Die Luxemburger Richter haben so viel zu tun wie noch nie – und bleiben dennoch effizient. Probleme machen allerdings Fluggastrechte und ein Kartell von Badezimmerausstattern.
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat einen neuen Rekord eingefahren, über den sich die Richter aber nur bedingt freuen können: Noch nie in der Geschichte des EuGH haben so viele Rechtssachen den Gerichthof erreicht wie im vergangenen Jahr. Das geht aus der aktuellen Rechtsprechungsstatistik des Gerichtshofs und des Gerichts der Europäischen Union (EuG) für das Jahr 2017 hervor.
So erwarteten den EuGH im Jahr 2017 insgesamt 739 neue Rechtssachen. Das übertrifft den bisherigen Höchststand aus dem Jahr 2015, damals waren es 713 neue Fälle.
Der Grund für den Anstieg liegt laut der Mitteilung der zwei Gerichte vor allem in der gestiegenen Zahl von Vorabentscheidungsersuchen. Dabei legen nationale Gerichte dem EuGH Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vor. Im Jahr 2017 ging es dabei vor allem um die Auslegung der Verordnung über die Entschädigung von Fluggästen. Eine ganze Reihe von ähnlich gelagerten Fällen habe beim EuGH für einen Anstieg der Vorabentscheidungsverfahren gesorgt.
Knapp weniger Fälle erledigt, als neu hinzukamen
Diese Ansammlung von vierzig Fluggastrechte-Fällen vermiest dem EuGH auch seine Erledigungszahlen - eines der maßgeblichen Kennzeichen, wenn es um die Messung der Leistungsfähigkeit eines Gerichts geht. Im Jahr 2017 hat der EuGH 699 Rechtssachen erledigt und damit nur knapp weniger als im vorausgegangenen Jahr (704). Damals konnte der EuGH aber mehr Fälle erledigen als neue hinzukamen. Dieses Jahr verpasst er diese Marke knapp.
Das neue Ergebnis wird er aber auch verschmerzen können, die Selbsteinschätzung fällt erwartungsgemäß positiv aus: Der Gerichtshof sei "praktisch ebenso produktiv wie im vergangenen Jahr", heißt es in der Mitteilung.
Auch die durchschnittliche Bearbeitungsdauer ist angestiegen – allerdings nur leicht: 2016 lag sie bei 15 Monaten, nun beträgt sie im Schnitt 15,7 Monate.
Verzögert hat sich die Bearbeitungszeit für die eingelegten Rechtsmittel: 17,1 Monate gegenüber 12,9 Monaten im Jahr 2016. Schuld daran seien vor allem komplexe Streitigkeiten auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts. Besonders beschäftigt hat den EuGH ein aufwendiges Dossier über Absprachen zwischen den Herstellern von Badezimmerausstattungen, dem sog. Badezimmer-Kartell.
Bewährungsprobe für neu organisiertes EuG
Das Jahr 2017 war für das intern neu organisierte EuG eine erste Bewährungsprobe. Es ist das erste volle Geschäftsjahr seitdem 22 neue Richter an das Gericht gekommen sind und sich Zuständigkeiten sowie Strukturen geändert haben.
Auch das EuG bleibt mit seinen Erledigungen (895) knapp unter den Neueingängen (917).
"Diese Produktivität dürfte 2018 noch steigen, wenn das Gericht seinen neuen Arbeitsrhythmus gefunden haben sollte", lautet es dazu aus Luxemburg.
Bereits 2017 konnte das EuG die Verfahrensdauer drücken: Im Schnitt dauert es 16,3 Monate, bis eine Rechtssache mit Urteil oder Beschluss erledigt werden konnte. Damit setzte sich ein seit 2013 andauernder Positiv-Trend fort. Die Verfahrensdauer hat sich in diesem Zeitraum um 40 Prozent reduziert.
Markus Sehl, Die Zahlen zur EU-Rechtsprechung 2017: . In: Legal Tribune Online, 28.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27773 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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