"Hier gilt die StVO" ist auf Schildern an vielen privaten Parkplätzen zu lesen. Aber das heißt nicht automatisch, dass die Vorfahrtsregel "rechts vor links" auch gilt, wie das OLG Frankfurt klarstellte.
Vorsicht bei der Parkplatzsuche: Wenn die Fahrgassen des Parkplatzes vorrangig der Parkplatzsuche dienen und nicht dem fließenden Verkehr, gilt die Vorfahrtsregel "rechts vor links" nicht. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Streit um einen Verkehrsunfall auf einem Baumarktparkplatz in Wiesbaden klargestellt. Vielmehr seien Fahrer verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem anderen Fahrer zu suchen, so das OLG (Urt. v. 22.06.2022, Az. 17 U 21/22).
Auf dem Parkplatz, auf dem der Betreiber die Geltung der Straßenverkehrsordnung (StVO) angeordnet hatte, war es zu einem Zusammenstoß zwischen zwei Fahrzeugen gekommen. Auf die zur Ausfahrt des Parkplatzgeländes führende Fahrgasse mündeten von rechts mehrere Fahrgassen ein. Sowohl in den seitlichen Fahrgassen als auch in der Ausfahrtsfahrgasse befanden sich Parkboxen. Der Kläger befuhr die Ausgangsfahrgasse, der Beklagte kam aus einer der rechten Fahrgassen. Im Einmündungsbereich der Fahrgassen kam es dann zum Knall. Das Landgericht hatte der Klage auf Basis einer Haftung des Beklagten in Höhe von 25 Prozent stattgegeben.
Fahrspuren haben keinen Straßencharakter
Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG die Haftungsquote nun auf 50 Prozent. Der Beklagte könne laut OLG nicht geltend machen, dass sein Vorfahrtsrecht verletzt wurde. Zwar seien die Regeln der StVO auf öffentlich zugänglichen Privatparkplätzen wie hier grundsätzlich anwendbar. Fahrgassen auf Parkplätzen seien jedoch keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen und gewährten deshalb keine Vorfahrt. "Kreuzen sich zwei dem Parkplatzsuchverkehr dienende Fahrgassen eines Parkplatzes..., gilt für die herannahenden Fahrzeugführer das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme..., d.h. jeder Fahrzeugführer ist verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem jemals anderen Fahrzeugführer zu suchen", unterstreicht das OLG.
Etwas Anderes gelte nur, wenn die angelegten Fahrspuren eindeutig und unmissverständlich Straßencharakter hätten und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergebe, dass sie nicht der Suche von freien Parkplätzen dienten, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Für einen solchen Straßencharakter könne laut OLG etwa die Breite der Fahrgassen sprechen oder auch bauliche Merkmale einer Straße wie Bürgersteige, Randstreifen oder Gräben.
Auf dem Parkplatz fehlten solche Merkmale aber. Da an den Fahrgassen jeweils Parkboxen angeordnet waren, dienten diese nach Auffassung des Gerichts ersichtlich nicht dem fließenden Verkehr. Da es am Straßencharakter auch für die vom Klägerfahrzeug befahrene Fahrgasse fehle, habe der Beklagte auch nicht die hohen Sorgfaltsanforderungen beim Einfahren auf eine Fahrbahn (§ 10 StVO) erfüllen müssen, entschied das OLG.
acr/LTO-Redaktion
OLG Frankfurt zu Verkehrsunfall: . In: Legal Tribune Online, 07.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48967 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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