Konstantin Bertram und Steffen Bunnenberg wollen ihre Online-Lösung "Lawlift" zum Standard-Werkzeug für die anwaltliche Arbeit machen. LTO sprach mit ihnen über ihre Idee und ihren Weg von Anwälten zu Software-Unternehmern.
LTO: Wie würden Sie Lawlift in kurzen Worten beschreiben?
Konstantin Bertram: Lawlift ist eine Software für Anwälte, mit der sogenannte intelligente Vorlagen erstellt, bearbeitet und verwendet werden können. Die Anwendung hat eine intuitiv verständliche Benutzeroberfläche. Der Nutzer legt einen Fragenkatalog und Textelemente an und verknüpft beides über Regeln. So entsteht, der rechtswissenschaftlichen Logik folgend, eine Wenn-Dann-Struktur wie bei Tatbeständen und Rechtsfolgen. Daraus erzeugt die Software eine intelligente Vorlage, z.B. für eine Datenschutzerklärung oder einen Arbeitsvertrag. Auf die einmal erstellte Vorlage kann der Nutzer immer wieder zugreifen, um daraus in wenigen Minuten Dokumente zu erstellen, die auf einen individuellen Sachverhalt angepasst sind.
Steffen Bunnenberg: Mit Lawlift kann jeder intelligente Vorlagen erstellen, ohne eine Zeile Code schreiben zu müssen. Dabei haben wir einen deutlich anderen Fokus als die klassischen Dokument-Automatisierungslösungen, die sehr komplex und damit als Systeme für besonders geschulte Nutzer angelegt sind. Der Kern unserer Software ist die einfache Bedienbarkeit.
LTO: Wie entstand die Idee zu dem Produkt?
Bertram: Wir haben uns 2010 bei der Arbeit für dieselbe Kanzlei kennengelernt. Ein Jahr später gründeten wir unsere eigene Kanzlei, die wir auch heute noch betreiben. Allerdings fanden wir die Prozesse in unserem Anwaltsalltag nicht effizient genug, und die auf dem Markt existierenden Softwarelösungen entsprachen nicht unserer Vorstellung von zielführendem Arbeiten.
Bunnenberg: Aus unserer eigenen Erfahrung wussten wir, dass das Anwaltsgeschäft schwer zu skalieren ist. Und dass es einen großen potentiellen Markt für Rechtsberatung gibt, der mit klassischer anwaltlicher Arbeit ohne technische Unterstützung nicht wirtschaftlich bedient werden kann.
Wir wollten deshalb ursprünglich für unsere Mandanten ein teilautomatisiertes Beratungsgeschäft aufbauen. 2014 haben wir erste Überlegungen in diese Richtung angestellt und uns dann gefragt, was wir dafür bräuchten. Dann haben wir für einen unserer Fälle erste technische Schritte unternommen.
Mehr als der Einzelfall
LTO: Sie wollten also zunächst ein Tool nur für Ihre eigene anwaltliche Arbeit bauen?
Bertram: Ja, aber Anfang 2015 haben wir gesehen, dass wir die Software gleich eine Abstraktionsstufe höher aufhängen können. Damit ist das nicht mehr nur für den einen Anwendungsfall geeignet, sondern für eine große Vielfalt von Fällen. Das Potenzial, das darin steckt, ist viel größer, als wenn wir nur das einzelne Problem lösen. Aus dieser Erkenntnis entstand im Jahr 2015 Lawlift.
LTO: Warum sollten Anwälte Lawlift einsetzen?
Bunnenberg: Zum einen, um Zeit zu sparen. Ein Dokument, für das man früher Stunden benötigt hat, erstellt man mit Lawlift im besten Fall in einigen Minuten. Für unsere Nutzer ist zudem die Möglichkeit der Standardisierung von Arbeitsergebnissen ein wichtiger Aspekt, vor allem weil die Software das Delegieren von Aufgaben erleichtert.
Bertram: Außerdem bietet das Programm die Möglichkeit zum einfachen Wissensmanagement. Wir wollten weg vom zentralisierten Wissensmanagement hin zu einem Ansatz, der das Wissen dort konserviert und pflegt, wo es originär vorhanden ist. Gerade in größeren Einheiten ist die Erstellung von Vorlagen manchmal personell entkoppelt vom Spezialwissen. Das ist oft ein Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis. Das funktioniert zwar und kann in bestimmten Konstellationen sinnvoll sein, verschenkt aber in vielen anderen Fällen massiv Potenzial.
2/2: Anwalt programmiert selbst
LTO: Nachdem die Idee zu Lawlift gereift war, begann Konstantin Bertram, den Code zu schreiben. War Ihnen bewusst, was auf Sie zukommt?
Bertram: Ich programmiere bereits seit meiner Jugend und habe mir die notwendigen Fähigkeiten selbst angeeignet. Doch so eine Software-Entwicklung ist natürlich mit viel mehr Aufwand verbunden, als man es vorher vermutet. Man sieht einfach nicht von Anfang an alle Details. Umso wichtiger ist es, ein Projekt dieser Größenordnung sorgfältig zu planen. Gerade mit Fragen der Struktur muss man sich von Anfang an beschäftigen. Tut man das nicht, fällt einem das irgendwann auf die Füße. Da haben wir uns zum Glück so aufgestellt, dass wir inzwischen eine Lösung haben, an der nun problemlos zusätzliche Entwickler mitarbeiten können.
LTO: Wieso haben Sie für die Programmierung nicht von vornherein einen Entwickler hinzugeholt?
Bertram: Für uns war es so erst einmal leichter, weil wir keine Reibungsverluste hatten. Dann ist da noch die Besonderheit, dass ich selbst auch Anwalt bin und mich daher gut in die Position des Nutzers versetzen kann. Auf die Dauer könnte ich den technischen Part aber nicht alleine stemmen. Daher sorgt seit dem Launch im August ein zusätzlicher Entwickler dafür, dass die Anwendung stabil läuft und parallel eine Weiterentwicklung möglich ist. Zwei weitere Mitarbeiter unterstützen uns bei den geschäftlichen und administrativen Tätigkeiten.
LTO: Was raten Sie anderen Juristen, die ein Start-up gründen möchten?
Bertram: Die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende genau das rauskommt, was man ursprünglich geplant hat, ist eher gering. Das ist nicht schlimm, aber man muss in der Lage sein, sich ständig zu hinterfragen und trotzdem am Ball zu bleiben. Das kann schwer sein, wenn das Unternehmen lange nur Geld und Zeit verschlingt und über weite Strecken ungewiss ist, ob es für das neue Produkt überhaupt einen Markt gibt.
Bunnenberg: Etwas Glück gehört dann auch dazu. Als wir gestartet sind, war Legal Tech noch kein Begriff, den man an jeder Ecke gehört hat. 2017 fällt nun ein großes Interesse an dem Thema mit dem Start unserer Software zusammen. Planbar war das nicht.
Gründung von Kanzlei und Start-up vergleichbar
LTO: Wie hat die Gründung Ihrer Kanzlei Sie auf die aktuellen Aufgaben vorbereitet?
Bertram: Eine Kanzlei ist auch ein Unternehmen. Es spielt zwar nicht genau nach den gleichen Regeln wie ein Software-Unternehmen, aber viele Herausforderungen sind ähnlich.
Bunnenberg: Am Anfang ist es ganz normal, dass man als Gründer fast alles selbst macht. Das war auch bei der Eröffnung der Kanzlei so. Wichtig ist, dass man den Mut und die Energie aufbringt, seine Ziele zu verfolgen, auch wenn man dafür seine Komfortzone verlassen muss.
Im Übrigen lernen wir noch immer ständig dazu. Wir beschäftigen uns zum Beispiel intensiv mit Produktentwicklung und User-Experience-Design. Auch im Marketing versuchen wir, immer besser zu werden. Die Basis ist aber gelegt, weil jeder im Team solide technische Kenntnisse hat, das gilt nicht nur für die Programmierer. Uns bringt unser juristischer Hintergrund einen gewissen Vorteil: Juristen sind darauf trainiert, sich Dinge selbständig zu erschließen.
Zukunft liegt in der Cloud
LTO: Wie beurteilen Sie den deutschen Legal-Tech-Markt?
Bertram: Die Bereitschaft, sich mit Legal-Tech-Lösungen auseinanderzusetzen, ist unter Juristen in den letzten zwölf Monaten deutlich gestiegen, auch befeuert durch die zahlreichen Veranstaltungen. Man sieht, dass das Thema ernst genommen wird, und zwar sowohl in Kanzleien jeder Größe als auch in Rechtsabteilungen.
LTO: Wo sehen Sie besonderes Potenzial für Legal-Tech-Start-ups?
Bertram: Bei Lösungen, die die juristische Arbeit und Kommunikation einfacher machen und dabei den besonderen berufsrechtlichen Anforderungen des Anwaltsberufs gerecht werden. In technischer Hinsicht sehen wir die Zukunft ganz klar in der Cloud.
LTO: Was sind Ihre Ziele mit Lawlift für dieses und für das nächste Jahr?
Bertram: Das Verwenden von Lawlift soll für Anwälte irgendwann so selbstverständlich sein wie das Telefon. Es soll ein Arbeitsmittel sein, das jeder unproblematisch nutzen kann, um besser, effizienter und entspannter zu arbeiten.
Bunnenberg: Strategisch konzentrieren wir uns erstmal auf den deutschen Sprachraum, auch wenn wir bereits über eine englische Sprachversion verfügen. In absehbarer Zeit werden wir den Schritt ins nicht-deutschsprachige Ausland wagen.
Das Interview führte Christian Dülpers.
Christian Dülpers, Legal-Tech-Gründer im Interview: "So selbstverständlich wie das Telefon" . In: Legal Tribune Online, 16.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25573/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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