Wenn man ein Hotel für acht Personen bucht und die Kategorie "Doppelzimmer" wählt, wie viele Zimmer sind gebucht? Das AG München entschied: Nach Treu und Glauben ist hier von nur zwei Zimmern auszugehen.
Wer den Urlaub zu viert im Hotelzimmer verbringt, der hat wenig Privatsphäre. Das kann die Urlaubsfreude beeinträchtigen, wenn es nicht so geplant war. Deshalb klagte eine Frau auf Rückzahlung der Hälfte des Reisepreises. Die Reisende hatte bei der Beklagten für sich, ihren Ehemann und sechs Mitreisende einen Urlaub in einem Vier-Sterne Hotel in Italien gebucht.
Zwischen den Parteien war im Prozess streitig, was unter der Buchung eines "Doppelzimmers" zu verstehen war. Die Urlauberin vertrat die Ansicht, sie habe vier Doppelzimmer mit je einem Doppelbett gebucht. Auf der Buchungsbestätigung sei keine Zimmeranzahl angegeben, sondern nur das Wort "Doppelzimmer" verwendet worden. Die vor Ort erfolgte Unterbringung in lediglich zwei Zimmern sei daher mangelhaft gewesen, was eine Minderung in Höhe von 50 Prozent des Reisepreises rechtfertigen würde.
Das Hotel war hingegen der Ansicht, die Klägerin habe zwei Doppelzimmer mit einer Belegung mit jeweils vier Personen gebucht. Die Kategorie "Doppelzimmer" sei für bis zu vier Erwachsene buchbar.
AG: Scheinkonsens wegen mehrdeutigem Begriff
Das Amtsgericht (AG) München wies die Klage der Urlauberin vollumfänglich ab (Urt. v. 31.05.2023, Az. 242 C 403/23): Die Vertragsunterlagen würden keine eindeutige Regelung über die Zimmeranzahl enthalten. Es gebe keine Erläuterungen wie beispielsweise "zur Verwendung von vier Personen". Daraus folgert das AG: "Es liegt somit ein versteckter Dissens hinsichtlich eines regelungsbedürftigen vertraglichen Nebenpunktes vor, der nach § 155 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zunächst dazu führt, dass der Vertrag nicht zustande gekommen ist.
Das Hotel sei offensichtlich davon ausgegangen, dass nur zwei Doppelzimmer Vertragsbestandteil werden sollten, so das Gericht. Die Urlauberin habe in der Klage aber glaubhaft dargelegt, dass sie überzeugt war, sie habe je zwei Erwachsenen ein Doppelzimmer gebucht. Es liege ein sog. Scheinkonsens vor, da der mehrdeutige Begriff "Doppelzimmer" nach den Vorstellungen der Parteien im unterschiedlichen Sinn verwendet wurde.
"Nach der Auslegungsregel des § 155 BGB ist jedoch davon auszugehen, dass der Vertrag auch ohne Einigung über diesen Punkt geschlossen worden wäre. Dies ergibt sich aus dem Verhalten der Parteien nach Aufdeckung des Einigungsmangels", erläuterte das AG München. Denn die Reisenden seien im Hotel geblieben und die Beklagte hätte ihre Leistungen weiter angeboten.
Die vertragliche Regelungslücke sei mangels nachträglicher Einigung grundsätzlich mit dem dispositiven Recht zu schließen. Weil es vorliegend keine passende gesetzliche Regelung gebe, war laut Gericht eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 157, 242 BGB vorzunehmen.
Reisepreis wäre zu niedrig für vier Zimmer
Diese Auslegung ergebe, dass Vertragsbestandteil die Buchung von nur jeweils einem Doppelzimmer mit je vier Personen war, so das AG. Zwar werde der Begriff "Doppelzimmer" nicht stets einheitlich verwendet. Nach der im Beherbergungsgewerbe üblichen Definition handele es sich um "ein Zimmer mit Schlafgelegenheiten für zwei Personen in einem Doppelbett oder zwei längsseits aneinander gefügten Einzelbetten". Es sei jedoch ebenso nicht unüblich, dass Doppelzimmer ohne Verwendung von klarstellenden Zusätzen wie "Mehrbettzimmer" für mehr als zwei Personen verwendet werden.
Maßgeblich sei aber der Preis. Für den achttägigen Aufenthalt mit Vollpension in dem Vier-Sterne Hotel hatte die Reisegruppe 648 EUR pro Person gezahlt. "Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den genannten Umständen und insbesondere auch aus dem gegenständlichen Reisepreis, dass nach Treu und Glauben gem. §§ 157, 242 BGB nur ein Zimmer je vier Personen geschuldet sein konnte", folgerte das AG. "Der Übernachtungspreis pro Person berechnet sich auf weniger als 100 Euro pro Nacht und ist damit bei einem nach Landeskategorie der vier Sterne Kategorie zuzuordnenden Hotel mit All-Inklusive Leistungen sehr niedrig. Nach der gebotenen objektiven Betrachtung wären redliche Vertragspartner aufgrund der Gesamtumstände der Buchung bei angemessener Interessenabwägung daher davon ausgegangen, dass bei einem solchen Preis lediglich ein Zimmer je vier Personen gebucht sein sollte."
Da die Reise die nach der ergänzenden Vertragsauslegung vereinbarte Beschaffenheit i.S.d. § 651i Abs. 2 S. 1 BGB aufgewiesen habe, schieden Reisemängel dem AG zufolge aus. Dementsprechend stünden der Klägerin keine Minderungs-, Aufwendungs- oder Schadensersatzansprüche zu.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
lfo/LTO-Redaktion
AG München legt Reisevertrag aus: . In: Legal Tribune Online, 04.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52630 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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