Das Bundeskabinett hat den Weg für die Abschaffung des umstrittenen Paragrafen 219a StGB freigemacht, der die "Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft" verbietet. Ganz unreguliert bleibt die Werbung aber nicht.
§ 219a Strafgesetzbuch (StGB) soll nach einem Beschluss des Kabinetts der Bundesregierung aufgehoben werden. Verabredet hatten dies die Ampel-Partner bereits im Koalitionsvertrag. Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche unter den Voraussetzungen des § 218a Absatz 1 bis 3 des StGB vornehmen, müssen bisher u. a. mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen, wenn sie sachliche Informationen über den Ablauf und die Methoden des Schwangerschaftsabbruchs öffentlich bereitstellen, etwa auf ihrer Homepage. Sie sind auch gehindert, auf diese Weise bekanntzugeben, welche Methode des Schwangerschaftsabbruchs sie anbieten.
Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte, dass man mit der Aufhebung der Vorschrift nun "einen wichtigen Schritt für die Selbstbestimmung der Frauen in Deutschland" gehe. "Wir wollen, dass Frauen sich über Methoden und mögliche Risiken eines Schwangerschaftsabbruchs bestmöglich informieren können. Für einige Frauen führt der Weg direkt zur Ärztin oder zum Arzt ihres Vertrauens. Andere suchen erst eine Ärztin oder einen Arzt sowie Rat im Internet. Wir möchten, dass den Frauen in Deutschland beide Wege offenstehen."
Weiter betonte der Minister, dass es ein unhaltbarer Zustand sei, "dass ausgerechnet Ärztinnen und Ärzte, die selbst Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und damit am besten sachlich informieren können, nach der derzeitigen Rechtslage eine Strafverfolgung befürchten müssen, wenn sie Informationen zur Verfügung stellen". Das passe nicht in unsere Zeit, so Buschmann. Sachliche Information von Ärztinnen und Ärzten über einen Schwangerschaftsabbruch sollten daher nicht länger strafbar sein. Zugleich sei aber auch klar, dass gegen anpreisende und anstößige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche andere Rechtsnormen in Kraft blieben. Auch am geltenden Schutz ungeborenen Lebens ändere sich nichts.
Bundesjustizminister: "Niemand muss sich Sorgen machen"
Unterdessen sieht der Entwurf nicht nur die Streichung des Strafvorschrift vor. Vielmehr sollen begleitende Änderungen im Heilmittelwerbegesetz (HWG) gewährleisten, dass auch die Werbung für medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche zukünftig nur unter den strengen Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes erlaubt ist. Auch irreführende oder abstoßende Werbung für alle Arten von Schwangerschaftsabbrüchen blieben weiterhin verboten. Im ZDF sagte Buschmann: "Es muss sich niemand Sorgen machen. Wir haben sichergestellt, dass es keine Werbung für Schwangerschaftsabbrüche geben wird wie für Schokoriegel oder Reisen."
Strafrechtslehrer Prof. Dr. Michael Kubiciel nannte die flankierenden Änderungen im HWG gegenüber LTO sinnvoll und politisch klug. Damit habe das Ministerium die "Angriffsfläche" des Gesetzes erheblich verringert. Vor allem die Union hatte sich in der Vergangenheit immer wieder für den Erhalt von § 219a StGB eingesetzt.
Erleichtert dürften nun auch die bisher nach der Vorschrift verurteilten Ärztinnen und Ärzte sein: Eine neue Regelung im Einführungsgesetz zum StGB sieht vor, dass strafgerichtliche Urteile wegen Werbung für den Schwangerschaftsabbruch, die nach dem 3. Oktober 1990 ergangen sind, aufgehoben und die Verfahren eingestellt werden. Verurteilte Ärztinnen und Ärzte sollen von dem ihnen anhaftenden Strafmakel befreit werden, der sie mit Blick auf ihr Berufsethos besonders belastet.
Der am Mittwoch im Kabinett beschlossene Gesetzentwurf muss nun noch von Bundestag und Bundesrat beraten werden.
cp/hs/LTO-Redaktion
mit Material der dpa
Bundeskabinetts beschließt Streichung von § 219a StGB: . In: Legal Tribune Online, 09.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47776 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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