Der frühere katalanische Regionalpräsident hat sich den belgischen Behörden gestellt. Außerdem in der Presseschau: FDP-Vizepräsident Kubicki will Musterklageverfahren einführen und in Frankreich wurde der Bruder des Toulouse-Attentäters verurteilt.
Thema des Tages
Puigdemont – Europäischer Haftbefehl: Der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont hat sich gemeinsam mit vier weiteren ehemaligen katalanischen Regierungsmitgliedern am Sonntag den belgischen Behörden gestellt. Unter anderen die Montags-FAZ (Christian Rößler/Michael Stabenow), Montags-SZ (Thomas Kirchner/Thomas Urban) und Montags-taz (Reiner Wandler) berichten. Bis Montagmorgen muss über die etwaige Inhaftierung beziehungsweise über eine Freilassung mit oder ohne Auflagen entschieden werden.
Bereits am Freitag hat Rechtsprofessor Martin Heger auf lto.de die Frage beleuchtet, ob Belgien die Politiker an Spanien ausliefern muss. Er widmet sich dabei insbesondere dem Prinzip der beiderseitigen Strafbarkeit, das heißt, zumindest auf Grund einer drohenden Klage wegen Rebellion könnte Puigdemont nur dann ausgeliefert werden, wenn das ihm vorgeworfene Verhalten auch in Belgien strafbar wäre. Da sich der Europäische Haftbefehl jedoch auch auf eine Unterschlagung von Geldern – nämlich durch die Durchführung des vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Referendums – stützt, wäre eine Auslieferung auf dieser Grundlage wohl möglich. Die Samstags-SZ (Ronen Steinke, Thomas Urban) weist darauf hin, dass der Europäische Haftbefehl 2002 nur für schwere Straftaten wie Terrorismus, Menschenhandel, Flugzeugentführung beschlossen wurde. Politische Taten hingegen seien bewusst ausgenommen worden.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisierte unterdessen laut lto.de die Haftbefehle gegen die anderen Mitglieder der katalanischen Regionalregierung, die sich nicht ins Ausland abgesetzt hatten. "Die Kriminalisierung der Unabhängigkeits-Befürworter schafft keine Lösungen, sondern vertieft nur die Gräben zwischen Spanien und Katalonien, aber auch unter den Katalanen", wird GfbV-Direktor Ulrich Delius zitiert. Argelia Queralt Jiménez, Dozentin für Verfassungsrecht an der Universität Barcelona, meint auf verfassungsblog.de, dass sich die spanische Justiz im Moment zwar nicht von ihrer besten Seite zeige, aber im ihr gegebenen Rahmen handele.
Rechtspolitik
Mehr Richter und Staatsanwälte: Im Rahmen der Sondierungsgespräche mit den möglichen Koalitionspartnern hat die CDU eine Personaloffensive für Richter und Staatsanwälte angekündigt, meldet der Focus. Bei den weiteren Gesprächen soll dafür ein "Pakt für die Justiz" vorgeschlagen werden. Es gehe nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei der Justiz um eine "nationale Kraftanstrengung", wird der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Stephan Harbarth zitiert.
Bezahlbarer Wohnraum: Laut einer Meldung der Samstags-taz hat der Bundesrat eine Gesetzesinitiative für mehr bezahlbaren Wohnraum in Ballungszentren beschlossen. Danach soll der Bund Grundstücke auch ohne Bieterverfahren verkaufen können. Auf diese Weise sollen Länder und Kommunen günstiger an Grundstücke des Bundes für den sozialen Wohnungsbau kommen.
Wohnungskosten im Sozialrecht: Der Präsident des Bundessozialgerichtes Rainer Schlegel hat sich laut Spiegel (Dietmar Hipp) dafür ausgesprochen, bei der Berechnung von Sozialleistungen eine Pauschale für die Wohnungskosten vorzusehen. Es sei nicht sinnvoll, bei Hartz IV und der Grundsicherung im Alter in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die jeweilige Wohnung hinsichtlich ihrer Kosten angemessen sei, so der Richter.
Musterklage: Laut Montags-SZ (Klaus Ott) hat sich der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki für die Einführung von Musterklagen ausgesprochen. Die Musterklage solle aber so geregelt sein, wird Kubicki zitiert, dass gleichzeitig Unternehmen vor überzogenen Forderungen bewahrt würden.
Ladendiebstahl: Der Einzelhandelsverband fordert härtere Strafen für Ladendiebstähle, meldet der Spiegel (Martin U. Müller). So soll die Mindeststrafe für schwere Diebstahlsdelikte auf ein Jahr angehoben werden, heißt es in dem Bericht. Außerdem soll es nach dem Willen des Verbandes künftig weniger Verfahrenseinstellungen geben.
Justiz
LG Frankfurt/M. zu anwaltlichen Beratungsfehlern: Wie die Samstags-FAZ (Marcus Jung) erfahren hat, ist der Unternehmer Carsten Maschmeyer mit seiner Klage gegen die Rechtsanwaltskanzlei Clifford Chance wegen eines vermeintlichen Beratungsfehlers gescheitert. Maschmeyer wirft Clifford Chance vor, ihn im Rahmen der geplanten, später aber gescheiterten Übernahme von MLP nicht richtig beraten zu haben.
OLG Celle – Porsche Musterklageverfahren: Die Montags-FAZ (Marcus Jung) berichtet, dass der Porsche-Musterprozess vor dem Oberlandesgericht Celle ins Stocken geraten ist. Grund ist ein Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter. In dem Prozess geht es um die gescheiterte Übernahme von Volkswagen 2009, drei Klägergruppen verlangen wegen unterlassener Veröffentlichungen von Insiderinformationen mehr als 5,4 Milliarden Euro Schadensersatz von der Porsche SE sowie von Volkswagen selbst.
OLG München – NSU-Prozesse: Das Für und Wider einer baldigen Entscheidung im NSU-Verfahren diskutiert die Samstags-SZ. Annette Ramelsberger meint, dass was im Gerichtssaal vorgeführt werde, nichts mehr mit Wahrheitsfindung zu tun habe, es sei nur noch eine Leistungsschau juristischen Durchhaltevermögens. Heribert Prantl hält dagegen: Es sei zwar nicht schön, wenn durch Befangenheitsanträge das Ende des Prozesses immer weiter hinausgeschoben werde, aber das Gericht dürfe sich vom Genervtsein der Prozessbeobachter und der an- oder abschwellenden öffentlichen Empörung nicht anstecken lassen. Es müsse die Befangenheitsanträge so sorgfältig behandeln, wie es zuvor die Beweisaufnahme geführt habe.
Völkerstrafrecht – Anzeigen gegen Assad-Funktionäre: In einem Gastbeitrag in der Montags-taz weist Wolfang Kaleck, Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights, auf Strafanzeigen hin, die beim Generalbundesanwalt gegen hochrangige Geheimdienstfunktionäre der Regierung Assad erstattet wurden.
LG Berlin - Tiefkühltruhenmord: Die FAS (Julia Schaaf) berichtet über einen Fall, der seit der vergangenen Woche vor dem Landgericht Berlin verhandelt wird. Der achtzigjährige Heinz N. wurde 2006 erschossen und von seinem mutmaßlichen Mörder zehn Jahre in der eigenen Tiefkühltruhe versteckt. Die Rente wurde weitergezahlt, wohl an Josef F., der seit vergangener Woche wegen Mordes vor Gericht steht.
VerfGH Rheinland-Pfalz zum Zugang zu amtlichen Informationen: Der Verfassungsgerichthof Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass das Erfordernis, bei einem Antrag auf Zugang zu amtlichen Informationen die eigene Identität preisgeben zu müssen, nicht gegen die Landesverfassung verstößt. lto.de stellt die Entscheidung vor. Auch die Beschränkung des Informationszugangs im Bereich Wissenschaft, Forschung und Lehre auf Informationen von Drittmittelgebern, die Höhe der Drittmittel und die Laufzeit der mit ihnen finanzierten abgeschlossenen Forschungsvorhaben ist danach verfassungskonform.
BVerfG – Drittes Geschlecht: Die Montags-SZ (Wolfgang Janisch) stellt Vanja vor, die Person, die beim Bundesverfassungsgericht durchsetzen will, dass im Personenstandsregister nicht mehr nur "männlich" oder "weiblich", sondern auch ein drittes Geschlecht – beispielsweise "inter" oder "divers" eingetragen werden kann.
BVerfG zu einstweiliger Entscheidung durch Einzelrichter: Rechtsanwalt Stephan Dittl bespricht in einem Gastbeitrag auf zpoblog.de die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Ende September, in der festgestellt wurde, dass eine einstweilige Entscheidung, die statt vom Kollegialgericht von einem Einzelrichter getroffen wurde, ohne dass die Dringlichkeit dafür dargelegt wurde, gegen den grundgesetzlich gewährten gesetzlichen Richter verstößt. Es ging im Verfahren um einen Beschluss des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg. Der Autor meint, dass, wenn man die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts auf die übliche Praxis in Zivilverfahren, einstweilige Verfügungen – entgegen dem Leitbild des § 937 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ohne mündliche Verhandlung zu erlassen, übertragen würde, die Entscheidung erhebliche Sprengkraft haben könnte.
Justizvollzug für Alte und Kranke: Die FAS (Reiner Burger) beschreibt die spezielle Gefängnisabteilung für chronisch kranke und sterbenskranke sowie für alte Straftäter in Nordrhein-Westfalen und stellt einige der Insassen vor.
Recht in der Welt
Frankreich – Terroristenurteil: Die Samstags-FAZ (Michaela Wiegel) und Samstags-taz (Rudolf Balmer) stellen die in Frankreich nach Ansicht vieler Bürger zu milde Verurteilung von Abdelkader Merah, dem Bruder des Attentäters, der in Toulouse und Montauban 2012 insgesamt sieben Menschen getötet hatte, vor. Merah wurde in der vergangenen Woche vom Verdacht der terroristischen Mittäterschaft freigesprochen und ist nur wegen der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert. Angehörige der Opfer der Terroranschläge zeigten sich enttäuscht über das Urteil und befürchten, dass es von islamistischer Seite als "Erfolg" gewertet werden könnte.
USA – Trump greift Justizsystem an: Nach dem Attentat in New York hat sich der amerikanische Präsident Donald Trump laut einem Bericht von spiegel.de kritisch über das US-Justizsystem geäußert. Das Justizsystem in den USA sei bei Weitem nicht streng genug, sagte Trump dem Bericht zufolge während einer Kabinettssitzung im Weißen Haus, es sei "ein Witz" und "Gespött".
Südafrika – Pistorius-Prozess: Die Samstags-FAZ (Claudia Bröll) und lto.de berichten über den Beginn des Berufungsverfahrens gegen den früheren Sportler Oscar Pistorius, der wegen der Ermordung seiner Freundin vor einem Jahr zu einer Haftstrafe von 6 Jahren verurteilt wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte Rechtsmittel eingelegt, weil das Strafmaß ihrer Ansicht nach zu niedrig ausgefallen ist. Sie fordert eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren.
Ungarn – Erinnerung an "Blutjuristen": Die Samstags-FAZ (Christoph Strauch) erinnert an jene Juristen, die nach dem ungarischen Volksaufstand von 1956 zahlreiche Todesstrafen beantragten beziehungsweise verhängten. Der Historiker Márton Békés ist bei seinen entsprechenden Recherchen auf Richter und Ankläger gestoßen, die sich niemals für ihre Regimeverstrickungen hätten verantworten müssen und heute in privilegierten Verhältnissen lebten.
Sonstiges
"Recht auf Abschalten": Mit der arbeitsrechtlichen Dimension der Erreichbarkeit von Arbeitnehmern auch in der Freizeit befasst sich die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski) im Teil "Beruf und Chance". Sie schaut dabei auch nach Frankreich, wo es ein gesetzlich niedergelegtes "Recht auf Unerreichbarkeit" gibt. Die konkrete Ausgestaltung obliegt allerdings den Tarifparteien.
Weiterleitung geschäftlicher E-Mails: Rechtsanwältin Doris-Maria Schuster beantwortet in der Samstags-FAZ die Frage, ob Arbeitnehmer dienstliche E-Mails auf ihren Privataccount weiterleiten dürfen – beispielsweise um daran nach Arbeitsschluss von zu Hause aus noch weiterzuarbeiten. Sie rät in solchen Fällen grundsätzlich ein Einverständnis des Arbeitgebers einzuholen, um nicht in die Gefahr eines Verstoßes gegen Geheimhaltungspflichten zu geraten.
Dashcams im Straßenverkehr: Rechtsprofessor Christian Wolf und wissenschaftliche Assistentin Nadja Flegler erläutern auf lto.de anhand aktueller Entscheidungen die Grenzen des Einsatzes von Dashcams im Straßenverkehr. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass sich trotz einer auf den ersten Blick uneinheitlichen Rechtsprechung Kriterien herauszubilden scheinen: Die Gerichte würden insbesondere darauf schauen, ob eine nur anlassbezogene Aufzeichnung erfolgt und eine Abwägung der Interessen der Betroffenen vornehmen.
"Lizenzgebühren" von Archiven: Die Rechtsanwälte Paul Klimpel und Fabian Rack kritisieren auf irights.info die teilweise von Archiven geübte Praxis, auch für die Nutzung urheberrechtsfreier Bestände eine Gebühr zu verlangen. Das sei rechtlich fragwürdig und sollte geändert werden, so die Autoren. Denn hier stehe dem Entgelt keine Gegenleistung gegenüber.
Juristische Doktorarbeiten: Auf lto.de stellt Martin Rath einige frisch erschienene Dissertationen vor.
Das Letzte zum Schluss
...so vong Markenrecht her: In Wikipedia hat es Vong schon geschafft und jetzt hat sich eine Werbeagentur sogar den Begriff "Vong" schützen lassen. Rechtsanwalt Arno Lampmann erklärt auf lto.de, warum aber eine Monopolisierung von einzelnen Worten dieser im Internet entstandenen Kunstsprache wenig erfolgversprechend sein dürfte.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage
Die juristische Presseschau vom 4. bis 6. November 2017: Puigdemont stellt sich / FDP fordert Musterklage / Frankreich verurteilt Islamisten . In: Legal Tribune Online, 06.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25379/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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