Kernstück der Cannabis-Entkriminalisierung sollen sogenannte Cannabis-Clubs sein. Nach einem ersten Gesetzentwurf sind für die Anbauvereine strenge Regeln geplant - aus den Fraktionen kommt entsprechende Kritik.
Wer im Zuge der Cannabis-Legalisierung in Deutschland einen sogenannten Cannabis-Club gründen will, muss sich auf strenge Regularien einstellen. Wie aus dem innerhalb der Regierung noch nicht abgestimmten Referentenentwurf eines Cannabisabgabegesetzes von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hervorgeht, sollen die Clubs reine "Anbauvereinigungen" sein. Gemütliches Kiffen in den Räumlichkeiten wäre dagegen streng verboten. Und auch im Umkreis von 250 Metern zu den Vereinsräumlichkeiten soll kein Cannabis konsumiert werden dürfen. Anbau, Abgabe, Vereinsmitgliedschaft und Organisation der Räumlichkeiten sollen laut dem Entwurf, der der Nachtrichtenagentur dpa vorliegt, zudem streng reguliert werden.
Da der Referentenentwurf noch in der regierungsinternen Abstimmung ist, kann sich daran in den kommenden Wochen und Monaten aber noch einiges ändern. So dürften sich spätestens in den Beratungen im Bundestag wohl noch Modifikationen ergeben.
"Bürokratische Hürden dürfen nicht zu hoch sein"
Aus den Bundestagsfraktionen der Ampel kamen jedenfalls am Montag bereits deutliche Vorbehalte gegenüber und Kritik an Lauterbachs Aufschlag. So äußerten vor allem Grüne und FDP im Gespräch mit LTO Zweifel daran an, ob eine derart massive Regulierung der Cannabis-Vereine überhaupt dem Ziel des Vorhabens zweckdienlich ist: "Die bürokratischen Hürden für die Cannabis Clubs dürfen nicht zu hoch sein. Es muss praktikabel bleiben, um das Ziel zu erreichen, legale Alternativen zum Schwarzmarkt zu schaffen, um Jugend- und Gesundheitsschutz besser durchzusetzen", sagte die für das Thema in der grünen Bundestagsfraktion zuständige Gesundheitpolitkerin Kiristen Kappert-Gonther.
Ihre Fraktionskollegin, die Rechtspolitikerin Canan Bayram, ergänzte: "In Cannabis Social Clubs gemeinschaftlichen Anbau zu ermöglichen, halte ich für interessant, und diese müssen mit Blick auf Jugend- und Gesundheitsschutz gewisse Auflagen erfüllen. Dafür sollten die gesetzlichen Anforderungen aber nicht so kompliziert sein, dass sie faktisch kaum erfüllbar werden und damit Interessierte von der potenziellen Mitgliedschaft abschrecken, da diese Angst haben müssten, der Strafverfolgung ausgesetzt bzw. kriminalisiert zu werden."
Erweist Lauterbach dem Jugend- und Gesundheitsschutz einen "Bärendienst"?
Auch die Sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Kristine Lütke, kritisierte gegenüber LTO den Entwurf: "Cannabis Clubs dürfen nicht einer Überregulierung zum Opfer fallen. Die Clubs müssen keinem Hochsicherheitstrakt im Gefängnis gleichen, das steht in keinem Verhältnis. Auch eine überbordende Dokumentationspflicht erweist dem Jugend- und Gesundheitsschutz einen Bärendienst und muss dringend verhindert werden." Durch Überregulierung explodiere ansonsten entweder der Preis für legales Cannabis oder Clubs gründeten sich erst gar nicht, weil bürokratische Hürden schlicht zu hoch sei. "In beiden Fällen freut sich der Dealer ums Eck und der Schwarzmarkt wird befeuert", so Lütke.
Sie befürchtet zudem, dass Lauterbachs Gesetzentwurf das Ziel verfehlt, "für echten Jugend-, Gesundheits-, und Verbraucherschutz" zu sorgen. "Wir brauchen wohldosierte und zielgerichtete Regulierungen, um den Jugendschutz insgesamt zu stärken und die Clubs zu einem echten Game-Changer im Kampf gegen den Schwarzmarkt zu machen", so die Abgeordnete.
Lauterbachs Parteifreundin, die SPD-Rechtspolitkerin Carmen Wegge, zeigte sich unterdessen für Änderungen am Gesetzentwurf offen: "Gerade wir als Sozialdemokraten haben die Einrichtung von Vereinen mit sozialem Charakter zur Abgabe von Cannabis als zentralen Bestandteil der Legalisierung immer heraus gestellt. Über die Details werden wir beraten, sobald der Entwurf aus den Ressorts final abgestimmt ist und uns offiziell vorliegt", so die Abgeordnete zu LTO. Mit der Einführung von Cannabis Social Clubs im Rahmen der 1. Säule des Cannabisabgabegesetzes wolle man jedenfalls eine sichere und verantwortungsvolle Grundlage schaffen, "die den Bereichen Jugend - und Gesundheitsschutz gerecht werden wird".
Sichtschutz für Gewächshäuser und Mindesatabstand zu Kitas
Der Entwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium enthält laut dpa etliche Regelungen, nach denen Räume und Grundstücke der Cannabis-Clubs, in oder auf denen die Droge gelagert und angebaut wird, umzäunt und gesichert werden müssen, etwa mit einbruchsicheren Türen und Fenstern. Gewächshäuser brauchen demnach einen Sichtschutz. Zudem sollen die Länder Mindestabstände der Clubs zu Schulen, Spielplätzen, Sportstätten, Kitas und anderen Einrichtungen festlegen können.
Daneben soll jeder Cannabis-Verein ein Gesundheits- und Jugendschutzkonzept erstellen und einen Sucht- und Präventionsbeauftragten benennen müssen, der sich schulen lassen und regelmäßige Auffrischungsschulungen durchführen muss. Vorstandsmitglieder des Clubs, die im Vereinsregister eingetragen sind, müssen zudem ein Führungszeugnis vorlegen.
Die Clubs müssen des weiteren sicherstellen, dass Grenzwerte für Pflanzenschutz- oder Düngemittelrückstände eingehalten werden, heißt es im Entwurf. Sie sollen fortlaufend dokumentieren, woher sie Samen beziehen, wie viele Pflanzen sie anbauen und welche Samen sie lagern und an welche Mitglieder sie wie viel Cannabis abgegeben haben.
Zudem sollen die Clubs jährlich an die Behörden übermitteln, wie viel Cannabis mit welchem Wirkstoffgehalt (THC und CBD) im vergangenen Jahr erzeugt, abgegeben oder vernichtet wurde und wie der aktuelle Bestand ist.
Cannabis kommt mit Beipackzettel
Wie bereits bekannt war, legt der Entwurf außerdem fest, dass maximal 50 Gramm im Monat an Mitglieder ausgegeben werden dürfen. Das Cannabis muss dabei in einer "neutralen Verpackung oder unverpackt" übergeben werden, damit es für Jugendliche keine "Konsumanreize" gibt. Zusätzlich soll ein Beipackzettel mit Gewicht, Erntedatum, Mindesthaltbarkeitsdatum, Sorte sowie Wirkstoffgehalt (THC und CBD) in Prozent Pflicht sein.
Im dem Gesetzentwurf sind auch Regelungen für den Konsum in der Öffentlichkeit festgehalten: Auch wenn Cannabis grundsätzlich legalisiert werden soll, bleibt Kiffen im Umkreis von 250 Metern von Schulen, Kitas, Spielplätzen, Jugendeinrichtungen oder Sportstätten verboten. Auch in Fußgängerzonen soll zwischen 7 und 20 Uhr kein Konsum erlaubt sein.
Für alle unter 18 bleibt die Droge tabu. Der Entwurf sieht vor, dass Jugendämter bei Verstößen die Teilnahme an "Frühinterventionsprogrammen" anordnen können. Auch der Zutritt zu den Cannabis-Clubs bleibt Jugendlichen verwehrt. Wer über 18 und unter 21 und Mitglied ist, darf nur Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt (THC) von maximal zehn Prozent bekommen und maximal 30 Gramm pro Monat.
Eine innerhalb der Cannabis-Community erhoffte Erleichterung für Autofahrer enthält der Gesetzesentwurf nicht. Das Verkehrsministerium sieht keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, den zulässigen THC-Grenzwert heraufzusetzen. Auch das hatten Abgeordnete der Ampelfraktionen gegenüber LTO bereits scharf kritisiert.
Verkaufs-Modellprojekte erst nach grünem Licht von der EU?
Bereits bekannt war, dass die Anzahl der Mitglieder der Clubs auf jeweils 500 begrenzt werden soll und niemand in mehr als einem solchen Verein Mitglied sein darf. Es bleibt im Gesetzentwurf auch dabei, dass grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis und der Anbau von maximal drei Pflanzen zum Eigenbedarf erlaubt werden sollen. Ein freier Verkauf in speziellen Läden, wie ursprünglich beabsichtigt, ist zunächst vom Tisch. Geplant ist, dies über ein weiteres Gesetz später zunächst in einigen Kommunen als Pilotprojekt zu erproben.
Ob derartige Modellprojekte wegen einer möglichen Kollision mit Europarecht möglicherweise jedoch der Zustimmung der EU-Kommission bedürfen, ist noch offen. Lauterbach geht offenbar davon aus: "Der Gesetzesentwurf zu den regionalen Modellvorhaben (Säule 2) ist voraussichtlich im Rahmen eines Notifizierungsverfahrens mit der Europäischen Kommission und den EU-Mitgliedstaaten abzustimmen", heißt es auf der Webseite des Gesundheitsministeriums.
Gesundheitsminister Lauterbach hatte seinen Entwurf Ende April in die interne Abstimmung mit den anderen Ministerien gegeben. Sobald diese abgeschlossen ist, werden üblicherweise die mit dem Thema befassten Verbände informiert und angehört. Dann folgt ein Beschluss des Bundeskabinetts und das Vorhaben kann zur Beratung in den Bundestag gehen. Der Bundesrat muss den Plänen zufolge nicht zustimmen. Die Pro-Cannabis-Vertreter in der Ampel-Koalition hoffen, dass die Legalisierung noch dieses Jahr umgesetzt wird.
Heftigen Widerstand haben allerdings die unionsgeführten Bundesländer angekündigt. Gut möglich, dass sie wegen Aufgaben, die im Gesetzentwurf den Ländern zugewiesen sind, auf die Zustimmungspflicht des Bundesrates pochen werden.
Mit Material von dpa
Ampel-Fraktionen üben Kritik an Lauterbachs Gesetzentwurf: . In: Legal Tribune Online, 08.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51715 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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