Der mittlerweile freigesprochene Arzt, der Plätze auf Wartelisten für Organspenden manipulierte, verlangt vom Land Niedersachsen eine hohe Entschädigung - und seine Chancen stehen gut, ließ das OLG durchblicken.
8.500 Euro hat der im Rahmen des Göttinger Transplantationsskandals freigesprochene Chirurg bisher erhalten. Nach fast einjähriger Untersuchungshaft fordert er jedoch nach wie vor insgesamt rund 1,2 Millionen Euro. Vom Landgericht (LG) Braunschweig wurde das Land Niedersachsen vor gut einem Jahr zwar zu entsprechender Zahlung verurteilt (Urt. v. 13.9.2019, Az. 7 O 3677/18). Das Land aber zog in die nächste Instanz.
Am Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig begann nun am Montag die Berufungsverhandlung in dem Schadensersatzprozess (Az.: 11 U 149/19). Ein früherer Termin hatte wegen der Corona-Pandemie verschoben werden müssen. Bereits zu Beginn der Verhandlung zeichnete sich ab, dass die Chancen des Landes, der Zahlung zu entgehen, nicht gut stehen. Das OLG halte die Berufung des Landes Niedersachsen im Wesentlichen für unbegründet, ließ die Vorsitzende Richterin durchblicken.
Der freigesprochene Chirurg war 2015 in einem bundesweit aufsehenerregenden Prozess vom Landgericht Göttingen vom Vorwurf des elffachen versuchten Totschlags und der dreifachen Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen worden (Urt. v. 6.5.2015, Az. 6 Ks 4/13). Der Freispruch wurde vom Bundesgerichtshof bestätigt (Urt. v. 28.6.2017, Az. 5 StR 20/16). Der Mediziner hatte durch falsche Angaben einige Patienten auf der Warteliste für Organspenden gezielt nach vorne gebracht.
Seine Forderung nach der Millionen-Entschädigung begründet der Arzt nicht nur mit der fast einjährigen U-Haft und einer hinterlegten Kaution in Höhe von 500.000 Euro. Es geht ihm auch um entgangenes Gehalt in Höhe von 50.000 US-Dollar pro Monat in Jordanien, wo er eigentlich eine neue Stelle antreten wollte. Die Braunschweiger Zivilkammer sah es im Urteil vom September 2019 als erwiesen an, dass der Arzt einen solchen Verdienstausfall wegen der U-Haft erlitten hat.
Der Organspendeskandal an der Göttinger Uniklinik hatte 2012 weitreichende Folgen. An mehreren deutschen Kliniken wurden daraufhin Manipulationen aufgedeckt, wodurch das Vertrauen in die Transplantationsmedizin nachhaltig erschüttert wurde.
dpa/ast/LTO-Redaktion
Berufung im Göttinger Organspendeskandal: . In: Legal Tribune Online, 05.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43004 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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