftlichen Diskurs einem gesetzlichen Verbot vor.
Konzept gegen Kindesmissbrauch: Die SZ (Constanze von Bullion) schreibt über ein am Montag vorgestelltes Konzept der Bundesregierung gegen Kindesmissbrauch. Das "Gesamtkonzept gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen" soll den Beistand für Missbrauchsopfer und die Kooperation zwischen Behörden fördern, indem es helfe, dass Sexualstraftaten früher aufgedeckt und konsequenter verfolgt werden können. Außerdem plane das Bundesjustizministerium, für Missbrauchsopfer einen "Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung" zu schaffen. Geplant sei eine Ergänzung des Kinderschutzgesetzes.
Verbot von "Legal Highs": Badesalz und Kräutermischungen statt Cannabis – betäubungsmittelrechtlich bislang nicht verbotene Stoffe, sogenannte "Legal Highs", sollen nach Ansinnen der Gesundheitsstaatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU) verboten werden. Das schreibt die taz (Christian Rath). Bislang hätten Polizei und Justiz versucht, die "Legal High"-Händler mithilfe des Arzneimittelrechts zu verfolgen, was der Europäische Gerichtshof aber im Juli unterbunden habe. Die Bundesregierung drücke sich um ein klares Ja bei der Frage, ob "Legal Highs" nun bis zum jeweiligen Verbot legal seien oder nicht.
BGH zu Abwerbungsverboten: Sich wechselseitig keine Mitarbeiter abzuwerben, stellt im Regelfall eine gerichtlich nicht durchsetzbare Vereinbarung gemäß § 75f des Handelsgesetzbuches dar. Das hat der Bundesgerichtshof bereits im April entschieden, wie internet-law.de (Thomas Stadler) meldet. Derartige Vereinbarungen fänden sich oft in Dienst-, Werk- oder Kooperationsverträgen zwischen Unternehmen. Zugleich habe der BGH Ausnahmen für Abwerbungsverbote festgelegt – etwa bei einem besonderem Vertrauensverhältnis der Parteien.
BAG zu Statistiken im Diskriminierungsverfahren: Können Statistiken als Entscheidungshilfen in Diskriminierungsverfahren nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz dienen? Diese Frage wirft der Fall einer Frau auf, die moniert, eine Arbeitsstelle nicht bekommen zu haben, weil sie Mutter eines schulpflichtigen Kindes sei. Das Landesarbeitsgericht Hamm bejahte eine mittelbare Diskriminierung wegen des weiblichen Geschlechts – und zog zur Entscheidung den Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes heran. Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall jetzt ans LAG zurückverwiesen unter dem Hinweis, es halte die Statistik nicht für aussagekräftig. Das LAG habe zu kompliziert gedacht und es hätte keiner Statistik bedurft, mutmaßt Rechtsanwalt Jan Tibor Lelley auf lto.de.
OVG Nordrhein-Westfalen zu Auskunftsrecht der Presse: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) muss vorerst keine Auskunft darüber erteilen, von wie vielen Journalisten und Parlamentsabgeordneten es Daten erfasst. Das hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen laut lto.de in einem Eilverfahren entschieden. Ein Journalist wollte Auskunft über Ermittlungen des BfV mithilfe des Presserechts erwirken. Das OVG lehnte den Eilantrag ab: Der Fall sei rechtlich schwer zu beurteilen sei; anderenfalls werde die Hauptsache vorweggenommen.
OLG München – NSU-Prozess: Über den 141. Verhandlungstag im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München berichtet spiegel.de (Gisela Friedrichsen). Als Zeuge habe am Montag Thomas B. ausgesagt, ein einstiger Kumpane des verstorbenen NSU-Mitglieds und mutmaßlichen Mörders Uwe Böhnhardt. B., selbst offenbar unpolitisch und in den Neunzigern mit Böhnhardt auf der Straße unterwegs. Er habe Böhnhardt als "lustigen Typen" beschrieben, der zugleich gefährlich "wie eine Bombe" gewesen sei.
Hessisches FG zum Versorgungsausgleich: Unterliegen Ausgleichszahlungen der Einkommenssteuer, die nach einer Scheidung den Versorgungsausgleich verhindern sollen? Nein, entschied nun das Hessische Finanzgericht laut lto.de zugunsten einer geschiedenen Frau. Sie hatte mit ihrem Ex-Mann für den Fall der Scheidung Ausgleichszahlungen anstelle des Versorgungsausgleichs vereinbart. Dabei handele es sich um "Ersatzleistungen für Verluste oder Wertminderungen", die entgegen der Auffassung des Finanzamtes von der Einkommenssteuer nicht erfasst seien.
AG Halle zum Handel mit Klausurlösungen: Auch Juraklausuren genießen urheberrechtlichen Schutz. Das Amtsgericht Halle hat einen Studenten wegen gewerbsmäßiger Verletzung des Urheberrechts zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Student hatte mit juristischen Musterklausuren der Fernuni Hagen bei Ebay gehandelt. Die Parteien stritten vor Gericht darüber, ob die Klausuren urheberrechtlich geschützte Werke darstellen. Die Mitteldeutsche Zeitung berichtet.
LG München I zu Sozialamtsmitarbeiterin: Das Landgericht München I hat eine 52-jährige ehemalige Mitarbeiterin eines Sozialamts wegen Untreue zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Frau hatte über Jahre regelmäßig Geld von der Stadtkasse auf ihr eigenes Konto überwiesen – insgesamt rund 440.000 Euro, so spiegel.de.
Lockerung für Hoeneß: Nun schreibt auch die FAZ (Henning Peitsmeier) über die Vollzugslockerung für den zu einer dreieinhalbjährigen Haft verurteilten Uli Hoeneß. Hoeneß war am Samstag für einige Stunden auf freien Fuß gekommen. Dies sei einzig die Entscheidung der JVA Landsberg gewesen. Nach bayerischem Strafvollzugsrecht sei allein entscheidend, dass weder Fluchtgefahr noch die Gefahr neuer Straftaten bestehe. Dass Hoeneß seine Steuerschuld in Höhe von rund 40 Millionen Euro bezahlt haben soll, sei unerheblich.
Recht in der Welt
China – Menschenrechtsverletzungen durch Waffenlieferungen: Der Organisation Amnesty International zufolge betreibt die chinesische Wirtschaft florierende Exporte von Waffen und Folterwerkzeugen – auch an Regierungen, die für Menschenrechtsverletzungen bekannt seien. Unter anderem von Schlagstöcken mit Metallspitzen ist die Rede. Amnesty kritisiert außerdem die "zahlreichen Schlupflöcher" in der europäischen Anti-Folter-Verordnung. Die taz (Felix Lee) und die Welt (Dietrich Alexander) berichten.
Frankreich – Greenpeace-Aktivisten verurteilt: 17 Greenpeace-Aktivisten sind in Frankreich wegen Hausfriedensbruchs zu Bewährungsstrafen von je vier Monaten verurteilt worden, weil sie im Rahmen einer europaweiten Protestaktion auf das Gelände eines nordfranzösischen Atomkraftwerks vorgedrungen waren. Das meldet zeit.de.
Sonstiges
Handel mit Fußballtickets: Fußballklubs der Bundesliga untersagen Ticketkäufern in ihren Geschäftsbedingungen den Weiterverkauf der Eintrittskarten. Die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet über Probleme der Vereine, dem Schwarzhandel juristisch beizukommen. Ein Fall jedenfalls sei klar: Wer bei Ebay eine Büroklammer für 500 Euro verkauft und nebenbei drei Karten des Spiels Bayern gegen Hannover anheftet, könne so das Weiterverkaufsverbot und die Vertragsstrafe nicht umgehen: "falsa demonstratio non nocet".
Glücksspiel-Verbote: Behörden der Länder haben in den vergangenen Jahren über 100 Verbote gegenüber ausländischen Glücksspielanbietern verfügt; 28 weitere Verfahren laufen. Das schreibt die SZ (Lena Gürtler, Klaus Ott). Die Verbote ausländischer Kasinos und Sportwettenbetreiber ließen sich durch Einfrierungen von Konten durchzusetzen, was aber "juristisch sehr umstritten und technisch schwer machbar" sei.
Änderungen im Asylrecht: Was ändert sich im Asylrecht? Die letzte Woche vom Bundesrat abgesegneten Neuerungen erklärt zeit.de im Überblick. Thematisiert werden unter anderem Fragen um die "sicheren Herkunftsländer", die Residenzpflicht, Sachleistungen sowie das Recht, eine Arbeit aufzunehmen.
Das Letzte zum Schluss
Kuchen, nicht Gutachten: Ob ein technisches Gerät funktioniert oder nicht, kann oft nur ein Sachverständiger klären. Nicht nötig, dachte sich wohl ein Hannoveraner Amtsrichter: Nachdem die Parteien sich nicht gütlich über die Qualität eines neuen Backofens einigen konnten, regte der Richter an, vor Ort gemeinsam einen Zitronenkuchen zu backen – mit Fertigbackmischung, "um Fehlerquellen beim Teig auszuschließen". Der Richter habe so ein teures Gutachten vermeiden wollen, meldet justillon.de.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 23. September 2014: Rechtsgutachten zu Ceta – Verbot sexistischer Werbung – Verbot von Legal Highs . In: Legal Tribune Online, 23.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13269/ (abgerufen am: 03.07.2024 )
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