Über Jahre hinweg hatte ein suchterkrankter Pathologe falsche Diagnosen gestellt. Der Präsident der zuständigen Ärztekammer wusste davon, meldete das aber nicht an die Behörden. Nun musste das OLG entscheiden, wie es in dem Fall weitergeht.
Die Anklage gegen den Präsidenten der Ärztekammer Saarland unter anderem wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen wird nicht zugelassen. Das hat das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) entschieden und damit die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft Saarbrücken sowie einer Geschädigten gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens seitens des Landgerichts (LG) Saarbrücken verworfen, wie nun bekannt wurde (Beschl. v. 04.08.2023, Az. 1 Ws 28/23).
Ende Februar 2023 hatte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken dem Präsidenten der saarländischen Ärztekammer vorgeworfen, trotz Kenntnis von einer Suchterkrankung und Diagnosefehlern eines Pathologen die zuständige Approbationsbehörde (das Landesamt für Soziales) darüber nicht informiert zu haben. Entsprechend waren keine approbationsrechtlichen Maßnahmen ergriffen worden wie etwa der Entzug der Arztzulassung, obwohl mehrere suchtbedingte Fehlbefunde durch den Pathologen über mehrere Jahre dazu führten, dass unter anderem für Krebspatienten notwendige Behandlungen unterblieben.
Konkret lautete die Anklage auf versuchten Totschlag in zwei Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung in sechs Fällen, hiervon eine Körperverletzung mit Todesfolge, zwei schwere Körperverletzungen und zwei gefährliche Körperverletzungen durch Unterlassen, hiervon in vier Fällen in mittelbarer Täterschaft.
OLG: Präsident nicht für Unversehrtheit von Individuen verantwortlich
Das LG Saarbrücken hatte die Zulassung der Anklage bzw. die Eröffnung des Hauptverfahrens aber abgelehnt. Diese Entscheidung hat das OLG nun bestätigt, denn nach Auffassung der beiden Gerichte liegt schon kein hinreichender Tatverdacht für eine Strafbarkeit wegen Unterlassens vor.
Die Begründung: Ein möglicher Verstoß gegen die Pflichten gegenüber der Approbationsbehörde begründe de lege lata noch keine strafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 13 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB), so der 1. Strafsenat des OLG. Als Ärztekammerpräsident bestehe gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 Saarländisches Heilberufekammergesetz (SHKG) in Verbindung mit verfassungsrechtlicher Rechtsprechung lediglich eine Schutzpflicht für die ordnungsgemäße ärztliche Berufsausübung im Allgemeininteresse, nicht aber für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einzelner Patienten.
Eine Einstandspflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB ergebe sich auch nicht aus den landesrechtlichen Bestimmungen zu den Meldepflichten gegenüber der Approbationsbehörde (§ 3 Abs. 3 S. 2 SHKG), denn diese dienten nach dem gesetzgeberischen Willen nicht individuellen Patienteninteressen, so der Senat.
In seiner Auslegung sieht sich der Senat auch durch die politische Reaktion auf den Fall bekräftigt: Der Landesgesetzgeber habe erwogen, eine wesentlich strengere Regelung für die Zukunft zu erlassen, wie sie in übrigen Bundesländern bereits üblich sei.
Der Pathologe selbst war vor einigen Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt worden.
jb/LTO-Redaktion
OLG bestätigt Nichtzulassung der Anklage: . In: Legal Tribune Online, 09.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52439 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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