Jessica Scholz (41) ist seit vielen Jahren im Kanzleimarketing und Business Development deutscher Wirtschaftskanzleien tätig. Im LTO-Interview erzählt sie, wie sie neben ihrer Tätigkeit für Freshfields Bruckhaus Deringer das "CIM Professional Services Marketing Diploma" in Deutschland etablieren und ein Executive-MBA-Programm absolvieren will.
Jessica Scholz
LTO: Frau Scholz, gab es bei Ihnen jemals ein anderes Berufsziel als Kanzleimanagement?
Scholz: Durchaus, nach dem Abitur habe ich zunächst Jura studiert. Eigentlich wollte ich ja Journalistin werden, aber ich war dem Rat gefolgt, vorher etwas "Solides" zu studieren. Im Laufe des Studiums verfolgte ich dann zwar für einige Zeit das Karriereziel Rechtsanwältin, aber je mehr ich von der Juristerei mitbekam, desto unattraktiver wurde dieses Ziel für mich. Ich brach schließlich das Studium kurz vor dem 1. Staatsexamen ab und begann Ende 2000 im Vertrieb für den damals noch jungen JUVE Verlag zu arbeiten.
LTO: Wie waren die Kanzleien denn zu diesem Zeitpunkt in Sachen Marketing aufgestellt?
Scholz: Meine Ansprechpartner waren noch sehr selten Marketingfachleute. Marketingaufgaben wurden vielmehr an alle möglichen Personen delegiert. Manchmal waren es die jüngsten Anwälte, manchmal der Kanzleisenior oder die Gattin des Seniors. Manchmal waren es Sekretärinnen, Personaler oder sogar IT-Leute; eine bunte Mischung. Ab 2001 wurden aber zunehmend mehr Marketing Professionals in Kanzleien angestellt und ich konnte beobachten, wie sich diese hinsichtlich der unterschiedlichen Aufgaben spezialisierten und das Marketing professioneller wurde. Ich fand das sehr spannend und entdeckte dies auch für mich selbst als Perspektive.
LTO: Passte diese Neuorientierung denn zu Ihrer Ausbildung?
Scholz: Ich studierte schon bald nach Aufnahme meiner Berufstätigkeit berufsbegleitend Wirtschaftsrecht an der Rheinischen Fachhochschule in Köln, spezialisierte mich dort auf Dienstleistungsmarketing und schrieb meine Diplomarbeit über Kanzleimarketing. Ich bin mittlerweile überzeugt, dass diese Karriereentwicklung, die ich so nie von Anfang geplant hatte, das Beste war, was mir passieren konnte. Meine juristische und betriebswirtschaftliche Ausbildung mit Marketingschwerpunkt ist ein fast perfektes Profil für das, was ich tue. Keine Anwältin geworden zu sein, habe ich jedenfalls nie bereut!
Warum BD-Experten aus anderen Branchen in Kanzleien manchmal scheitern
LTO: Wie verlief Ihr Einstieg in die Welt der Wirtschaftskanzleien?
Scholz: Ich habe unter anderem bei Ashurst, CMS Hasche Sigle und Beiten Burkhardt Erfahrungen in den unterschiedlichsten Segmenten der Beratungswelt sammeln können. Begonnen habe ich dabei als Marketinggeneralistin. Während der Zeit als sich das "Business Development" als eigene Disziplin aus dem allgemeinen Marketing heraus entwickelte, habe ich mich sehr bald in diese Richtung spezialisiert. Ich habe Spaß daran, mit Praxis- oder Sektorgruppen gemeinsam Businesspläne zu gestalten, die Anwälte bei der Auswahl geeigneter Marketing- und Geschäftsentwicklungsmaßnahmen zu beraten und diese mit Marketing-, PR- und anderen BD-Kollegen gemeinsam umzusetzen. Auch die strategische Auseinandersetzung mit Mandantenbeziehungen (CRM) ist einer der Aufgabenbereiche, in dem es in der deutschen Kanzleilandschaft noch viel zu gestalten gibt.
LTO: Kann man Business Development mittlerweile studieren?
Scholz: Nein, das Jobprofil im Business Development ist so vielseitig, dass man nicht ein bestimmtes Studium empfehlen kann, um alles Wichtige und Notwendige mitzubringen. Juristisches Wissen ist zum Beispiel sehr hilfreich, um die anwaltlichen "Produkte" zu verstehen, die es mittels unserer Hilfe in den Markt zu bringen gilt. BWL und Marketingkenntnisse sind aber gleichsam wichtig, denn darin steckt das Handwerkszeug, um erfolgreich und nachhaltig Kampagnen planen, umsetzen und kontrollieren zu können. Wir beobachten häufig im Recruitment und in der Nachwuchsarbeit, dass es die "ideale Mischung" aus den Bereichen, Jura, BWL oder anderen Fachrichtungen sehr selten gibt.
LTO: Wäre es nicht sinnvoll, einfach erfahrene BD-Professionals aus anderen Branchen in die Kanzleien holen?
Scholz: Mindestens so wichtig wie Fachkenntnisse sind die Kenntnisse des juristischen Marktes und seiner Besonderheiten sowie die Fähigkeit, mit der besonderen Struktur und Kultur von Partnerschaftsgesellschaften zurechtzukommen. Wir alle haben es schon erlebt, dass talentierte Kolleginnen und Kollegen aus anderen Branchen in die Kanzleiwelt gekommen sind und dieser sehr speziellen Kultur dann sehr bald wieder den Rücken gekehrt haben. Was natürlich vor allem an der Herausforderung liegt, sich in einer Kanzlei mit ganz anderen Entscheidungsstrukturen zurechtzufinden als in Unternehmen. In einer Kanzlei mit 100 Partnern können sie 100 Geschäftsführer und Eigentümer haben, die alle Unternehmer und Entscheidungsträger sind. Damit muss man erstmal zurechtkommen. Das erfordert sehr viel Diplomatie und vor allem ein gutes Verständnis der jeweiligen Kanzleipolitik und Netzwerke innerhalb der Kanzlei. Vermutlich ist letzteres sogar eines der wichtigsten Dinge.
LTO: Ist es möglich, die erforderlichen Fähigkeiten zu erlernen?
Scholz: Ja, selbstverständlich. Mit einer gesunden Mischung aus Neugier, Lernbereitschaft und vor allem einer großen Portion Politikverständnis kann man sich, wenn man das möchte, sehr gut in diese Strukturen einarbeiten. Allerdings darf bei aller Politik und Diplomatie die Fachkenntnis nicht fehlen, denn die Ansprüche an die Arbeitsergebnisse liegen auf sehr hohem Niveau.
Die Zukunft bringt weitere Spezialisierung
LTO: Sie selbst versuchen seit dem letzten Jahr, einen Weiterbildungskurs für Marketing- und BD-Professionals in Deutschland zu etablieren.
Scholz: Ja, ich habe in 2013 erstmalig ein kanzleiübergreifendes Pilotprojekt mit dem Cambridge Marketing College koordiniert. Das vom britischen "Chartered Institute of Marketing" akkreditierte Studium hat einen Schwerpunkt im Professional Services Marketing und richtet sich an Marketing- und BD-Professionals in Kanzleien mit erster Berufserfahrung, die ihre Marketingkenntnisse in dem sehr speziellen Bereich Dienstleistungsmarketing vertiefen möchten. Das Programm ist modular aufgebaut und kann neben der Berufstätigkeit innerhalb von 12 bis 18 Monaten absolviert werden. Der Abschluss, das "CIM Marketing Diploma" berechtigt dazu, sich als "Chartered Marketer" registrieren zu lassen, was im angelsächsischen Raum eine renommierte Qualifikation darstellt. Wir versuchen, diesen Abschluss auch in Deutschland zu etablieren, um eine gewisse Standardisierung der Marketing- und BD-Ausbildung zu schaffen. Entstanden ist diese Idee in einem Kreis von Kanzlei-COOs und bisher zählen wir schon über 15 Teilnehmer aus 8 verschiedenen Kanzleien. Ich konnte in diesem Programm auch selbst einen Lehrauftrag annehmen, denn meinem Arbeitgeber Freshfields ist das Thema Aus- und Weiterbildung im BD-Bereich sehr wichtig und mir persönlich ebenfalls.
LTO: Und dessen nicht genug, haben Sie auch noch ein Executive-MBA-Studium aufgenommen.
Scholz: In der Tat und dieses möchte ich noch im laufenden Jahr abschließen. Ich bin gerade dabei, die abschließende Thesis anzufertigen und untersuche in diesem Rahmen kanzleiübergreifend die Entwicklung von Marketing und BD aus Sicht der internen Kunden, also aus Partnersicht. Dabei zeigt sich ein recht differenziertes Bild: In manchen Kanzleien sind die Tätigkeiten von Marketing und BD bereits lang etabliert und sehr weit entwickelt, was sich in sehr differenzierten Erwartungshaltungen der Partner widerspiegelt. In anderen Kanzleien hingegen haben Marketing- und Business-Development-Spezialisten noch mit grundlegenderen Dingen zu kämpfen wie dem Aufbau eines gegenseitigen Verständnisses zwischen Marketing/BD und den Partnern, was die Zielrichtung und die konkrete Umsetzung von Marketing- und Geschäftsentwicklungsmaßnahmen betrifft.
LTO: Und wohin führt der Weg der Kanzleien in Sachen Business Development?
Scholz: Ich bin sicher, dass wir dort, wo diese interne Dienstleistungsfunktion schon weit entwickelt ist, noch weitere Spezialisierungen sehen werden. Insbesondere vor dem Hintergrund technologischer Entwicklungen werden sich sicherlich Jobprofile herausbilden, die wir heute so noch nicht kennen, zum Beispiel eine Art "Marketingingenieur", noch spezialisiertere Client Relationship Manager und auch Spezialisten für digitales Marketing.
Allgemein sollten wir aber vor allem an die weitere Professionalisierung unseres Tätigkeitsfeldes denken und gemeinsam mit Kanzleimanagementgremien und Partnern an der Weiterentwicklung der Zusammenarbeit zwischen Partnern und Marketing/BD arbeiten. Hier sind sind beide Seiten gefragt, sowohl die Partner als auch die Marketing- und BD-Experten selbst. Diese Entwicklung ist sicherlich auch getrieben durch höhere Anforderungen von Mandanten, den dadurch verstärkten Druck aus dem Markt und den verschärften Wettbewerb unter Kanzleien.
Was uns als Profession selbst betrifft sind wir mittlerweile allgemein gesprochen verlässliche Experten für die Anwendung von Kanzleimarketing, aber wir sind noch nicht ganz ausgereifte Profis, was das eigene Marketing für unsere Berufsgruppe angeht. Gerade in Marktsegmenten jenseits der großen internationalen Law Firms gibt es noch viel zu tun im Hinblick auf die Positionierung von Marketing und BD als Experten, die einen echten Mehrwert für die gesamte Kanzlei leisten können. Bisweilen werden Marketing- und BD-Leute immer noch als diejenigen gesehen, die für "bunte Bilder" zuständig sind oder die in Pitchunterlagen die Striche auf die T's und die Punkte auf die I's machen. Allerdings muss man fairerweise sagen, dass diese Haltung in den letzten zehn Jahren deutlich seltener geworden ist. Unser Berufsstand ist auf einem guten Weg und ich bin sehr darauf gespannt, diesen mit meinen Kollegen zusammen weiterzugehen.
LTO: Wir danken Ihnen für das Gespräch
Das Interview führte Christian Pothe.
Christian Pothe, Jessica Scholz im Portrait: . In: Legal Tribune Online, 07.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12450 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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