Verbraucherschützer haben WhatsApp wegen der Weitergabe von Nutzerdaten an Facebook abgemahnt. Außerdem in der Presseschau: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kritisiert das geplante BND-Gesetz und Belgien diskutiert über Sterbehilfe.
Thema des Tages
WhatsApp abgemahnt: Die Marktwächter, ein Projekt der Verbraucherzentralen und des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e.V., haben WhatsApp wegen des Umgangs mit Nutzerdaten abgemahnt. Wie u.a. die taz (Tobias Pastoors) und die SZ berichten, seien nach Ansicht der Datenschützer die Ende August veröffentlichten Bestimmungen zur Weitergabe von Daten an den Mutterkonzern Facebook "zu großen Teilen" unzulässig. So können beispielsweise Telefonnummern an Facebook weitergegeben werden, unabhängig davon, ob das soziale Netzwerk auch tatsächlich genutzt werde. Das Unternehmen wurde aufgefordert, bis zum Mittwoch eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben.
Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) erläutert, was die Datenübernahme konkret bedeutet. So erhalte Facebook Einblick in die digitalen Telefonbücher von 700 Millionen Nutzern auf der ganzen Welt. Für Hendrik Wieduwilt ist in seinem separaten Kommentar die weit bedeutsamere Folge des Datenaustausches jedoch nicht die passgenauere Werbemöglichkeit für Facebook, sondern die Absenkung des Datensicherheitsniveaus. Das durch die Verschlüsselung der WhatsApp-Nachrichten geschaffene Vertrauen werde durch Facebook jetzt aufs Spiel gesetzt.
Rechtspolitik
EU-Urheberrecht: Die Europaparlamentsabgeordnete Julia Reda (Piratenpartei Deutschland) setzt sich in einem Gastbeitrag auf zeit.de kritisch mit den in der vergangenen Woche vorgestellten Plänen für die Einführung eines eigenen Leistungsschutzrechtes für Presseverleger auf europäischer Ebene auseinander. Die Erfahrungen in Deutschland hätten gezeigt, dass dem Qualitätsjournalismus auf diese Weise nicht gedient wird. Sie fordert stattdessen eine Stärkung des investigativen Journalismus durch einen europäischen Whistleblower-Schutz sowie eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf digitale Publikationen.
BND-Gesetz: In einem Gastbeitrag für das Hbl kritisiert Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Entwurf des geplanten BND-Gesetzes. Die Neuordnung des BND-Gesetzes sei eines der schlechtesten Gesetzgebungsvorhaben der letzten Jahre und spätestens das Bundesverfassungsgericht werde den BND auf den Boden des Grundgesetzes zurückholen, so die frühere Bundesjustizministerin.
LG Braunschweig – VW-Skandal: Einer der Rechtsvertreter enttäuschter VW-Aktionäre ist Rechtsanwalt Andreas Tilp mit seiner Kanzlei. faz.net (Corinna Budras) porträtiert den Rechtsanwalt, der sich hinsichtlich der Klagen sehr zuversichtlich zeigt. Den Sachstand der Verfahren vor dem LG Braunschweig stellt die FAZ (Christian Müßgens, Henning Peitsmeier) dar. Danach soll es ein Musterverfahren geben, in dem geklärt wird, ob VW die Finanzmärkte rechtzeitig über das Ausmaß der Krise informiert hat. Die SZ (Klaus Ott) widmet sich den Ansprüchen der betroffenen Autokäufer. Mangels der Möglichkeit eines Musterverfahrens sei hier mit langen Verfahren und eher geringen Erfolgsaussichten zu rechnen.
BVerfG – NPD-Verbot: Die FAZ (Reinhard Müller) widmet sich nach den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, bei denen die NPD jeweils deutlich weniger als fünf Prozent Stimmenanteil erhielt, dem Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Möglichweise könnte das Verfahren gerade daran scheitern, dass die Partei mittlerweile in die Bedeutungslosigkeit versunken ist. Denn nach dem Grundgesetz dürfe eine Partei nur verboten werden, wenn sie darauf ausgeht, "die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen".
BGH zum Abstammungsrecht: Die SZ (Wolfgang Janisch) und spiegel.de berichten über ein Verfahren vor dem BGH zum Abstammungsrecht. Der Antragsteller hatte Spermazellen in Kalifornien gespendet und wollte jetzt für die daraus entstandenen Embryonen die Vaterschaft festgestellt haben. Die Karlsruher Richter haben dem Begehren nicht stattgegeben. Vor der Geburt eines Kindes sei nach deutschem Recht eine Vaterschaftsfeststellung nicht möglich.
AG München – Vereinsrecht: Auf lto.de untersucht Notarassessor Dirk-Ulrich Otto die Frage, ob die Entscheidung des AG München, das keinen Widerspruch zwischen einer Vereinseintragung und einer auf Kapitalgesellschaften ausgelagerten wirtschaftlichen Betätigung beim FC Bayern sah, auch auf den ADAC übertragbar ist. Ein entsprechendes Verfahren wird ebenfalls vor dem AG München geführt.
VG Arnsberg – beamtenrechtliche Frauenförderung: lto.de weist auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg hin, mit der – wie bereits auch in einem Eilrechtsschutzverfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf geschehen – die im nordrhein-westfälische Landesbeamtengesetz vorgesehene Frauenförderung für verfassungswidrig erklärt wurde. Auch die Arnsberger Richter waren der Auffassung, dem Landesgesetzgeber fehle die entsprechende Gesetzgebungskompetenz.
LG Verden – Paralleljustiz in Sinti-Familie: Die SZ (Alexander Krützfeldt) hat den Prozess gegen eine 19-jährige Sinti beobachtet, der vorgeworfen wurde, ihre Cousine bei einem "familieninternen Duell" in Tötungsabsicht mit dem Messer schwer verletzt zu haben. Die mündliche Verhandlung war geprägt von der Angst der Angeklagten vor den Angehörigen des Opfers und fand deshalb unter starken Sicherheitsmaßnahmen statt.
StA Paderborn – Fall Höxter: Die Staatsanwaltschaft Paderborn will in dieser Woche Anklage gegen Angelika und Wilfried W. wegen Mordes durch Unterlassen erheben. Das Paar soll in seinem Haus in Höxter hunderte Frauen, die es über Kontaktanzeigen kennengelernt hat, gequält haben. Zwei der Opfer starben in der Folgezeit. In einem Interview mit spiegel.de (Hubert Gude, Ansgar Siemens) kündigt der Verteidiger von Wilfried W., Rechtsanwalt Detlef Binder, bereits jetzt an, was sein Mandant im Prozess aussagen wird. Er bezeichnet ihn als "hilflosen großen Mann, der ohne seine Ex-Frau nur beschränkt lebensfähig gewesen wäre".
Besonderes elektronisches Anwaltspostfach: Über die Schwierigkeiten bei der Inbetriebnahme des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches berichtet jetzt auch das Hbl (Heike Anger). Abhilfe will das Bundesjustizministerium schaffen und mit einer Verordnung klarstellen, dass die Bundesrechtsanwaltskammer die Postfächer empfangsbereit einrichten darf. Mehrere Rechtsanwälte hatten sich dagegen gewandt, durch ein empfangsbereit eingerichtetes Postfach mittelbar zur Nutzung desselben gezwungen zu werden.
Richterbestellung: Auf lto.de weist der Rechtslehrende Florian Albrecht darauf hin, dass die Richterbestellung und -beförderung teilweise dem Prinzip der Bestenauslese widerspricht und verfassungswidrig ist. So würden in Bayern beispielsweise Bewerbungen nur angenommen, wenn das Zweite Staatsexamen nicht länger als drei Jahre zurückliege. Berufserfahrenen Juristen sei damit der Weg in die bayerische Justiz von vorneherein verwehrt.
Recht in der Welt
Belgien – Sterbehilfe: Anlässlich eines aktuellen Falles stellt die SZ (Thomas Kirchner) die rechtliche Situation bezüglich der Sterbehilfe für Jugendliche und Kinder in Belgien dar. Belgien sei das einzige Land der Welt, das Sterbehilfe für Minderjährige ohne Altersbeschränkung erlaube. Voraussetzung sei die Einwilligung zweier Ärzte sowie der Eltern und des Kindes beziehungsweise Jugendlichen selbst. Außerdem müsse das Kind/der Jugendliche unter Schmerzen leiden, die nicht gelindert werden können.
Sonstiges
Landtag Baden-Württemberg – Anträge durch AfD-Fraktionen: Nachdem sich die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag aufgespalten hatte, haben jetzt beide neuen Fraktionen jeweils einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Thema Linksextremismus gestellt und dabei eine Regelung genutzt, nach der ein Untersuchungsausschuss nur eingerichtet werden kann, wenn ein entsprechender Antrag durch mindestens zwei Fraktionen gestellt wird. Christian Rath (taz) untersucht die Frage, ob dieses Vorgehen rechtmäßig ist oder ob hier die parlamentarischen Rechte missbraucht werden. Der Autor kommt zum Ergebnis, dass der Landtag so etwas dulden muss und dulden sollte. Es sei eine Stärke des Rechtsstaats, dass die Rechte auch für Unsympathische gelten.
Whistleblowing: Im Wirtschaftsteil der SZ geht es zweimal um das Whistleblowing. Am Beispiel von Rainer Moormann, der zunächst intern, später auch extern auf Sicherheitsrisiken beim Kernreaktor Jülich hinwies, beschreibt Katharina Kutsche die derzeitige rechtliche und tatsächliche Situation für Whistleblower. Für Nils Wischmeyer ist die Situation unbefriedigend. Anders als in den USA, wo Whistleblower an den Erlösen aus Bußgeldzahlungen beteiligt werden, gebe es in Deutschland weder einen Anreiz noch einen Schutz für Whistleblower.
Abmahnung: Wie man sich bei einer arbeitsrechtlichen Abmahnung verhalten sollte, beschreibt spiegel.de (Matthias Kaufmann). Nicht selten machten Arbeitgeber hier Fehler, die dann zu Gunsten des Arbeitnehmers wirken würden.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. September 2016: WhatsApp abmahnwürdig / BND-Gesetz verfassungswidrig / Richterbestellung reformbedürftig . In: Legal Tribune Online, 20.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20627/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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