Das BVerfG hat in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschieden, dass die Bezeichnung einer Kanzlei als "Winkeladvokatur" nicht in jedem Fall als beleidigende Schmähkritik einzuordnen ist. Je nach den Umständen könne es sich auch um eine von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerung handeln.
In einem Streit zwischen zwei Rechtsanwälten hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kürzlich entschieden, dass die Bezeichnung eines Anwaltskollegen als "Winkeladvokat", beziehungsweise die Bezeichnung seiner Kanzlei als "Winkeladvokatur", zwar grundsätzlich ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellt. Allerdings handelt es sich nach Ansicht der Karlsruher Richter nur dann um eine nicht hinzunehmende Schmähkritik, wenn es dem Äußernden gerade um die Diffamierung der Person gehe. Habe die Äußerung dagegen einen Sachbezug, so könne sie von der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit gedeckt sein.
Im konkreten Fall hatte ein Anwalt eine andere Kanzlei in einem Schreiben an die Rechtsanwaltskammer als "Winkeladvokatur" bezeichnet. Hintergrund war, dass die Kanzlei nach Ansicht des Anwalts in der Außendarstellung nicht eindeutig klarstelle, ob es sich um eine Sozietät oder lediglich um eine Kooperation von Anwälten handele. "Ich gehe davon aus, dass es nicht unsachlich ist, eine solche geschickte Verpackung der eigenen Kanzlei - mal als Kooperation, mal als Sozietät (wie es gerade günstig ist) - als 'Winkeladvokatur' zu apostrophieren", hieß es in dem Schreiben. Hierin sah einer der betroffenen Rechtsanwälte eine beleidigende Schmähkritik und klagte gegen den Anwalt auf Unterlassung.
Während die Vorinstanzen dem Kläger noch Recht gaben, war das BVerfG nicht überzeugt und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück an das Oberlandesgericht (OLG) Köln. Grund: Die Äußerung tangiere nur die berufliche Ehre - und somit lediglich die Sozialspähre - des Betroffenen, weise sachlichen Bezug auf und sei zunächst nur gegenüber der Rechtsanwaltskammer und im Rahmen eines Zivilprozesses geäußert worden. Es müsse erneut eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des betroffenen Anwalts und der Meinungsfreiheit des äußernden Anwalts vorgenommen werden. Die bloße "Unangemessenheit" und "Unnötigkeit" einer solchen Äußerung reiche nicht für eine Verurteilung zur Unterlassung. Ein solches Urteil habe nicht den Zweck, die sachliche Richtigkeit oder Angemessenheit einer Meinungsäußerung in dem Sinne zu gewährleisten, "dass zur Wahrung allgemeiner Höflichkeitsformen überspitzte Formulierungen ausgeschlossen werden" (Beschl. v. 02.07.2013, Az. 1 BvR 1751/12).
mbr/LTO-Redaktion
BVerfG zur Meinungsfreiheit: . In: Legal Tribune Online, 09.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9324 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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