Ein unverheirateter Mann darf die Kinder seiner Lebensgefährtin nicht adoptieren. Nach Ansicht des BGH lassen die eindeutigen gesetzlichen Regelungen keine andere Auslegung zu.
Die Adoption von Stiefkindern ist nur mit einem Trauschein oder in einer gleichgeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaft möglich. Die minderjährigen Kinder seiner Lebensgefährtin darf ein unverheirateter Mann daher nicht adoptieren, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Montag veröffentlichten Beschluss entschied (Beschl. v. 08.02.2017, Az. XII ZB 586/15).
Der Mann hatte gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin die Adoption ihrer leiblichen Kinder begehrt. Damit wollte das Paar erreichen, dass die Minderjährigen die Stellung gemeinschaftlicher Kinder erlangen. Der leibliche Vater der Kinder war 2006 verstorben, seit 2007 lebt die Mutter mit dem Antragsteller zusammen.
Das Paar hatte auch vor dem BGH keine Erfolg. Der Zivilsenat bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschl. v. 03.11.2015, Az. II-3 UF 9/14) und begründete das mit der eindeutigen Gesetzeslage. Anders als bei der Stiefkindadoption durch Ehegatten oder Lebenspartner hat der Gesetzgeber für nicht verheiratete Personen keine vergleichbare Regelung geschaffen. Gemäß § 1741 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann eine nicht verheiratete und nicht verpartnerte Person ein Kind nur allein annehmen. Dann würde aber in der Folge das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zum Lebensgefährten des Adoptierenden, also seinem Elternteil erlöschen (§ 1755 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese Regelungen seien eindeutig und ließen keine andere Auslegung zu, so die Richter.
BGH: mit Verfassung und Europarecht vereinbar
Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat hält die Normen auch nicht für verfassungswidrig. Der adoptionswillige Mann könne sich nicht auf das Elternrecht nach Art 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) berufen, weil er lediglich soziales, nicht aber rechtliches bzw. leibliches Elternteil sei. Auch das Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG sei nicht verletzt, weil dieses keinen Anspruch der Familienmitglieder auf Adoption umfasse.
Schließlich verletzten die nationalen Adoptionsregelungen das Paar nicht in seinem von Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützten Recht auf Achtung des Familienlebens. Zwar erlaube das im Jahr 2008 geänderte Europäische Adoptionsübereinkommen den Vertragsstaaten, die Adoption eines Kindes unter anderem durch zwei Personen verschiedenen Geschlechts zuzulassen, wenn diese "in einer stabilen Beziehung" leben. Dabei handele es sich jedoch lediglich um eine Öffnungsklausel, nicht aber um eine bindende Wertentscheidung.
Wenn der Gesetzgeber die Stabilität einer Beziehung an der rechtlichen Absicherung der Partnerschaft festmache, handele er noch innerhalb seines Ermessensspielraums. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fordere nicht, es unverheirateten Lebensgefährten zu ermöglichen, durch Adoption die Stellung gemeinschaftlicher Eltern minderjähriger Kinder zu erlangen.
Familienrechtlerin: Recht der Stiefkinder auf Gleichbehandlung verletzt
Familienrechtlerin Prof. Dr. Nina Dethloff kritisierte die Entscheidung gegenüber LTO. Die Inhaberin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht an der Universität Bonn sieht in dem Urteil eine Ungleichbehandlung, welche die Kinder in ihrem Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. "Stiefkinder werden ungleich behandelt, wenn nur jene adoptiert werden können, die in einer Ehe aufwachsen, andere aber nicht".
Die Entscheidung erschwere zudem die gleichberechtigte Wahrnehmung der Elternverantwortung und damit das Zusammenleben innerhalb der Familie. "Kann die Beziehung zum Stiefelternteil nicht rechtlich abgesichert werden, ist das von erheblichem Nachteil für die betroffenen Kinder. Eine gemeinsame rechtliche Sorge ist ausgeschlossen und es besteht nicht einmal das kleine Sorgerecht, das dem verheirateten oder verpartnerten Stiefelternteil zusteht."
Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung* sieht Dethloff nicht. "Entgegen der Ansicht des BGH sind die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Sukzessivadoption geforderten strengen Kriterien nicht erfüllt: Dass Kinder in einer stabilen Beziehung aufwachsen, stellt zwar ein legitimes Ziel dar. Dieses ließe sich jedoch auch auf andere Weise erreichen, die die Grundrechte und das Wohl der Kinder weniger beeinträchtigen würde". Nach Ansicht der Rechtwissenschaftlerin könnte man als ein solches milderes Mittel, wie auch in anderen Ländern praktiziert, eine gewisse Dauer des Zusammenlebens für eine Adoption verlangen. Zudem gewährleisteten die Adoptionspflege und die Kontrolle durch die Jugendämter eine Überprüfung der Stabilität der Beziehungen.
nas/pl/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
*Korrektur am Tag der Veröffentlichung, 18:09h.
BGH zu nichtehelicher Lebensgemeinschaft: . In: Legal Tribune Online, 06.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22281 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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