Nacktkatzen haben fast kein Fell. Manche Rassen werden so gezüchtet, dass sie nicht mehr über die für Katzen wichtigen Tasthaare verfügen. Das ist Qualzucht, entschied das VG Berlin.
Die Zucht von Nacktkatzen ohne funktionsfähige Tasthaare ist als "Qualzucht" anzusehen und verstößt daher gegen das Tierschutzgesetz. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden (Urt. v. 23.09.2015, Az. VG 24 K 202.14).
Die Klägerin hält und züchtet Canadian-Sphinx-Katzen (sog. Nacktkatzen). Die Tiere haben aufgrund einer Genveränderung keine funktionsfähigen Tasthaare. Nach dem Tierschutzgesetz ist es verboten, Wirbeltiere zu züchten, wenn ihnen Körperteile für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder diese untauglich sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten. Zur Vermeidung der Zucht kann die zuständige Behörde das Unfruchtbarmachen von Wirbeltieren anordnen.
Das Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt des Bezirksamts Spandau untersagte der Klägerin auf dieser Grundlage die Zucht und forderte sie auf, den von ihr gehaltenen Kater "Willi" kastrieren zu lassen. Hiergegen wandte sich die Klägerin ohne Erfolg.
"Fehlen eines Sinnesorgans bewerte ich als Schaden"
Das VG wies die Klage ab, nachdem es zuvor ein tierfachärztliches Gutachten eingeholt und den Gutachter in der mündlichen Verhandlung befragt hat. Laut Gutachter können sich die Nacktkatzen wegen der fehlenden Tasthaare in der Dunkelheit verletzen. Nach dessen Ausführungen seien Tasthaare ein wichtiges Sinnesorgan, das der Orientierung und der Kommunikation der Katzen diene. "Das Fehlen eines Sinnesorgans bewerte ich als Schaden."
In der Natur kommen Nacktkatzen ohne Tasthaare wenn überhaupt nur aufgrund einer Genmutation vor. Die gezielte Zucht, die aus ästhetischen Vorlieben auf völlige Haarfreiheit abzielt, bewerteten die Richter als sogenannte "Qualzucht", bei der Merkmale, die mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen für die Tiere verbunden sind, gefördert werden. Sphinx-Katzen werden auch im Internet zum Kauf angeboten. Verkäufer verlangen bei Ebay-Kleinanzeigen derzeit bis zu 650 Euro für ein Jungtier.
Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg zugelassen.
acr/LTO-Redaktion
VG Berlin zur "Qualzucht": . In: Legal Tribune Online, 23.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16994 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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