Erneut wollte die "Querdenken"-Bewegung eine Demonstration durchsetzen und landete vor dem BayVGH. Dort berief sie sich auf ein aufsehenerregendes Urteil des AG Weimar von vergangener Woche - und machte damit eine Bruchlandung.
Ein vierstündiger Demonstrationsumzug mit 1.000 Teilnehmern sowie anschließender stationärer Kundgebung ist angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens nicht möglich. Die zuständige Behörde habe zu Recht verlangt, die Demonstration zu beschränken. Das entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) am Sonntag (Beschl. v. 24.1.2021, Az. 10 CS 21.249) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Erneut wollte die "Querdenken-Bewegung" in München demonstrieren. Für den vergangenen Sonntag hatte sie eine Versammlung geplant, die aus einem Umzug und einer anschließenden Kundgebung vor dem Gebäude des BayVGH bestehen und über vier Stunden mit 1.000 Teilnehmern am Abend stattfinden sollte. Thema der Demonstration sollte die Forderung sein, dass der 10. Senat des BayVGH vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt werden solle, da er sich nach § 7 Abs. 1 Nr. 10 des Völkerstrafgesetzbuches hinsichtlich einer "unerwünschten politischen Gruppierung" - nämlich den "Querdenkern" selbst - wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafbar gemacht habe.
Der BayVGH wies den Eilantrag der Querdenker gegen das Verlangen der Behörde, die Demonstration zu beschränken, jedoch in wesentlichen Teilen ab. Nach der Bayerischen Infektionsschutzverordnung müsse bei Versammlungen ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Teilnehmern gewahrt und die sonstigen Infektionsgefahren auf ein vertretbares Maß beschränkt werden. Das sei in der Regel anzunehmen, wenn eine Versammlung ortsfest ist und aus nicht mehr als 200 Teilnehmern besteht. Insofern sei, so der BayVGH, die Entscheidung der Versammlungsbehörde, die angemeldete Demonstration auf 200 Teilnehmer zu reduzieren, sie auf einen Ort zu beschränken und zeitlich auf maximal zwei Stunden und 15 Minuten zu begrenzen, verhältnismäßig, so der BayVGH.
Klare Worte des BayVGH zum Urteil des AG Weimar
Das war insoweit nichts Neues, vergleichbare Entscheidungen stehen in Bayern und auch im Rest von Deutschland bei den Verwaltungsgerichten aktuell ständig auf der Tagesordnung. Spannend war jedoch, dass die Querdenker sich vor Gericht auf ein Urteil des Amtsgerichts Weimar (AG) beriefen, das vor einigen Tagen für viel Diskussion gesorgt hatte (Az. 6 OWi – 523 Js 202518/20).
In Weimar stand ein Mann vor Gericht, der im April 2020 in Thüringen gegen die dortigen Corona-Regeln verstoßen hatte. Auch solche Verfahren sind mittlerweile nichts Neues mehr; doch dann sprach das AG den Mann frei - und zwar mit der Begründung, dass die Lockdown-Regelungen mit Kontaktverbot verfassungswidrig seien. Es habe im Frühjahr 2020 kein Gesundheitsnotstand geherrscht, in Thüringen nicht und auch sonst nirgends. Die Lockdown-Maßnahmen seien, so das AG Weimar, eine "katastrophale politische Fehlentscheidung mit dramatischen Konsequenzen" gewesen. Der Staat habe sich dabei auf "falsche Annahmen" gestützt, Eindeutiges falsch interpretiert und durch die verhängten Maßnahmen gegen die Menschenwürde verstoßen.
Auf dieses Urteil beriefen sich die Querdenker in München nun am Wochenende – und der BayVGH nahm die Gelegenheit wahr, sich ausführlich zu dem Urteil aus Weimar zu äußern. Dieses nämlich sei eine "methodisch höchst fragwürdige Einzelentscheidung, die hinsichtlich der Coronapandemie im Widerspruch zur - vom Amtsgericht nicht ansatzweise berücksichtigten - ganz überwiegenden Rechtsprechung der deutschen Gerichte stehe". Das AG Weimar maße sich mit seiner Einschätzung, dass eine epidemiologische Lage nicht vorgelegen habe, ohne sich mit den wissenschaftlichen und tatsächlichen Grundlagen auseinandergesetzt zu haben, eine Sachkunde an, die ihm nicht zukomme, und setze seine Auffassung an die Stelle der Einschätzung des Bundestages und des Verordnungsgebers.
Gegenteilige Quellen und Hinweise blendete das AG nach Auffassung der bayerischen Richterinnen und Richter systematisch aus, die zentral vom AG herangezogene Studie sei "bestenfalls umstritten". Außerdem zeige die Entscheidung des AG auch mangelnde Kenntnisse im Gefahrenabwehrrecht auf: So sei im Urteil des AG Weimar die Ex-ante- mit der Ex-post-Betrachtung vermengt worden und Überlegungen zu Kausalitäten bzw. Koinzidenzien fehlten. Das AG spare beispielsweise die naheliegende Annahme, dass die niedrige Übersterblichkeit und geringe Auslastung der Intensivbetten auf die vom AG als unverhältnismäßig eingeordneten Schutzmaßnahmen im Frühjahr 2020 zurückzuführen sein könnte, komplett aus.
Der Beschluss des BayVGH ist unanfechtbar.
ast/LTO-Redaktion
BayVGH kritisiert AG-Weimar-Urteil: . In: Legal Tribune Online, 25.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44080 (abgerufen am: 22.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag