Die Wochenzeitung Kontext darf nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe über rechtsextreme Äußerungen eines Referenten für AfD-Landtagsabgeordnete berichten. Die Zeitung verbucht es als Sieg der Pressefreiheit.
Die Zeitung Kontext darf weiterhin über einen Mitarbeiter von zwei AfD-Landtagsabgeordneten namentlich berichten und ihm rassistische Äußerungen aus privaten Facebook-Protokollen zuordnen. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschied am Mittwoch, dass das Blatt den Namen des Mannes nennen, ihn als Autor "menschenverachtender, rassistischer und demokratiefeindlicher" Posts bezeichnen und aus den Protokollen zitieren darf (Urt. v. 13.02.2019, Az. 6 U 105/18). Dies hatte das Landgericht (LG) Mannheim dem Blatt im August vergangenen Jahres noch per einstweiliger Verfügung untersagt.
Kontext erscheint online und wird auch als Printbeilage der taz verbreitet. Im Mai 2018 berichtete das Blatt unter der Überschrift "'Sieg Heil' mit Smiley" über den beruflichen und politischen Werdegang des AfD-Mitarbeiters und späteren Klägers. Unter anderem behauptete das Blatt, der namentlich genannte Mann sei früher "NPD-Mitglied" gewesen. Dabei bezog es sich auf geleakte Facebook-Chats, aus denen eine rechtsextreme Gesinnung hervorging.
Der Mann hatte geltend gemacht, dass sein Facebook-Profil gehackt und manipuliert worden sei. Das hielt das Gericht aber für extrem unwahrscheinlich und hielt die Chats stattdessen für authentisch. Es sei überwiegend wahrscheinlich, "dass der Kläger sich in der zitierten Weise menschenverachtend, rassistisch und demokratiefeindlich geäußert hat und früher NPD-Mitglied gewesen ist, wie er dies gegenüber verschiedenen Chat-Partnern selbst angegeben hatte", so das OLG.
Etwaiger Rechtsbruch der Quelle unschädlich
Auch sei es zulässig, den Mann als früheres NPD-Mitglied zu bezeichnen und seinen Namen zu nennen: "Ohne Nennung des Namens wären viele Hundert Mitarbeiter des Landtags zu Unrecht in Verdacht geraten", so das Gericht. Das Interesse der Öffentlichkeit an Information habe zudem einen höheren Stellenwert als der Schutz der Vertrauenssphäre des Mannes.
Kontext waren die Chatprotokolle auf einem USB-Stick - ausgedruckt rund 17.000 Seiten - zugespielt worden. Im Mai 2018 waren dazu zwei Artikel erschienen. Die Zeitung selber hatte laut Gericht glaubhaft gemacht, den etwaigen Rechtsbruch nicht selbst begangen oder in Auftrag gegeben zu haben. Es spiele keine Rolle, ob die Protokolle von der Quelle der Zeitung auf nicht legalem Wege beschafft worden seien. "Die Berichterstattung ist deshalb nicht verboten", so das Gericht weiter.
"Ich freue mich wie Bolle", sagte Kontext-Chefredakteurin Susanne Stiefel im Anschluss an die Verkündung. Die Entscheidung sei von großer Bedeutung - nicht nur für die Zeitung selbst, "sondern für die gesamte Branche". Viele Journalisten hätten aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen bereits die Schere im Kopf, wenn sie sich mit der AfD beschäftigten.
Heiner Merz, neben Christina Baum einer der beiden AfD-Abgeordneten, für die der Referent arbeitet, wollte den Richterspruch und mögliche Konsequenzen daraus nicht weiter kommentieren. "Ich bin aber verwundert darüber, dass das OLG zu einem ganz anderen Urteil kommt, als die Vorinstanz." Baum war zunächst nicht zu erreichen.
In Mannheim war die Zeitung unterlegen und hatte sich nun vor dem OLG in allen Punkten durchgesetzt. Den Antrag des Anwaltes des Mannes auf Ausschluss der Öffentlichkeit hatte das Gericht schon während der mündlichen Verhandlung am Vormittag abgelehnt.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
OLG Karlsruhe zum Presserecht: . In: Legal Tribune Online, 13.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33845 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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