Änderungen im Bier-, Einkommens- und Körperschaftssteuergesetz sind verfassungswidrig. Und zwar seit 15 und 20 Jahren*. Schuld daran ist eine Kompetenzüberschreitung der damals tätigen Vermittlungsausschüsse, so das BVerfG.
Im Jahre 2004 vorgenommene Änderungen des Biersteuergesetzes und des Einkommensteuergesetzes sowie 1999 vorgenommene Änderungen des Körperschaftsteuergesetzes sind verfassungswidrig. Grund sind in beiden Fällen Mängel bei der Durchführung des Vermittlungsausschusses im Gesetzgebungsverfahren. Dies gab der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) am Donnerstag bekannt (Beschl. v. 11.12.2018, Az. 2 BvL 4/11, u.a.).
Zur Begründung Ihrer Entscheidung erinnerten die Karlsruher Richter an die Rolle des Vermittlungsausschusses im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens. Diese sei zwar nicht ausdrücklich im Grundgesetz geregelt, ergebe sich jedoch aus der Systematik des Grundgesetzes und sei in der Rechtsprechung des BVerfG geklärt.
Demnach hat der Vermittlungsausschuss kein eigenes Gesetzesinitiativrecht, sondern vermittelt zwischen den zuvor parlamentarisch beratenen Regelungsalternativen. Seine Einrichtung zielt auf die Aushandlung von Kompromissen zwischen Bundestag und Bundesrat, indem die für ein konkretes Gesetzgebungsvorhaben maßgeblichen politischen Meinungen zum Ausgleich gebracht werden. Dabei ist der Vermittlungsausschuss inhaltlich und formal immer an den vorgegebenen Rahmen des Bundestages gebunden, so das BVerfG.
In den vom BVerfG entschiedenen Fällen haben sich die verschiedenen Vermittlungsausschüsse daran aber nicht gehalten. Vielmehr haben sie in den jeweiligen Beratungsrunden über Themen entschieden, die zuvor im parlamentarischen Verfahren gar nicht oder nicht ausreichend thematisiert worden waren. Dabei spielte auch das sogenannte Koch/Steinbrück Papier eine Rolle, welches schon einmal Gegenstand einer Prüfung des BVerfG war.
Nun beschäftigten die Karlsruher Richter die darin vorgeschlagenen Steuervergünstigungen für kleinere Brauereien. Denn das Papier der Arbeitsgruppe, welches unter der Leitung von Roland Koch und Peer Steinbrück 2003 veröffentlicht wurde, wurde zwar im Bundestag abstrakt diskutiert. Die Änderungsvorschläge, die daraufhin der Vermittlungsausschuss unterbreitete, konnte dem Parlament jedoch in keiner Weise zugerechnet werden. Dies ist aber eine erforderliche Voraussetzung des förmlichen Gesetzgebungsverfahrens, wenn ein Vermittlungsausschuss angerufen wird.
Die Entscheidung hat jedoch keine praktischen Auswirkungen mehr, weil die Vorschriften inzwischen schon bestätigt oder neu geregelt wurden. Bei ebenfalls beanstandeten Änderungen des Körperschaftsteuergesetzes 1999 beschränken sich die Auswirkungen auf den Veranlagungszeitraum 1999.
tik/LTO-Redaktion
mit Materialien von dpa
*Anmerkung der Redaktion, 14.02.2019, 12:53 Uhr:
Jahreszahlen wurden korrigiert
BVerfG zur Rolle der Vermittlungsausschüsse: . In: Legal Tribune Online, 14.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33851 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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