Erstmals befasst sich der IStGH mit der Zerstörung von Kulturgütern als Kriegsverbrechen. Außerdem in der Presseschau: Die Berliner Erklärung enthält zahlreiche rechtspolitische Forderungen und BVerfG nimmt Beschwerde zu Steuerfristen nicht an.
Thema des Tages
IStGH – Kulturzerstörung vor Gericht: Die Samstags-SZ (Ronen Steinke) und die Montags-FAZ (Alexander Haneke) berichten über einen am heutigen Montag beginnenden Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Erstmals wird dort über eine Anklage wegen Kriegsverbrechen durch Zerstörung von Kulturgütern verhandelt. Vor den Richtern muss sich Ahmad al Faqi al Mahdi verantworten, dem vorgeworfen wird, maßgeblich an der Zerstörung der unter Unesco-Weltkulturerbeschutz stehenden Denkmäler der Stadt Timbuktu (Mali) beteiligt gewesen zu sein.
Rechtspolitik
Berliner Erklärung – Burka-Verbot light: Am Freitag wurde die von den Innenministern der Union erarbeitete Berliner Erklärung vorgestellt. Ein absolutes Vollverschleierungsverbot ist darin nicht vorgesehen, allerdings soll es in Teilen der Öffentlichkeit, beispielsweise in Behörden, in Gerichten sowie Schulen und Universitäten untersagt sein, einen Vollschleier zu tragen. U.a. die Samstags-taz (Tobias Schulze) und die Samstags-SZ (Christoph Hickmann) fassen die Forderungen der Berliner Erklärung zusammen. Laut Samstags-FAZ (Majid Sattar) zeigte sich die SPD skeptisch gegenüber den Vorschlägen. Burkaverbot und die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft schürten nur die Ängste gegenüber muslimischen Mitbürgern und lenkten von den wirklichen Themen ab, wird der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann zitiert.
Berthold Kohler (Samstags-FAZ) geht ein eingeschränktes Verbot der Burka nicht weit genug. Ganz sicher vor ihr und der Geisteshaltung, für die sie steht, sei man nur, wenn man sie nicht ins Land lasse, heißt es in seiner Leitglosse. Und für Michael Hanfeld (Samstags-FAZ) ist ein Burkaverbot sogar eine Fürsorgepflicht des Staates. Anders sieht es Alexander Haneke (Samstags-FAZ, Feuilleton), er fasst die verfassungsrechtlichen Argumente, die gegen ein umfassendes Vollverschleierungsverbot sprechen, zusammen. Jost Müller-Neuhof (Tsp) weist darauf hin, dass ein Burkaverbot auch eine desintegrative Wirkung haben kann, nämlich dann, wenn verschleierten Mädchen oder Frauen der Zugang zu Bildung verwehrt wird. Reinhard Müller (Montags-FAZ) fordert, dass zunächst einmal bestehende Verbote auch durchgesetzt werden.
Der Spiegel (Dietmar Hipp u.a.) gibt einen Überblick über Fälle, in den das Tragen eines Schleiers zu Problemen geführt hat. Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) erläutert, unter welchen Bedingungen der Arbeitgeber das Tragen eines Schleiers verbieten darf.
Berliner Erklärung – Doppelte Staatsbürgerschaft: Der Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin (Bündnis90/Die Grünen) befasst sich in einem Gastbeitrag auf spiegel.de anlässlich der Berliner Erklärung der Unionsinnenminister und der darin vorgesehenen Evaluation der doppelten Staatsbürgerschaft mit der Historie des Doppelpasses. Er unterstellt jenen, die sich gegen die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft aussprechen, mit rassistischen Ressentiments zu spielen. Detlef Esslinger (Samstags-SZ) bescheinigt den Innenministern, von der Vorstellung, dass Menschen ihre Wurzeln in mehr als einem Land haben, überfordert zu sein.
Berliner Erklärung – Vorratsdatenspeicherung: Laut netzpolitik.org (Markus Reuter) wollen die Unionsinnenminister den Anwendungsbereich der Vorratsdatenspeicherung auf Wohnungseinbrüche und Terrorfinanzierung ausdehnen. Außerdem sollen danach auch das BKA und die Verfassungsämter der Länder die Vorratsdatenspeicherung nutzen können und die Datenspeicherfrist soll auf sechs Monate verlängert werden.
Berliner Erklärung– Fußfessel: Ebenfalls in der Berliner Erklärung der Unionsinnenminister enthalten ist die Forderung nach dem Einsatz von elektronischen Fußfesseln für "Gefährder und verurteilte Extremisten", berichtet die Montags-SZ (Ronen Steinke).
Gesichtserkennung: Wie zeit.de berichtet, will Bundesinnenminister Thomas de Maizière Gesichtserkennungssoftware an Bahnhöfen und Flughäfen einsetzen. Dabei sollen Gesichter, die per Videoüberwachung erfasst werden, automatisch mit Aufnahmen in Gesichtsdatenbanken abgeglichen werden.
Jost Müller-Neuhof (Tsp) hält diesen Vorschlag grundsätzlich für sinnvoll, mahnt aber an, dass die Erfassungsrechte und die Löschpflichten genau geregelt sein müssten.
Asylrecht: Der frühere Finanzsenator von Berlin Thilo Sarrazin (SPD) fordert in einem Gastbeitrag in der Montags-FAZ (FAZ.net-Zusammenfassung) Änderungen im Asylrecht: So soll über ein Aufenthaltsrecht innerhalb von 30 Tagen entschieden werden, ohne dass ein Rechtsweg gegen diese Entscheidung gegeben ist. Bis zur Entscheidung sollen sich die Antragsteller ausschließlich in einer so genannten Transitzone aufhalten dürfen.
Anonymes Bezahlen: Die SPD will die gesetzlichen Voraussetzungen für ein anonymes Bezahlen im Internet schaffen, weiß Hendrik Wieduwilt in der Montags-FAZ. Kunden sollen einen Anspruch erhalten, im Internet bezahlen zu können, ohne ihren Namen angeben zu müssen.
Pauschalreiserichtlinie: Die Montags-FAZ (Timo Kotowski) befasst sich im Wirtschaftsteil mit der neuen Pauschalreiserichtlinie und deren Umsetzung. Am Dienstag findet im Bundesjustiz- und -verbraucherministerium eine Anhörung statt, bei der Branchenvertreter ihre Kritik an den vorgesehenen Regelungen deutlich machen wollen.
Justiz
BVerfG zur steuerrechtlichen Festsetzungsfrist: Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, in der es um den Beginn der Verjährungsfrist im Rahmen einer Außenprüfung ging. Das berichtet lto.de. Die Karlsruher Richter haben festgestellt, dass die vom Bundesfinanzhof vertretene Auslegung, wonach sich bei Außenprüfungen der Lauf der Festsetzungsfrist nur bei definitivem Unterbleiben der Schlussbesprechung nach dem Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlung richtet, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
EuGH zu Schadensersatz bei Diskriminierung: Rechtsanwältin Regina Steiner befasst sich in der Samstags-FAZ mit dem Schadensersatzanspruch bei einer Stellenausschreibung, die nicht geschlechtsneutral formuliert wurde. Der EuGH hatte jüngst entschieden, dass bei einer nicht ernst gemeinten Bewerbung ein Anspruch nicht entsteht.
AG Berlin-Tiergarten – Gina Lisa Lohfink: Angesichts der möglicherweise in dieser Woche bevorstehenden Entscheidung im Fall Gina Lisa Lohfink erläutert der Spiegel (Beate Lakotta), dass die zuständige Richterin ursprünglich von einem kurzen diskreten Verfahren ausgegangen sei. Das Verfahren sei jedoch dann zu einer Showveranstaltung geworden, in der sich die Angeklagte selbst inszeniert.
LG Duisburg – Loveparade: Vor dem Landgericht Duisburg sind vier Schadensersatzklagen gegen die Verantwortlichen der Tragödie bei der Loveparade von 2010 eingegangen, meldet spiegel.de. Die Klägerinnen haben nach eigenen Angaben wegen des Gedränges posttraumatische Belastungsstörungen erlitten. Dafür verlangen sie vom Veranstalter, der Stadt Duisburg und dem Land Nordrhein-Westfalen, Schmerzensgeld und Schadenersatz zwischen 34.000 und 73.000 Euro.
ArbG Düsseldorf zur Kündigung der Kammergeschäftsführerin: Die Kündigung der Hauptgeschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf war rechtswidrig, hat das Arbeitsgericht Düsseldorf festgestellt. Laut lto.de wurde ihr unter anderem vorgeworfen, Angestellte der Kammer als Schreibhilfen für Gutachten genutzt zu haben und außerdem sei es zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen. Im Laufe des Prozesses blieb jedoch nur der Vorwurf übrig, sie habe einmalig 10 Euro aus der Bürokasse entnommen, und dafür hätte eine Abmahnung genügt.
VerwG Köln – Bushido-Album: Wie die Samstags-SZ meldet, hat sich der Rapper Bushido gerichtlich gegen eine Indizierung seines Albums "Sonny Back" gewandt. Anfang September soll vor dem Verwaltungsgericht Köln eine mündliche Verhandlung stattfinden.
Recht in der Welt
USA – Entprivatisierung von Gefängnissen: Sowohl Samstags-FAZ (Andreas Ross) als auch Samstags-SZ (Hubert Wetzel) berichten über die in den USA geplante Justizreform, die vorsieht, weniger Gefangene in privaten Gefängnissen unterzubringen.
Türkei – Verhaftungen von Akademikern angekündigt: Im Zusammenhang mit dem Putsch im vergangenen Monat will die türkische Staatsanwaltschaft 146 Akademiker wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung verhaften lassen, meldet die taz.
Polen – Verbot "polnische Lager": Polen will die Verwendung des Begriffes "polnische Lager" für die auf polnischem Gebiet errichteten NS-Vernichtungslager verbieten. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll vom Parlament verabschiedet werden, heißt es in der Samstags-FAZ. Ein Verstoß soll mit Haftstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden können.
Frankreich – Laurent Fabius: Die Samstags-FAZ würdigt den 70. Geburtstag des Präsidenten des Conseil constitutionnel Laurent Fabius.
Türkei – Todesstrafe: In einem Gastbeitrag für die Samstags-FAZ fordert der Präsident des Europarates Thorbjörn Jagland ein Ende der Debatte über eine Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei. Die Wiedereinführung wäre ein rückwärtsgewandter, unethischer und isolierender Schritt.
USA – Uber: Im Verfahren um die Einstufung der Fahrer des Vermittlungsdienstes Uber als Angestellte oder Selbstständige hat jetzt ein kalifornischer Richter den im April geschlossenen Vergleich für ungültig erklärt, meldet die Samstags-FAZ (Britta Beeger). Uber hatte sich zur Zahlung von 100 Millionen Euro verpflichtet und sollte danach die in zwei Sammelklagen zusammengeschlossenen 385.000 Fahrer weiterhin als Selbstständige behandeln dürfen. Nach Ansicht des Richters war die Einigung jedoch für die Fahrer nicht fair und angemessen.
USA – Hinrichtung ausgesetzt: Die Hinrichtung von Jeffrey Wood in Texas ist laut spiegel.de vorerst gestoppt worden. Der Fall hatte in den USA eine Welle des Protestes ausgelöst. Jeffrey Wood ist geistig zurückgeblieben und hat zudem niemanden getötet. Seine Verurteilung beruht auf einem texanischen Gesetz, dass die Mittäterschaft sehr weit definiert.
Frankreich – Burkini-Verbot: Thomas Hochmann, Professor an der Universität Reims, befasst sich auf verfassungsblog.de noch einmal mit dem Burkini-Verbot in einigen französischen Küstenstädten. Seiner Ansicht nach gibt es keine Rechtfertigung für ein solches Verbot, insbesondere die für die Vollverschleierung geltenden Gründe, die vom Euopäischen Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt worden sind, würden hier nicht greifen.
Juristische Ausbildung
Arbeiten beim BAMF: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge greift zur Bewältigung der großen Zahl von Asylverfahren auf geprüfte Rechtskandidaten zurück, also auf Juristen, die nach dem ersten Staatsexamen auf ihren Referendardienst warten. Die Montags-SZ (Christine Kufer) hat eine der Anhörerinnen begleitet.
Sonstiges
Unternehmen vor Gericht: Wolfgang Janisch stellt in der Montags-SZ das Buch "Unternehmen vor Gericht" von Wolfgang Kaleck und Miriam Saage-Maaß vor. Es beschreibt, wie schwierig es ist, Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen weltweit durchzusetzen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. bis 22. August: Kulturzerstörung vor Gericht / Berliner Erklärung / BVerfG zu Steuerfristen . In: Legal Tribune Online, 22.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20345/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
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