Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen der Entführungen und mutmaßlichen Tötung deutscher Staatsbürger in Israel. Israelische Rechtswissenschaftler verurteilen die Geiselnahmen als eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht.
Wegen der Entführungen und mutmaßlichen Tötungen deutscher Staatsbürger in Israel durch die Terrorgruppe Hamas ermittelt nun die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet worden "gegen unbekannte Mitglieder der Hamas wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung", sagte eine Sprecherin der obersten Anklagebehörde am Dienstag. Zuerst hatte die Bild-Zeitung berichtet.
Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft bestätigte das Ermittlungsverfahren gegenüber LTO. Es gehe um den Verdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Geiselnahme und Mord (§ 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1, § 211 Abs. 2, § 239b StGB) zum Nachteil deutscher Staatsangehöriger. Das Ermittlungsverfahren richte sich gegen unbekannte Mitglieder der Hamas. Weitere Auskünfte würden derzeit nicht erteilt.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kommentierte die Lage am Dienstagnachmittag: "Wir stehen fest und entschlossen an der Seite Israels. Deswegen werden wir nicht tatenlos zusehen, wenn eine Terrororganisation in Israel barbarische Anschläge verübt oder Menschen in unserem Land diese grauenvollen Taten auf offener Straße feiern. Bereits wenige Tage nach den Angriffen hat der Generalbundesanwalt heute ein Ermittlungsverfahren gegen Beteiligte der Angriffe wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Geiselnahme und Mord eingeleitet. Und auch Menschen, die diese grausamen Taten auf unseren Straßen feiern, werden mit strafrechtlichen Konsequenzen oder sogar einer Ausweisung rechnen müssen."*
Die palästinensische Hamas hatte am vergangenen Samstag einen Großangriff auf Israel begonnen. Hunderte Menschen wurden getötet und über 100 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Auch Deutsche sollen unter den Entführungsopfern sein, hatte die Bundesregierung bereits am Wochenende mitgeteilt. Das Auswärtige Amt in Berlin geht davon aus, dass es sich um Menschen handelt, die alle neben der deutschen auch die israelische Staatsangehörigkeit haben.
Unter anderem soll eine 22 Jahre alte Frau entführt worden sein, die nach Worten ihrer Familie ein Musikfestival besucht hatte. Das Festival war eines der Ziele der Angriffe gewesen.
Israelische Jurist:innen fordern Freilassung der Geiseln
Der den Methoden des IS ähnelnde Angriff der Hamas auf Israel erfährt internationale Ächtung. Auch eine Gruppe israelischer Völkerrechtler verurteilte den Angriff und rief zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch alle Beteiligten auf.
In einem offenen Brief haben mehrere israelische Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler den Angriff der radikal-islamistischen Terrorgruppierung Hamas auf Israel verurteilt. Insgesamt 25 Juristen, vorwiegend mit Forschungsschwerpunkt im Völkerrecht, unterzeichneten den Brief. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Prof. Eyal Benvenisti (Direktor des Lauterpacht Centre for International Law an der Universität Cambridge) und Prof. Iris Canor (unter anderem Honorarprofessorin an der Universität des Saarlandes).
Das absichtliche Töten von hunderten Zivilisten und die Geiselnahme bzw. Verschleppung von mindestens mehreren Dutzend weiteren Zivilisten in den Gaza-Streifen stelle eine grobe Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts dar und sei als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen, so der Brief.
Die Unterzeichner betonen dabei, dass alle Beteiligten im Rahmen eines bewaffneten Konflikts ihr Handeln am Völkerrecht, insbesondere dem für bewaffnete Konflikte geltenden humanitären Völkerrecht, ausrichten müssten. Besonders das Verbot wahlloser, unterschiedsloser Angriffe sowie das Verbot von auf Zivilisten abzielende Maßnahmen seien zu beachten.
Die Unterzeichner fordern die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln. Bis dahin sei das Recht der Geiseln auf eine menschenwürdige Behandlung zwingend zu beachten. Dazu gehöre auch eine entsprechende medizinische Versorgung sowie das Bereitstellen von Informationen zur Lage der Geiseln.
Die Hamas hat seit Beginn des Angriffs wiederholt Videos von Misshandlungen, Folter und der Tötung von Geiseln im Internet verbreitet. Sie setzt seit Jahren darauf, Zivilisten als menschliche Schutzschilde einzusetzen. Das israelische Militär reagierte mit Luftangriffen und kündigte eine Blockade des Gaza-Streifens an.
jb/mk/dpa/LTO-Redaktion
*Anm. d. Red.: Statement ergänzt am Tag der Veröffentlichung, 15:58 Uhr
Mord und Geiselnahmen israelischer Zivilisten: . In: Legal Tribune Online, 10.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52882 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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