Bayern will Schadenersatz, weil die VW-Vorzugsaktien des bayerischen Pensionsfond 40 Prozent ihres Wertes verloren haben. Außerdem in der Presseschau: BVerfG definiert Begründungsmaßstab für Schmähkritik und Schlegel wird neuer BSG-Präsident.
Thema des Tages
Bayern will VW verklagen: Der bayerische Finanzminister Markus Söder hat angekündigt, dass das Bundesland den VW-Konzern wegen des Dieselskandals auf Schadenersatz verklagen wird. Die entsprechende Klage soll im September eingereicht werden. Das berichten u.a. die SZ (Caspar Busse, Lisa Schnell), spiegel.de, FAZ (Rüdiger Köhn u.a.) und Hbl (Lukas Bay u.a.). Es geht um Verluste des bayerischen Pensionsfond für die Landesbediensteten, der im September 2015 insgesamt 58.000 Vorzugsaktion von VW hielt. Die Aktien hatten nach Bekanntwerden des Abgaskandals im vergangenen Jahr erheblich an Wert verloren, für die Bayern jetzt in Höhe von maximal 700.000 Euro entschädigt werden will. Laut faz.net kritisierte die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen den bayerischen Vorstoß umgehend. Während Millionen VW-Fahrer seit Monaten vergeblich auf Unterstützung von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hofften, eine angemessene Entschädigung wie in den USA zu bekommen, versuche der bayerische Finanzmister, seine Schäfchen ins Trockene zu bekommen, wird der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer zitiert.
Heribert Prantl (SZ) meint, dass bei der Klageankündigung auch ein gewisses Publicity-Interesse des bayerischen Finanzministers eine Rolle gespielt haben dürfte. Über die Kausalität der Aktienverluste ermittele ohnehin die BaFin und die Staatsanwaltschaft, so dass man hier hätte abwarten und gegebenenfalls später Klage einreichen können. Carsten Knop (FAZ) hält eine Klage dagegen für konsequent. Damit verhalte sich Bayern anders als Niedersachen, das als zweitgrößter Aktionär von VW nichts aus seiner privilegierten Position mache.
Rechtspolitik
Staatsbürgerschaftsrecht: Die taz (Christian Rath) hat sich von der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD Eva Högl bestätigen lassen, dass die Partei an der doppelten Staatsbürgschaft festhält. Die Union hatte jüngst gefordert, zur früheren Optionspflicht zurückzukehren. In einem separaten Kommentar warnt Rath in der taz vor der Forderung eines Entweder-Oder-Bekenntnisses, denn damit würden konservative Deutsch-Türken nur weiter in Erdogans Arme getrieben.
Bundeswehr im Inneren: In Bezug auf die aktuelle Diskussion um die Möglichkeiten, die Bundeswehr auch im Inland einzusetzen, gibt Manuel Ladigs auf lto.de einen Überblick zur geltenden Rechtslage und zeigt, wo im Gesetz die Lücken für Einsätze gegen den Terror liegen.
Bürokratieentlastungsgesetz: Die FAZ (Henrike Roßbach) stellt den Entwurf des zweiten Bürokratieentlastungsgesetzes vor, der am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen werden soll. Während beim ersten Bürokratientlastungsgesetz, das im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, Start-up-Unternehmen im Fokus gestanden hätten, ginge es jetzt insbesondere um kleine Betriebe mit zwei bis drei Mitarbeitern.
Justiz
BVerfG zu Schmähkritik: lto.de berichtet über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, in der es um die Bewertung von Äußerungen eines Rechtsanwalts als Schmähkritik ging. Der Strafverteidiger hatte gegenüber einem Journalisten eine Staatsanwältin u.a. als "dahergelaufen" und "geisteskrank" bezeichnet und wurde dafür wegen Beleidigung verurteilt. Das Bundesverfassungsgericht kritisierte jetzt in seiner Entscheidung, dass die dabei getroffene Einordnung der Äußerungen als Schmähkritik ohne ausreichende Begründung erfolgte und hat die Sache an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
Heribert Prantl (SZ) weist darauf hin, dass die Kritik an Amtspersonen in der Vergangenheit meist ohne lange Prüfung als Schmähkritik angesehen wurde, mit dem Ergebnis, dass keine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht stattgefunden habe. Nach der jetzt gefallenen Entscheidung sieht er hier eine Wende und prognostiziert dem betroffenen Rechtsanwalt einen Freispruch. Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) meint dagegen, dass hier selbst die Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zugunsten des Persönlichkeitsrechtes ausfallen und das Instanzgericht daher an einer Verurteilung festhalten dürfte.
OLG Düsseldorf – Edeka/Tengelmann: In einem Gastkommentar in der FAZ setzt sich Professor Daniel Zimmer, der bis vor kurzem der Monopolkommission vorsaß, mit der Entscheidung des OLG Düsseldorf zur Fusion von Kaiser’s/Tengelmann und Edeka auseinander. Er betont, dass es dabei nicht nur um die Frage der Befangenheit von Bundeswirtschaftsminister Gabriel, sondern auch um die Frage des Gemeinwohls eines solchen Zusammenschlusses ging. Er ist der Auffassung, dass es für das Gemeinwohl sinnvoller wäre, die Kaiser’s/Tengelmann-Fillialen regional differenziert an verschiedene Bewerber zu veräußern. Die FAZ vermeldet außerdem, dass die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses zum Thema beantragte hat.
Hendrik Wieduwilt hat sich den Beschluss des OLG Düsseldorf angeschaut, mit dem der "Tatbestandberichtigungsantrag" zurückgewiesen wurde und stellt im FAZ-Blog "Das letzte Wort" fest, dass die Richter wohl recht ungehalten gewesen sein müssen.
EuGH zum AGG-Hopping: Die Rechtsanwälte Burkard Göpfert und Thomas Meyerhans beleuchten in der FAZ noch einmal die Entscheidung des EuGH zum so genannten AGG-Hopping. Sie wünschen sich von der anstehenden BGH-Entscheidung eine Klarstellung, wann eine Bewerbung als nicht ernst gemeint gilt, mit dem Ergebnis, dass trotz diskriminierender Stellenausschreibung kein Anspruch auf eine Entschädigung besteht.
OLG München – NSU-Prozess: Vom letzten Verhandlungstag vor einer mehrwöchigen Pause berichten SZ (Tanjev Schultz) und taz (Konrad Litschko). Auf spiegel.de (Wiebke Ramm) geht es noch einmal um Zschäpes Taktik, Fragen nur schriftlich zu beantworten, und den Appell von Herbert Diemer an das Gericht, Fragen der Nebenklagevertreter zuzulassen.
BGH zum Bankenrecht: Der Bankensenat des BGH hat entschieden, dass einer Bank das Wissen ihres Prokuristen nicht zugerechnet werden kann, das dieser als Aufsichtsrat eines anderen Unternehmens erlangt hat. Das meldet die FAZ (Hendrik Wieduwilt)
OLG Naumburg zu Volksverhetzung: Das OLG Naumburg hat laut Welt (Dirk Banse u.a.) Hans Püschel, der in zahlreichen Äußerungen den Holocaust relativiert hat, vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen.
Rainer Schlegel wird neuer BSG-Präsident: Der bisherige Vizepräsident des Bundessozialgerichtes Rainer Schlegel soll auf den Präsidentenstuhl des Gerichtes wechseln und damit Peter Masuch nachfolgen. Das melden die FAZ (Reinhard Müller) und njw.de (Joachim Jahn). Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) porträtiert Schlegel ausführlich im Wirtschaftsteil.
Asylverfahren: Das Verwaltungsgericht Gießen ist für einen Ansturm von Asylklagen gerüstet – aber er kommt nicht, berichtet die FAZ (Eckart Lohse). Das Gericht nehme sogar am elektronischen Rechtsverkehr teil, so dass Akten vom Bundesamt für Migration nicht mehr in Papierform sondern rein elektronisch übersandt werden und dadurch die Verfahren beschleunigt werden können. Die Eingangszahlen blieben aber deutlich hinter den Prognosen des vergangenen Jahres zurück.
Fischer vs. Zastrow: In seiner zeit.de-Kolumne reagiert Bundesrichter Thomas Fischer auf einen Beitrag von Volker Zastrow in der letzten FAS, in dem sich dieser kritisch mit der Kolumne und deren Autor auseinandersetzte.
Recht in der Welt
Österreich – Bundespräsidentenwahl: In der FAZ (Stephan Löwenstein) wird noch einmal das Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zur Präsidentenwahl rekapituliert. In wenigen Tagen fängt in der Alpenrepublik erneut der Wahlkampf an.
Sonstiges
IT-Recht: Auf JuWissBlog.de fordert Xenofon Kontargyris in englischer Sprache ein Rechtssystem, das stärker als bisher auf die Ansprüche der Informationstechnologie reagieren kann. Erforderlich sei dabei ein Zusammenspiel zwischen technologieneutralem und technologiespezifischem Recht.
Erdogan-Medien: Die taz berichtet in eigener Sache, dass ihr rechtspolitischer Korrespondent Christian Rath in der türkischen staatlichen Nachrichtenagentur als Unterstützer Erdogans bezeichnet wird. Hintergrund ist ein kritischer Kommentar Raths zum Verbot des Bundesverfassungsgerichtes, eine Videobotschaft Erdogans im Rahmen der Großdemonstration am vergangenen Sonntag auf einer Leinwand zu zeigen. Er unterstütze selbstverständlich nicht Erdogan, sehr wohl aber das Selbstbestimmungsrecht von Demo-Veranstaltungen, wird Rath zitiert.
Korruptionsbekämpfungsgesetz: In einem Gastbeitrag in der FAZ weisen die Rechtsanwälte Jürgen Taschke und Florian Gero Kirstein darauf hin, dass mit dem Korruptionsbekämpfungsgesetz die Staatsanwaltschaften neue Instrumente an die Hand bekommen haben. Sie raten dazu, insbesondere die Vertriebsstrukturen im Ausland sorgfältig zu prüfen.
Das Letzte zum Schluss
Dumm gelaufen: Die Bildagentur Getty Images hat die Amerikanerin Carol M. Highsmith zur Zahlung von 120 Dollar wegen der unberechtigten Nutzung eines Bildes aufgefordert. Das Pikante daran: Carol M. Highsmith ist Fotografin und das in Frage stehende Bild stammt von ihr selbst – sie hatte es der kostenfreien Library of Congress gestiftet. Als Highsmith daraufhin die Datenbank von Getty Images durchschaute, musste sie feststelen, dass dort mehr als 18.000 ihrer Fotos kostenpflichtig vermarktet wurden – ohne ihr Wissen und damit ohne ihr Einverständnis. Wie spiegel.de berichtet, hat Highsmith den Spieß jetzt umgedreht und Getty Images auf Zahlung von einer Milliarde Dollar verklagt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 3. August 2016: Bayern will VW verklagen / BVerfG zu Schmähkritik / künftiger BSG-Präsident . In: Legal Tribune Online, 03.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20185/ (abgerufen am: 04.07.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag