Durch strenge Auftrittsverbote während Corona brach Künstlern die Existenzgrundlage weg – ein Berufsmusiker kann sich vor dem BGH nun möglicherweise Hoffnung auf Entschädigung machen.
Kein Publikum mehr und alle Einnahmen weg – so ging es während der Corona-Zeit vielen Künstlern. Klagen auf staatliche Entschädigung scheiterten bisher. Gilt das für alle Branchen? Seit Donnerstag beschäftigt sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Klage (Az. III ZR 54/22) eines Berufsmusikers gegen das Land Baden-Würrttemberg auf Entschädigung.
Im diesem Rahmen machte der III. Senat des BGH in Karlsruhe am Donnerstag deutlich, dass die Auftrittsverbote während des Lockdowns durchaus einen Eingriff ins Eigentumsrecht darstellen könnten. Zwar seien dem klagenden Musiker Martin Kilger Auftritte nicht persönlich untersagt worden, ein allgemeines Veranstaltungsverbot habe aber die gleiche Wirkung.
Der Senat will nun prüfen, ob diese Corona-Vorschriften verhältnismäßig und zum Schutz der Bevölkerung gerechtfertigt waren – oder in diesem Umfang eben doch rechtswidrig.
Der Musiker begehrt 8.300 Euro vom Land, weil zwischen März und Juli 2020 mehrere Auftritte geplatzt seien. In den Vorinstanzen war er gescheitert. Aus Sicht des BGH-Anwaltes von Kilger, Peter Wessels, muss bei der Entschädigung nach Branchen gewichtet werden. "Künstler leben vom Kontakt zum Publikum, vom Auftragsflow – und nicht selten von der Hand in den Mund", sagte Wessels. Das sei ganz anders zu beurteilen, als die Corona-Einbußen eines Handwerkerbetriebes oder eines Hotels, die normalerweise deutlich höhere Rücklagen hätten. Von Künstlern zu verlangen, dass sie mehr als zwei Monate ohne Einnahmen seien, gehe an deren Lebensrealität völlig vorbei.
Die BGH-Anwältin des Landes Baden-Würrttemberg hielt dagegen: Es habe Soforthilfen gegeben und die Corona-Verordnungen seien laufend an die aktuelle Lage angepasst worden. Der Musiker argumentiert wiederum, dass er die Corona-Soforthilfen zum Teil hätte zurückzahlen müssen und dass diese ohnehin nicht den erlittenen Schaden kompensieren würden.
Aus Sicht seines Rechtsanwaltes in den Vorinstanzen, Niko Härting, handelt es sich juristisch um ein staatliches "Sonderopfer", das die Künstler erbracht hätten. Dafür sei eine Entschädigung vorgesehen. Ein Erfolg in Karlsruhe könnte seiner Einschätzung zufolge erhebliche Auswirkungen haben. "Die Bundesländer müssten für 2020 rückwirkend neue Corona-Hilfsprogramme aufsetzen, um die Künstlerinnen und Künstler zu entschädigen."
Eine Entscheidung des BGH wird am 3. August erwartet. Sollte der BGH Kilger ebenfalls nicht Recht geben, erwägt der 47-Jährige den Gang vor das Bundesverfassungsgericht.
lfo/dpa/LTO-Redaktion
Staatshaftungsprozess vor dem BGH: . In: Legal Tribune Online, 27.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52358 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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