Die Grünen-Politikerin hat vor dem Bundesverfassungsgericht einen Sieg errungen. Es geht um beleidigende User-Kommentare auf Facebook. Die Entscheidungen des LG Berlin und KG verletzten Renate Künast in ihrem Persönlichkeitsrecht.
Im Streit um beleidigende Facebook-Kommentare hat die Grünen-Politikerin Renate Künast vor dem Bundesverfassungsgericht mit einer Verfassungsbeschwerde Erfolg gehabt. Das Bundesverfassungsgericht hob Beschlüsse des Berliner Kammergerichts und des Landgerichts Berlin auf (1 BvR 1073/20).
Im Jahr 2019 hatte das LG Berlin bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, als es entschied, dass auf Facebook gepostete Äußerungen wie "Stück Scheisse", "Drecks Fotze" oder "Sondermüll", die sich gegen Künast richteten, "keine Diffamierung der Person" und "damit keine Beleidigungen" seien. Das Gericht hatte in dem Beschluss außerdem befunden, dass Künast als Politikerin in stärkerem Maße Kritik hinnehmen müsse. In einer Abhilfeentscheidung änderte das Landgericht seine Entscheidung nur teilweise ab.
In der nächsten Instanz ordnete das Kammergericht in Berlin (KG) weitere sechs Äußerungen als unzulässig ein. Bei zehn weiteren Kommentaren sei die Schwelle zum Straftatbestand der Beleidigung jedoch nicht überschritten, etwa bei Kommentaren wie "Pädophilen-Trulla" oder "Die alte hat doch einen Dachschaden" oder "Gehirn Amputiert“.
BVerfG: KG setzt Schmähung mit Beleidigung gleich
Hintergrund des Verfahrens ist ein Auskunftsanspruch, den Renate Künast gegenüber Facebook geltend macht. Sie will erreichen, dass Facebook Daten über User herausgibt, die auf der Plattform Kommentare über sie gepostet haben. Dies darf Facebook nur herausgeben, wenn ein Auskunftsanspruch gerichtlich festgestellt ist. LG und KG stuften im Ergebnis lediglich 12 der 22 gegenständlichen Kommentare als strafbare Beleidigungen ein und gestatteten insoweit die Herausgabe der Userdaten. Im Hinblick auf die übrigen Kommentare wurde der Anspruch auf Auskunft abgelehnt.
Daraufhin legte Künast Verfassungsbeschwerde ein. Das BVerfG hob die Entscheidungen der Berliner Gerichte auf. Das KG setze eine Schmähung mit einer Beleidigung gleich. Das sei aber rechtlich falsch, so die Richterinnen und Richter. Auch wenn keine Schmähung angenommen werde, könne immer noch eine Beleidigung vorliegen, wenn in einer Abwägung das Persönlichkeitsrecht gegenüber der Meinungsfreiheit überwiegt. Eine solche Abwägung deute das KG nur an, nehme sie aber nicht vor. Das Fachgericht lege wiederholt einen fehlerhaften, mit dem Persönlichkeitsrecht "unvereinbaren hohen Maßstab" an eine Rechtsverletzung an.
BVerfG moniert Abwägungsausfall
So nehme das KG fehlerhaft an, eine strafrechtliche Relevanz sei erst dann erreicht, wenn die Äußerung in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheine. Vorliegend habe sich das KG aufgrund einer fehlerhaften Maßstabsbildung mit der Abwägung der Gesichtspunkte des Einzelfalls nicht auseinandergesetzt. Hierin liege eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts von Renate Künast.
Die "begründungslos verwendete Behauptung" des KG, Renate Künast müsse Angriffe im öffentlichen Meinungskampf als Politikerin hinnehmen, könne eine Abwägung nicht ersetzen.
Künasts Rechtsanwalt Dr. Severin Riemenschneider sieht in der Entscheidung des Gerichts grundsätzliche Bedeutung. Gegenüber LTO sagte er: "Besonders begrüßenswert ist die Feststellung des BVerfG, dass die Bereitschaft, der Gesellschaft einen Dienst als Politiker oder Amtsträger zu erbringen, in der Abwägung zugunsten des Betroffenen zu berücksichtigen ist."
Das BVerfG wies den Rechtsstreit an das KG zurück. Vor allen Dingen wird es nun eine ausführliche Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht von Renate Künast und der Meinungsfreiheit der kommentierenden User vorzunehmen haben.
fz/LTO-Redaktion
Beleidigungen bei Facebook: . In: Legal Tribune Online, 02.02.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47392 (abgerufen am: 23.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag