Wie der Antwort auf eine Anfrage der Grünen zu entnehmen ist, plant die Bundesregierung wohl keine neuen Maßnahmen zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Netz. Die bestehende Gesetzeslage reiche aus.
Die Bundesregierung hat auf eine umfassende Anfrage der Fraktion der Grünen zum Umgang mit zunehmenden Hassreden und strafbarer Meinungsäußerung in sozialen Netzwerken geantwortet. Aus den Reaktionen auf die rund 70 Fragen geht hervor, dass die große Koalition die bestehende Rechtslage für ausreichend hält, um Hasskommentare effektiv bekämpfen zu können. Insbesondere will sie die Möglichkeit der Anonymität im Netz nicht abschaffen.
Die Grünen selbst sehen zwar ebenfalls keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Es gebe aber gleichzeitig "offensichtliche, ganz erhebliche Defizite bei der Umsetzung des geltenden Rechts" lässt die Fraktion wissen. Dies betreffe konkret die Löschung solcher Inhalte und die effektive Strafverfolgung.
Auch die Bundesregierung findet, dass die bisherigen Bemühungen mancher Plattformanbieter, gegen Hate Speech vorzugehen, oftmals bei Weitem nicht ausreichten. Deswegen setze man sich "mit Nachdruck dafür ein", dass Anbieter eine schnelle und effektive Bearbeitung von Hinweisen auf rechtswidrige Inhalte sicherstellen, um solche Inhalte schneller zu erkennen und sachgerecht bewerten und löschen zu können, heißt es in der Antwort.
Regierung verfolgt "mehrdimensionale Strategie"
Erkenntnisse darüber, wie viele Hass-Posts täglich bei den Betreibern von Facebook, Twitter, Youtube oder Google+ eingehen, hat die Bundesregierung nicht. Sie verweist aber auf "belastbare Zahlen" über Hassinhalte aus einem Monitoring des Portals jugendschutz.net für das Jahr 2014. Demnach seien in mehr als 1.560 Fällen Verstöße registriert worden. Für das Jahr 2015 rechne man mit einer erheblichen Steigerung.
Auf die Frage, ob die Bundesregierung es nicht für eine Selbstverständlichkeit halte, dass Facebook im Zuge der von Justizminister Heiko Maas (SPD) initiierten "Task Force" zu Hate Speech erklärt habe, sich nicht nur an die eigenen Nutzungsbestimmungen, sondern auch an deutsches Recht halten zu wollen, entgegnet diese lediglich, mit den Ergebnissen der Gespräche mit Facebook zufrieden zu sein.
Welchen Plan zur Bekämpfung die Regierung konkret verfolgt, wird aus dem Fragen- und Antwortenkatalog nicht ersichtlich. Man setze auf eine mehrdimensionale Strategie, heißt es. Dazu gehörten die Ahndung strafbarer Äußerungen durch die Strafverfolgungsbehörden, gemeinsame Initiativen mit Plattformbetreibern, die Förderung von Stellen, die Hassreden systematisch recherchieren und die "Aktivierung" von Nutzern, die Stellung gegen solche beziehen. Ein "Notice and Takedown"- Verfahren könne am besten auf europäischer Ebene umgesetzt werden – eine nationale Regelung will die Bundesregierung daher nicht schaffen.
Keine Zahlen zur Arbeit der Strafverfolgungsbehörden
Ob sie die Ansicht der Grünen auch dahingehend teilt, dass es an einer effektiven Strafverfolgung derzeit mangelt, bleibt offen. Hierauf gerichtete Fragen werden nur knapp mit dem Hinweis beantwortet, dass der Bundesregierung keine Statistiken über erfolgte Verurteilungen oder personellen wie auch wie technischen Kapazitäten der Strafverfolgungsbehörden vorlägen. Schließlich sei die Strafverfolgung Ländersache.
Überlegungen, die anonymisierte und pseudonymisierte Nutzung von Social Media einzuschränken, lehnt die Bundesregierung in ihrer Antwort zwar nicht ausdrücklich ab. Sie weist jedoch darauf hin, dass hierdurch der Schutzbereich der Meinungsfreiheit der Nutzer tangiert würde. Die Folge wäre, dass der Einzelne aus Furcht vor Konsequenzen davon absehen würde, seine Meinung zu äußern.
una/LTO-Redaktion
Ulf Nadarzinski, Umgang mit Hate Speech im Social Web: . In: Legal Tribune Online, 30.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18917 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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