Nach Auffassung des BGH kann seinen Geschlechtsbegriff im Personenstandsgesetz nicht ändern, wer nur "gefühlte" Intersexualiät spürt. Ob es auch ohne medizinische Gutachten geht, soll nun das BVerfG entscheiden.
Die vor eineinhalb Jahren eingeführte dritte Geschlechtsbezeichnung für intersexuelle Menschen wird erneut zum Fall für das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) geht in Karlsruhe gegen einen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vor, den sie als diskriminierend empfindet.
Der gemeinnützige Verein will durchsetzen, dass Menschen einen unzutreffenden Geschlechtseintrag auch ohne ärztliche oder psychologische Begutachtung ändern lassen können. Das ist bisher nicht möglich. Die Verfassungsbeschwerde sei am Montag beim Gericht eingereicht worden, teilte die GFF am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur mit.
Seit Ende 2018 können Menschen, die weder eindeutig männlich noch weiblich sind, sich im Geburtenregister als "divers" eintragen lassen. Vorher war es nur möglich, das Geschlecht offenzulassen. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2017 entschieden, dass es neben "männlich" und "weiblich" eine dritte Option geben muss. Zur nachträglichen Änderung des Eintrags berechtigt sind laut Gesetz "Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung". Das muss in der Regel mit einer ärztlichen Bescheinigung nachgewiesen werden. Die Möglichkeit ist also von körperlichen Merkmalen abhängig.
In dem Fall hatten die BGH-Richter letztinstanzlich eine Streichung des Geschlechtseintrags abgelehnt. Die in dem BGH-Verfahren streitende Lann Hornscheidt ist als weiblich registriert, identifiziert sich aber weder als Frau noch als Mann. Laut BGH steht das neue Verfahren aber "Personen mit lediglich empfundener Intersexualität" nicht offen. Die Richter verwiesen Hornscheidt deshalb auf einen Antrag nach dem Transsexuellengesetz. Damit müsste sich Hornscheidt auch medizinischen Untersuchungen unterziehen.
Das dort vorgesehene Verfahren hält die GFF für deutlich nachteiliger. So müssten zwei psychologische Gutachten vorgelegt werden. Jeder Mensch müsse einen falschen Geschlechtseintrag korrigieren können, sagte GFF-Verfahrenskoordinatorin Lea Beckmann – "und zwar selbstbestimmt und unabhängig davon, wie sein Körper beschaffen ist". Mit der Verfassungsbeschwerde soll erreicht werden, dass künftig die eigene Erklärung reicht, ohne medizinische Nachweise.
dpa/acr/LTO-Redaktion
GFF reicht Verfassungsbeschwerde ein: . In: Legal Tribune Online, 16.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41910 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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