Ein Gesteck aus weißen Rosen vor dem AG erinnert am Donnerstag an die Schreckenstat: Mitten im Sitzungssaal hatte tags zuvor ein Angeklagter einen jungen Staatsanwalt erschossen. Das Entsetzen ist groß. Ungehindert konnte der 54-Jährige die Pistole, die er illegal besaß, in den Saal bringen. Nun ist die Debatte um schärfere Sicherheitsvorkehrungen in Justizgebäuden neu entbrannt.
Eine Lösung, um derartige Übergriffe künftig zu unterbinden, ist nicht in Sicht. "Es war ein Verfahren, in dem kein Mensch damit rechnen kann, dass so eine brutale Straftat begangen werden kann", sagte die bayrische Justizministerin Beate Merk (CSU) wenige Stunden nach der Tat in Dachau. Gerichte könnten nicht in Trutzburgen verwandelt werden - es werde im Namen des Volkes Recht gesprochen, deshalb gehöre die Öffentlichkeit dazu.
Nicht zum ersten Mal wurde am Mittwoch ein Prozessbeteiligter im Gerichtssaal Opfer eines Anschlages. 2009 gab es gleich zwei Fälle: In Dresden ersticht ein Angeklagter eine Zeugin, in Landshut erschießt ein Mann seine Schwägerin. Nach der Bluttat von Landshut wurden die Sicherheitskonzepte in Bayern erneut überprüft. Die konkreten Schritte blieben den Gerichten überlassen. Am Amtsgericht (AG) Dachau gibt es eine Videokamera am Eingang, zudem waren zwei Justizbeamte im Gebäude.
In dem Verfahren ging es um Scheinselbstständigkeit und nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 44 000 Euro. Angeklagt war ein Dachauer Transportunternehmer, der 54-Jährige war zuvor nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Nach einem Schlaganfall war er gesundheitlich angeschlagen. Der Mann soll im Gerichtssaal ungehalten reagiert haben. Die "Süddeutsche Zeitung" (Donnerstag) zitiert einen Justizbeamten mit den Worten: "Ich hab's gewusst, dass was passieren wird. Der hat sich in der Verhandlung schon aufgeführt und war völlig uneinsichtig. Er hat sogar seine eigene Anwältin angeplärrt."
Kein Geld für Sicherheitspersonal
Der Dachauer Prozess war eine Routinesache ohne Anzeichen einer Gefährdung. Deshalb gab es keine Einlasskontrolle, und im Saal C, wo das Verbrechen geschah, waren keine Justizbeamten anwesend. Selbst an Landgerichten ist dies nur üblich, wenn der Angeklagte aus der Untersuchungshaft vorgeführt wird. "Es ist schon lange nicht mehr möglich, dass in jedem Sitzungssaal ein Wachtmeister ist", sagt Gerhard Zierl, Präsident des Münchner Amtsgerichts und fordert, Sicherheitsmaßnahmen sukzessive zu verbessern. "Das wird nicht ohne mehr Justizbeamte umsetzbar sein." Es mangele nicht an der Technik, eher am Geld: "Sicherheit ist eine sehr personalintensive Sache."
Es sei nicht möglich, eine Gerichtsverhandlung vollständig vor der Öffentlichkeit abzuschotten, sagte der Münchner Generalstaatsanwalt Christoph Strötz im Bayerischen Rundfunk. "Sozusagen in Geheimjustiz zu verhandeln, das wollen wir nicht, und diese Sicherheit werden wir nicht herstellen können."
Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft in Bayern hält trotz des Vorfalls generell verstärkte Kontrollen für überzogen. Schon kleine Maßnahmen wie etwa Abgabepflicht für Jacken und Taschen am Eingang brächten aber mehr Sicherheit, sagt ihr Landesvorsitzender Hermann Benker.
dpa/tko/LTO-Redaktion
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Sicherheit in Justizgebäuden: . In: Legal Tribune Online, 12.01.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5288 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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