Ein Paar aus Hessen will seine Hochzeit im Sommer 2020 nicht mit Maske und Abstand feiern. Die kirchliche Trauung wird verschoben, das Paar kündigt der Fotografin. Bezahlt werden muss sie trotzdem, wie der BGH entschied.
Viele Paare haben ihre Hochzeit wegen der Corona-Pandemie verschoben – aber das berechtigt nicht dazu, die ursprünglich gebuchte Fotografin ohne Bezahlung abzubestellen. Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte am Donnerstag in einem Fall aus Hessen, dass es den Brautleuten zwar freigestanden habe, den Vertrag zu kündigen und einen anderen Fotografen zu beauftragen. Der Fotografin stehe aber mit kleineren Abzügen die vereinbarte Vergütung zu (Urt. v. 27.04.2023, Az. VII ZR 144/22).
Die Kläger hatten am 1. August 2020 mit gut 100 Gästen kirchlich heiraten wollen. Ein Dreivierteljahr vorher buchten sie bei der Fotografin das Paket "Unser Tag XXL", das eine zehnstündige Begleitung vorsah. Kostenpunkt: knapp 2.500 Euro. Ziemlich genau die Hälfte erhielt die Fotografin direkt als Anzahlung.
Als sich abzeichnete, dass die Feier nicht so aussehen würde, wie sie sich das vorgestellt hatten, verschoben die beiden ihre Hochzeit um ein Jahr auf den 31. Juli 2021. Fotografieren sollte nun aber der Fotograf, der die standesamtliche Trauung begleitet hatte – er hätte zum ersten Termin nicht gekonnt. Das teilte das Paar der Fotografin im Juni 2020 per E-Mail mit, woraufhin diese ein weiteres Honorar von rund 550 Euro verlangte. Das Paar lehnte das ab, erklärte den "Rücktritt" bzw. "Kündigung" des Vertrags und verlangte die Anzahlung zurück. Weil die Fotografin die Anzahlung nicht zurückzahlte, klagte das Paar schließlich auf Rückzahlung und Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sind, weitere 550 Euro zu zahlen.
Leistung war nicht unmöglich
Wie schon in den Vorinstanzen blieb das Paar damit auch am BGH ohne Erfolg. Ein Anspruch auf Rückgewähr der Anzahlung folge laut BGH nicht daraus, dass die Leistung der Fotografin unmöglich geworden ist. Nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden hessischen Corona-Verordnung waren kirchliche Trauungen im Sommer 2020 prinzipiell möglich. Für Handwerkstätigkeiten und Dienstleistungen wie das Fotografieren galt nur die Vorgabe, dass Körperkontakt zu vermeiden und Abstand zu halten sei. Zwar hätte das Paar mit weniger Gästen feiern müssen, um die Abstandsregeln einzuhalten – das spielte für den BGH aber keine Rolle.
Die Kläger können sich laut BGH auch nicht auf eine Störung der Geschäftsgrundlage oder eine ergänzenden Vertragsauslegung berufen. Wie der Vorsitzende Richter Rüdiger Pamp in der Verhandlung am Vormittag gesagt hatte, stand im Vertrag nichts dazu, was bei einer Pandemie gelten soll. Der Umstand, dass das Paar nach Absage des vereinbarten Termins nur aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich der Fotografin lagen, einen anderen Fotografen bevorzugte, sei nach Treu und Glauben unter redlichen Vertragspartnern unerheblich und deshalb nicht zu berücksichtigen. Pamp sagte, die Fotografin hätte sicher ein Interesse daran gehabt, auch beim neuen Termin die Bilder zu machen.
Das Landgericht (LG) Gießen hatte in der Vorinstanz den von dem Paar erklärten "Rücktritt" bzw. die "Kündigung" als freie Kündigung nach § 648 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgelegt. Dazu ist der Auftraggeber jederzeit berechtigt, er schuldet dem Auftragnehmer aber die vereinbarte Vergütung. Darauf aufbauend stellte das LG einen Vergütungsanspruch der Fotografin aus § 648 Satz 2 BGB in Höhe von 2.099 Euro fest. Abgezogen wurden nur ersparte Aufwendungen: Die Fotografin hatte zum Beispiel keine Fahrt- und Materialkosten. Revisionsrechtlich sei das nicht zu beanstanden, entschied der BGH.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
BGH zu verlegter Corona-Hochzeit: . In: Legal Tribune Online, 27.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51649 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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