Zwar gibt es in Deutschland inzwischen die Ehe für alle, doch das Abstammungsrecht wurde damit nicht angeglichen. Das OLG Celle hält das für verfassungswidrig und legt den Fall zweier Mütter dem BVerfG vor.
Das Oberlandesgericht (OLG) Celle legt einen Fall zur Anerkennung von zwei Müttern dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe vor (Beschl. v. 24.3.21, Az. 21 UF 146/20). Die Richter:innen halten es für verfassungswidrig, dass es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den Paragrafen zur Elternschaft keine Regelung für ein verheiratetes Frauen-Paar gibt, wie ein Gerichtssprecher am Mittwoch sagte.
In Karlsruhe müsse nun aus Sicht des 21. Zivilsenats eine konkrete Normenkontrolle erfolgen, im Fokus steht dabei der § 1592 BGB, der Regelungen für die Vaterschaft enthält. Das OLG Celle setzte das Verfahren aus. Eigentlich sollte es entscheiden, ob die einjährige Paula rechtlich zwei Mütter hat und diese in die Geburtsurkunde einzutragen sind.
Gesa Teichert-Akkermann (45) hatte das Mädchen im Februar 2020 nach einer anonymen Keimzellenspende zur Welt gebracht. Ihre langjährige Partnerin Verena Akkermann (48) könnte nach derzeitiger Rechtslage nur über eine Stiefkindadoption als Mutter anerkannt werden. Nach § 1592 BGB kann laut Pressemitteilung nämlich nur Vätern die Elternschaft von Gesetzeswegen mit anerkannt werden, eine Regelung über eine "Mit-Mutter" fehlt.
Anwältin: "Etappensieg im Kampf um Gleichberechtigung"
Mit seiner Entscheidung setzt sich der Senat auch ausdrücklich von der Einschätzung des Bundesgerichtshof (BGH) ab. Im Gegensatz zur Auffassung des BGH gehen die Richter:innen des 21. Zivilsenats des OLG davon aus, dass die fehlende gesetzliche Regelung einer "Mit-Mutterschaft" die mit der Mutter verheiratete Antragstellerin in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Grundgesetz) verletzt.
Nach Überzeugung des 21. Zivilsenats verletzt dies nicht nur das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht von Akkermann ,sondern auch das Grundrecht des betroffenen Kindes auf Gewährleistung von Pflege und Erziehung durch seine Eltern. Laut Pressemitteilung hat der Senat seine Erwägungen so zusammengefasst: "Wie für leibliche Eltern gilt auch für Wunscheltern, dass gerade ihnen das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person, auch den Spendereltern".
"Dass der Fall von Familie Akkermann nach Karlsruhe kommt, ist ein bedeutender Etappen-Sieg im Kampf um die Gleichberechtigung von Regenbogenfamilien", sagte die Rechtsanwältin des Paares, Lucy Chebout. Auch andere queere Familien haben Gerichtsverfahren angestrengt. Dem OLG-Sprecher zufolge handelt es sich um die erste konkrete Normenkontrolle im Fall eines gleichgeschlechtlichen Paares beim Bundesverfassungsgericht.
Der Senat sieht eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht des Gesetzgebers, die Elternstellung für "Mit-Eltern" gesetzlich zu begründen und näher auszugestalten. Die Richter:innen weisen abschließend darauf hin, dass sich vergleichbare Fragen auch im Fall einer gleichgeschlechtlichen Ehe von zwei Männern stellen, die in dem vorliegenden Verfahren aber nicht zu bewerten waren.
Erst kürzlich hat der Berliner Senat eine Bundesratsinitiative gestartet, um verheiratete lesbische Paare mit heterosexuellen verheirateten Paaren gleichzustellen und Kindern so zwei rechtliche Mütter von Geburt an die Seite zu stellen.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
*Anm. d. Red. Zunächst hieß es hier "GG" gemeint ist natürlich das BGB
OLG Celle legt BVerfG vor: . In: Legal Tribune Online, 24.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44578 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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