Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey hat nach den Krawallen an Silvester intensive Maßnahmen gegen Jugendgewalt angekündigt. Sie versprach Ausgaben für Sozialarbeit in Millionenhöhe und betonte eine konsequente Strafverfolung.
Nach den Silvester-Krawallen hat Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) eine "konzertierte Aktion" gegen Jugendgewalt angekündigt. Dafür will der Senat weitere Ausgaben für Sozialarbeit in Millionenhöhe ermöglichen. "Wir haben nicht nur Redebedarf, sondern wir haben auch Handlungsbedarf", sagte Giffey am Mittwoch nach dem "Gipfel gegen Jugendgewalt", zu dem sie ins Rote Rathaus eingeladen hatte. "Es ist ganz deutlich, dass die Ereignisse der Silvesternacht eine Zäsur sind."
Giffey sagte, es sei notwendig, sich mit den tiefergehenden Problemen dahinter auseinanderzusetzen. Sie nannte vier Bereiche, die im Fokus der Bemühungen stehen sollen: intensivere Sozialarbeit mit Elternhäusern, mehr außerschulische Jugendsozialarbeit, neue "Orte für Jugendliche" und konsequente Strafverfolgung.
"Es ist ganz klar, dass ein solcher Gipfel nicht ein einmaliges Ereignis bleiben darf, wo alle mal sagen, wie betroffen sie sind", sagte die SPD-Politikerin. Er sei der Beginn eines Arbeitsprozesses, einer konzertierten Aktion für mehr Respekt und gegen Jugendgewalt in Berlin. Bis zu einem weiteren Treffen am 22. Februar sollen Konzepte ausgearbeitet werden und der Finanzbedarf geklärt sein. Für März kündigte Giffey einen Beschluss des Senats dazu an. Das Geld dafür soll aus dem Haushalt mobilisiert werden. Die Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus am 12. Februar soll den Prozess nicht aufhalten. Der Senat sei bis zur Bildung einer neuen Landesregierung voll handlungsfähig, sagte Giffey.
Gipfel-Teilnehmer zeigen sich optimistisch
An dem "Gipfel gegen Jugendgewalt" nahmen rund 30 Vertreter von Politik, Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz sowie der Integrations- und Sozialarbeit teil. "Ich bin jetzt nach dem Termin durchaus optimistisch, weil ich eine außerordentlich offene Runde erlebt habe, wo ich das Gefühl hatte, dass alle über das gleiche Thema geredet haben", sagte Elvira Berndt, Geschäftsführerin des Straßensozialarbeitsvereins Gangway.
Bei manchen Vertretern aus der Sozialarbeitspraxis herrschte im Vorfeld durchaus Skepsis. "Ich erinnere mich an Islamkonferenzen und Integrationsgipfel deutschlandweit. 2.200 Seiten Papier wurden gedruckt, und wir haben unsere Ziele nicht erreicht", sagte Kazim Erdogan, Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen und Vorstand des sozialen Vereins Aufbruch Neukölln. In der Vergangenheit sei oft über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden worden. Das sei diesmal anders gewesen.
André Juterzenka, Leiter der Kriminalinspektion der Direktion 5, die für Jugenddelikte zuständig ist, sagte, gerade die Vernetzung und Zusammenarbeit vieler wichtiger Partner ermöglichten ein ganzheitliches Konzept.
Langfristig angelegte Lösungen gefordert
Schon vor dem Treffen im Rathaus gab es allerdings auch deutliche Kritik: Die Amadeu Antonio Stiftung, die sich unter anderem gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagiert, forderte langfristig angelegte Lösungen gegen Jugendgewalt. Statt Aktionismus und neuer Parallelstrukturen sei der Ausbau erprobter Ansätze nötig, etwa mit mehr Personal, Räumlichkeiten und Geld.
Aus Sicht des Landeschefs der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh, braucht Berlin eine dauerhafte, zentrale Anlaufstelle, bei der die Bezirke auf Expertise, Strukturen und Erfahrungen zurückgreifen könnten. Das sagte Weh der Rheinischen Post.
Wegen der Silvester-Krawalle waren in Berlin 145 Menschen mit insgesamt 18 verschiedenen Nationalitäten festgenommen worden, darunter zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene. Anfang Januar sprach die Polizei von 281 eingeleiteten Ermittlungsverfahren. In 89 Fällen ging es um Verstöße gegen das Waffengesetz, oft das Schießen mit Schreckschusspistolen. Dazu kamen 47 Fälle von gefährlicher Körperverletzung, 41 Mal war es gefährlicher Gebrauch von Böllern und Raketen, 35 Angriffe auf und Widerstand gegen Polizisten, 21 Fälle von besonders schwerem Landfriedensbruch sowie häufiger Drogenbesitz und weitere Delikte.
Die Ausschreitungen bewegten auch die Berliner Justiz am Mittwoch zu einer gemeinsamen Stellungnahme. Bei den Silvestervorkommnissen handele es sich "weder um ein neues, noch um ein berlintypisches Phänomen. Die bei derartigen Vorkommnissen aufgeworfene Problematik ist mannigfaltig –und wirft insbesondere soziale und bildungspolitische Fragen auf. Das seit Jahren erfolgreich praktizierte 'Neuköllner Modell' steht gerade für die Forderung nach einer Zusammenarbeit anderer Einrichtungen mit Strafverfolgungsbehörden und Gerichten", heißt es in der Stellungnahme. Bei dem "Neuköllner Modell" handelt es sich um einen Unterfall des vereinfachten Jugendverfahrens, das dazu beiträgt, dass in Jugendstrafverfahren die Strafe "auf dem Fuße" folgt und damit dem Erziehungsgedanken Rechnung getragen wird. Es wird seit dem 1. Juni 2010 auch über Neukölln hinaus stadtweit angewandt.
dpa/pab/LTO-Redaktion
Gipfel nach Silvester-Ausschreitungen: . In: Legal Tribune Online, 11.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50728 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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