Eine Existenzbedrohung für gewerbliche Mieter durch Corona-bedingte Schließungen müsse nicht im Einzefall festgestellt werden, so das KG. Die Nachteile seien vielmehr solidarisch von beiden Parteien zu tragen.
In einem Berufungsverfahren hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts (KG) entschieden, dass die Gewerbemiete für die Zeit während staatlich angeordneter Schließungen herabzusetzen ist (Urt. v. 01.04.2021, Az. 8 U 1099/20). Das gelte generell, eine konkrete Existenzbedrohung des Mieters im Einzelfall müsse nicht nachgewiesen werden.
Der Fall vor dem Berliner Gericht: Der Eigentümer einer Spielhalle forderte von seinem Mieter, der die Gewerbemiete nur teilweise überwiesen hatte, die Zahlung des restlichen Betrags für die Monate April und Mai 2020. Hiergegen wehrte sich der Mieter im Wege der Widerklage. Nachdem das erstinstanzliche Landgericht (LG) Berlin diese noch abgewiesen hatte (Urt. v. 14.08.2020, Az. 34 O 107/20), hat das KG jetzt zugunsten des Mieters entschieden: Die vertraglich vereinbarte Miete zwischen Halleneigentümer und gewerblichen Mieter sei um 50 Prozent zu reduzieren.
Grund hierfür sieht das Gericht in der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Argumentation der Richterinnen und Richter: Der Mieter habe die Räumlichkeiten seit Ausbruch der Pandemie überhaupt nicht mehr in der vertraglich vorgesehenen Weise nutzen können. Als die Parteien den Mietvertrag geschlossen hatten, sei die Covid-19-Pandemie indes noch weit entfernt gewesen. Beide Parteien hätten sich also zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorstellen können, dass es zu einer weitgehenden Stilllegung des öffentlichen Lebens durch staatliche Beschränkungen kommen könnte. Es ist nach Auffassung des KG also naheliegend, dass die Parteien in Kenntnis der mit der Pandemie verbundenen Konsequenzen den Vertrag so nicht geschlossen hätten.
Das Berliner Gericht betonte, dass die staatlichen Maßnahmen gerade kein normales vertragliches Risiko darstellten. Ein solcher potenziell existenzgefährdender Eingriff liege dabei außerhalb der Verantwortungssphären von Mietern und Vermietern. Daher sei es auch keiner Partei zumutbar, das Risiko alleine tragen zu müssen. Vielmehr sollen die Nachteile nach Ansicht des Gerichts von beiden Parteien solidarisch getragen werden.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision zum Bundesgerichtshof ist nach Zustellung des Urteils möglich. Die Risikoverteilung bewerten diverse OLG nämlich unterschiedlich.
jb/LTO-Redaktion
Kammergericht zu Corona-Schließungen: . In: Legal Tribune Online, 16.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44741 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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