Mehr Personal und mehr Digitalisierung in der Justiz - dafür wollen die Länder mehr Geld vom Bund. Auf der Jumiko gab es am Mittwochabend auch eine Einigung bei Fluggastrechten und zu einem neuen Vorabentscheidungsverfahren beim BGH.
Die Länder haben sich gemeinsam für eine Neuauflage des Pakts für den Rechtsstaat ausgesprochen, das geht aus einem Beschlusspapier der Justizministerkonferenz hervor.
Damit wollen sie vor allem mehr Unterstützung vom Bund für ihre Justiz. Bis zuletzt waren sich die Länder überraschend uneinig, was sie - falls sie es denn letztlich auch erhalten - eigentlich fordern sollten. Klar, Geld kann man in der Justiz immer gebrauchen. Aber für was es eingesetzt werden soll, dazu hatten die Länderjustizministerinnen und -minister unterschiedliche Schwerpunkte betont.
Die Länder mit CDU-Regierungsbeteiligung unter Führung der hessischen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) wollte darauf setzen, die Digitalisierung in der Justiz voranzutreiben. Sie schlugen deshalb einen "Pakt für den Rechtsstaat 2.0" vor. Hamburg und Rheinland-Pfalz stellten dagegen die Personalverstärkung in den Vordergrund.
Herausgekommen aus den Verhandlungen ist nun ein Kompromiss, der auch so klingt: "Personalverstärkungen nachhaltig fortsetzen und Digitalisierung der Justiz vorantreiben – Pakt für den Rechtsstaat 2.0"
Mehr Geld für Personal – und für Digitalisierung
Die Rechnung der Länder geht grob so: Der Bund könne nicht Gesetze insbesondere im Bereich des Strafrechts beschließen, die in der Justiz der Länder für Mehrarbeit sorgt, und sich dann nicht an den Kosten beteiligen. Außerdem befürchten die Länder laut Beschluss auch, dass die Aufarbeitung der Corona-Pandemie die Justiz zusätzlich beanspruchen wird.
Auch stehe die Justiz vor einem digitalen Wandel: die Einführung der elektronischen Akte, die Einführung des Datenbankgrundbuchs und elektronischer Register, sowie die IT-Sicherheit in der Justiz, die Digitalisierung in der Ausbildung, dazu noch die Kommunikationsschnittstelle zwischen Justiz und Polizei sowie das Datenmanagement digitaler Asservate und der Ausbau des mobilen Arbeitens sowie der Online-Verhandlungen – das alles werde zusätzliche Ressourcen in Anspruch nehmen. Deshalb schlagen die Länder einen "Justiz-Digitalisierungs-Fond" vor.
Die Bundesregierung solle dazu zeitnah in Verhandlungen mit den Ländern "über eine Verlängerung und Intensivierung des finanziellen Engagements des Bundes" eintreten.
Auch der Deutsche Richterbund (DRB) hatte eine Neuauflage des Rechtsstaatspakt gefordert. DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn sagte zu LTO: "Es braucht einen Rechtsstaatspakt 2.0 von Bund und Ländern, der den notwendigen Personalaufbau bis 2025 fortsetzt und die Digitalisierung der Justiz aus einem Guss vorantreibt. Trotz der zuletzt neu geschaffenen Stellen arbeitet insbesondere die Strafjustiz weiterhin am Limit, weil sie durch zahlreiche Strafverschärfungen wie etwa die Gesetze gegen Hass und Hetze im Netz oder gegen Kinderpornografie immer neue Aufgaben bekommt."
Allein die neu eingeführte Meldepflicht der sozialen Netzwerke bei Hass und Hetze auf ihren Plattformen dürfte laut DRB zu rund 150.000 Strafverfahren pro Jahr führen. Zudem müsse mit einer Neuauflage des Paktes auch die Digitalisierung in der Rechtspflege massiv beschleunigt und bundesweit besser verzahnt werden. "Die Corona-Pandemie hat in aller Schärfe gezeigt, dass hier noch viel zu tun ist", so Rebehn.
Damit haben sich die Länder auch strategisch aufgestellt, schließlich stehen im Herbst die Bundestagswahl und Koalitionsverhandlungen an. Praktisch, da mit einer einheitlichen Forderung anzutreten.
"Vorabentscheidung" beim BGH und Fluggastrechteklagen
Die Justizministerinnen und Justizminister hatten sich außerdem mit Fluggastrechteklagen befasst. Dahinter steckt ein Problem, das seit Jahren bekannt ist: Amtsgerichte, zu deren Einzugsbereich ein großer Flughafen gehört, gehen in Klagen unter – in Hessen gehört dazu das Amtsgericht Frankfurt am Main. Dass massenhaft Klagen eingehen, liegt vor allem an Legal-Tech-Plattformen wie Flightright, die Passagieren anbieten, Entschädigungsansprüche schnell und unkompliziert geltend zu machen.
Nun schlagen die Justizministerinnen und Justizminister vor, den Gerichten ebenfalls durch technische Mittel die Durchführung der Verfahren zu erleichtern. Das Bundesjustizministerium solle verfassungsrechtlich konforme Möglichkeiten zur Vereinfachung der gerichtlichen Abläufe im Zusammenhang mit standardisierbaren Klagen prüfen, heißt es in dem Beschluss.
Außerdem betont die Jumiko, dass zivilrechtliche Massenverfahren schnell höchstrichterlich geklärt werden müssen - eine Lehre aus dem Abgasskandal. Im Rahmen der Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie sollen deshalb ein Vorlageverfahren zum BGH oder vergleichbare Maßnahmen geprüft werden, sodass die Instanzgerichte "eine vergleichsweise zügige" höchstrichterliche "Vorabentscheidung" über grundsätzliche Rechtsfragen herbeiführen könnten, wenn es um eine Vielzahl an Einzelfällen geht.
Jumiko 2021: . In: Legal Tribune Online, 16.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45230 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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