Die gläserne Decke in der Großkanzlei gibt es nach wie vor. Und die Angebote von Kanzleien, diese Hürde zu überwinden, haben bisher nur mäßigen Erfolg. Diane Manz sagt, was frau selbst für eine zufriedenstellende Karriere tun kann.
Schaut man sich das Angebot der deutschen Wirtschaftskanzleien an, was die Vereinbarkeit von Karriere und Familie angeht, dann gibt es Vieles: flexible Arbeitszeitmodelle, Unterstützung bei der Kinderbetreuung, Fortbildungs- oder Coaching-Angebote speziell für Frauen und ausgewiesene Frauen-Netzwerke. Das Spektrum reicht von Kinderspielzimmern im Büro über Elternzeit-Coaching bis hin zum möglichen Zukauf von Urlaubstagen. Damit bekommt die gläserne Decke an manchen Stellen bereits Sprünge, bereit für den Abriss ist sie aber noch lange nicht.
Insbesondere wenn ein Kind kommt und die Arbeitszeiten flexibel angepasst werden müssen, wird deutlich, dass eine Teilzeittätigkeit in Kanzleien, gerade im Transaktionsgeschäft, von Partnern wie auch Kollegen immer noch sehr kritisch betrachtet wird. Über den Wiedereinstieg wird erst kurz vorher gesprochen, die Kommunikation zu Erwartungen und Flexibilitätsbereitschaft lässt an vielen Stellen zu wünschen übrig.
Noch immer findet ein Großteil der kanzleiinternen Informationsveranstaltungen oder "Social Events" zu Uhrzeiten statt, die sich nicht mit den gängigen Teilzeitmodellen vereinbaren lassen. Es bleibt deutlich weniger Zeit für einen Schnack in der Kaffeeküche oder ein Lunch mit Kollegen, wenn man um vier Uhr nachmittags schon wieder an der Kita sein muss. Und das alles wird sanft untermalt von einem in Kanzleien immer noch häufig anzutreffenden traditionellen Rollenbild der Frau, in dem eine erfolgreiche Partnerin mit Kindern vergleichsweise schwierig abzubilden ist.
Nicht nur die Arbeitgeber sind in der Verantwortung
Die Großkanzleien stehen nun weiterhin vor der Herausforderung, ihre Kultur und ihre Arbeitsbedingungen zu optimieren – und wohlgemerkt nicht nur für Frauen. Der Vollständigkeit halber: Auch für Männer spielt, wie wir bereits wissen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine zunehmend wichtigere Rolle. Wer hätte sich noch vor ein paar Jahren als Mann getraut, im Vorstellungsgespräch nach Elternzeit zu fragen?
Die Verantwortung für einen erfolgreichen Durchbruch im Hinblick auf weibliche Karriere liegt aber nicht nur bei den Kanzleien allein. Sie liegt in großen Teilen bei der Gesellschaft als solches. Ein Blick in die skandinavischen Länder ist hier lohnenswert.
Und die Verantwortung liegt bei jeder Frau selbst. Das wird oft erst in Coachings und frauenspezifischen Trainings – und damit zu spät in der Karriere - zielführend thematisiert. Besser wäre es, zu jedem Zeitpunkt der eigenen Karriere aktiv für sich selbst einzustehen.
Sprechen Sie frühzeitig über Ihre Ambitionen
Auf die Frage, wie viele Anwältinnen in ihrer Kanzlei die Partnerschaft ernsthaft anstreben, antwortete mir vor kurzem eine Partnerin einer namhaften Großkanzlei, sie glaube, so etwa 20 Prozent. Dies zeigt, dass die Karriereambitionen von Frauen in Richtung Partnerschaft oft grundsätzlich in Frage gestellt werden. Aber ist es nicht eher eine Konsequenz daraus, dass viele Frauen im Hinblick auf Familiengründung und den damit vermeintlich einhergehenden Hindernissen in der Karriereentwicklung einfach viel zu früh freiwillig die Segel streichen?
Eine ehrliche und transparente Kommunikation mit den Vorgesetzten zu den eigenen Zielen und dem Weg dorthin ist die Basis für das Ausloten Ihrer Möglichkeiten. Warten Sie nicht darauf, dass Sie gefragt werden. Suchen Sie das Gespräch – nicht nur einmal, sondern immer wieder. Fragen Sie selbst proaktiv nach Erwartungen, nehmen Sie Bedenken vorweg und präsentieren Sie alternative Lösungsvorschläge. Ihre Karriere ist keine Bringschuld der Partnerschaft, sondern ein gemeinsames Projekt.
Sprechen Sie über Erfolge. Viele Studien zeigen, dass Frauen dazu tendieren, darauf zu warten, dass ihre Erfolge bemerkt werden und ihre Arbeit anerkannt und entsprechend honoriert wird. Diese Zurückhaltung kann fälschlicherweise als fehlende Karriereambition gewertet werden.
Verlassen Sie an dieser Stelle Ihre Komfortzone und machen Sie auf sich aufmerksam. Wenn Sie möchten, dann gehen Sie noch einen mutigen Schritt weiter und 'bewerben' sich aktiv auf das nächste spannende Projekt, an dem Sie wachsen und wertvolle Erfahrungen sammeln können. So kommen Sie schneller zu Aufgaben, die Ihrem Potential entsprechen und nicht nur Ihren bisherigen Leistungen.
Arbeiten Sie an Ihren Netzwerken
Der Partner einer weiteren bekannten Großkanzlei sagte in einer Diskussion zum Thema Frauenförderung: "Naja, man kann eben auch als Frau nicht einfach so den Mandanten fragen, ob er Lust hat, abends auf ein Bier zu gehen." Ich möchte an dieser Stelle jetzt nicht in #metoo-ähnliche Gefilde abschweifen, nur so viel: Lassen Sie sich nicht einreden, es gäbe nur bestimmte Methoden, erfolgreich zu netzwerken. Ein erfolgs- und karriereförderndes Netzwerk kann auf unterschiedlichsten Wegen aufgebaut werden.
Es beginnt beim eigenen Team. Ohne die Unterstützung im Team und des Vorgesetzten funktioniert es nicht. Pflegen Sie dieses unmittelbare Netzwerk regelmäßig, auch wenn die Zeit knapp ist oder Sie gerade in Elternzeit sind.
Keine Scheu vor dem Managing Partner
Wenn Sie Partnerin werden wollen, brauchen Sie auch die Unterstützung von anderen Meinungsbildnern in der Kanzlei, in Deutschland und z.B. von bestimmten Partnern im Headquarter oder vom Division Head an einem anderen Standort. Nutzen Sie interne Veranstaltungen der Kanzlei, bei denen Besuch aus anderen Standorten zugegen ist, um sich beim Small Talk vorzustellen.
Überwinden Sie hier den Gedanken, nicht wichtig genug zu sein, um mit dem weltweiten Managing Partner zu sprechen. Sie werden überrascht sein, welch positive Resonanz Sie bekommen. Sie heben sich damit auch sicher von einigen Ihrer männlichen Kollegen ab. Gleiches gilt für Ihre Besuche an anderen Standorten: Planen Sie immer Zeit ein, mit Schlüsselpersonen persönlich in Kontakt zu treten.
Der Auf- und Ausbau von externen Netzwerken spielt eine wesentliche Rolle um branchenspezifisch Up-to-date zu sein. Er ist auch unumgänglich für die Akquise und den Aufbau und Erhalt von Mandantenbeziehungen. Je präsenter Sie sind, umso leichter wird man sich an Sie erinnern und gegebenenfalls auch direkt ansprechen.
Schließen Sie sich Kollegen oder Kolleginnen an, die bereits in hilfreichen Netzwerken vertreten sind. Besprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzen, wie Sie mit bestehenden Mandanten auch außerhalb laufender Projekte Kontakt halten können und welche Aktivitäten sinnvoll sind, um potentielle Mandanten kennen zu lernen. Fragen Sie die Partnerinnen Ihrer Kanzlei, wie sie ihr Netzwerk aufgebaut haben. Je mehr Anregungen Sie bekommen, umso eher sind Sie in der Lage herauszufiltern, was für Sie passt.
Halten Sie Ihr schlechtes Gewissen in Schach
Eine erfolgreiche Karriere in einer Großkanzlei ohne angemessene Unterstützung zuhause wird nicht funktionieren. Das gilt für organisatorische Dinge genauso wie für die grundsätzliche Anerkennung der Rolle, die man als arbeitende Frau einnimmt.
Wenn Sie allein leben und Vollzeit arbeiten, dann gönnen Sie sich eine Putzfrau oder einen Einkaufsdienst. Ich würde das nicht sagen, wenn ich nicht schon viele junge Frauen getroffen hätte, die sich nahezu schämen, diese Aufgaben nicht auch noch selbst zu erledigen. Verbringen Sie die Zeit, die Sie dafür aufwenden müssten, lieber mit einem schönen Ausgleich.
Wenn Sie in einer Beziehung sind, insbesondere mit Kindern, besprechen Sie, an welchen Stellen Sie externe oder soweit verfügbar auch familiäre Unterstützung holen und wo Sie sich gegenseitig entlasten können. Vielleicht nutzen Sie die zwei Monate Elternzeit des Vaters nicht für einen langen Urlaub, sondern für Ihren Wiedereinstieg?
Karriere verlangt Opfer - von allen Familienmitgliedern
Machen Sie sich bewusst, dass eine erfolgreiche Karriere, egal ob in Voll- oder in Teilzeit von allen Familienmitgliedern Opfer verlangt. So wie sie das bei Männern auch tut. Schließen Sie damit Ihren Frieden, wenn Sie Familie und Karriere wollen. Dann werden Sie in der Lage sein, das Beste daraus zu machen – in beiden Bereichen und für alle Beteiligten. Um noch einmal auf Skandinavien zurückzukommen: Das Wort 'Rabenmutter' gibt es dort nicht, aber viele zufriedene Familien, in denen beide Elternteile arbeiten – auch in Großkanzleien.
Sie können jetzt natürlich sagen: "Klingt alles so einfach, ist es aber in der Realität nicht." Korrekt. Aber wenn Sie nicht selbst für sich einstehen, wer soll es sonst tun? Zeigen Sie, dass Sie es wert sind, gefördert zu werden. Und lassen Sie sich von Rückschlägen nicht unterkriegen. Damit untermauern Sie, dass sich der Einsatz der Kanzleien lohnt, die gläserne Decke abzureißen.
Diane Manz, ehemalige HR-Managerin einer internationalen Großkanzlei, betreut als Coach und Trainerin Privatpersonen und Unternehmen rund um den Bereich Führung, inklusive Themen wie Kommunikation, Vielfalt und Einbindung, Selbstmanagement und Stressprävention.
Frauenförderung ist ein Geben und Nehmen: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30763 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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