Anwälte, die statt Microsoft Windows oder Apple macOS das Betriebssystem Linux nutzen, klagen schon länger, dass sie ihr beA nicht vollwertig nutzen könnten. Jetzt versprechen BRAK und BNotK, die Ungleichbehandlung zu beenden.
Linux ist ein kostenloses Betriebssystem, das sich im Laufe der Zeit zum größten Open-Source-Softwareprojekt der Welt entwickelt hat. An der Entwicklung sind Unternehmen, Non-Profit-Organisationen und viele Freiwillige beteiligt. Laut Wikipedia ist Linux im Server-Markt wie auch im mobilen Bereich inzwischen eine feste Größe, während es auf Desk- und Laptops eine noch geringe, aber wachsende Rolle spiele.
Auf dem Markt der PC-Betriebssysteme sind die Machtverhältnisse allerdings deutlich: Microsoft Windows ist der klare Marktführer und Apples macOS mit deutlichem Abstand Zweiter. Erst weit abgeschlagen findet sich Linux auf Platz 3. Das Betriebssystem kam in Deutschland im September 2023 gerade einmal auf einen Marktanteil an den Page Views von rund 2,4 Prozent.
Und dennoch: Auch wenn Linux mit dem sympathischen Pinguin-Maskottchen "Tux " im Vergleich zu den beiden Großen nur eine untergeordnete Bedeutung hat, nutzen auch einige Anwälte die Open-Source-Software. Einer von ihnen ist der Berliner Rechtsanwalt Michael Schinagl. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht kritisiert seit Jahren, dass er als Linux-Nutzer das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nicht gleichberechtigt und in vollem Umfang nutzen könne.
"Von der beA-Nutzung faktisch ausgeschlossen"
Der für das beA verantwortlichen Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und Bundesnotarkammer (BNotK) wirft Schinagl vor, dass er und alle anderen Anwälte, die Linux nutzen, von der Nutzung des beA faktisch ausgeschlossen seien. "Das beA ist eigentlich plattformübergreifend konzipiert und die Nutzung auch unter Linux unproblematisch möglich ist, sowohl Karte als auch Zertifikat." Allerdings, so der Anwalt, ließen sich neue Karten und Zertifikate nicht unter Linux ausstellen. Es müsse eine Software installiert sein, die für diese Plattform nicht gestellt werde.
Seinen Unmut darüber zum Ausdruck gebracht hat Schinagl erneut in der vergangenen Woche. In einem Schreiben an die BRAK vom 20. Novemeber und in einem an die für ihn zuständige Rechtsanwaltskammer (RAK) Berlin. Darin wirft er den Kammern eine nicht hinnehmbare Begrenzung seiner beruflichen Möglichkeiten vor. Die Situation widerspreche dem stets proklamierten Ansatz der BRAK, wonach das beA plattformübergreifend genutzt werden könne, mithin auch unter Linux. "Diese Möglichkeit ist faktisch nicht gegeben für Linux nutzende Kollegen, die nicht bereits über Karte und Zertifikat verfügen oder deren Zugangsmittel widerrufen werden mussten oder durch Unbefugte widerrufen wurden." Zwar verfüge er aktuell noch über Zertifikate, könne diese jedoch unter Linux nicht auf den aktuellen technischen Stand bringen. "Dies scheitert daran, dass eine Anmeldung am Kundenportal der BNotK voraussetzt, dass zuvor die Software SAK lite installiert sein muss, die unter Linux aber gar nicht angeboten wird", so Schinagl.
Der Anwalt bedauert, dass die RAK Berlin sich gegenüber der BRAK in den letzten Jahren nicht habe durchsetzen können: Schließlich habe er schon im Januar 2018 – also Monate vor Start des beA – auf einer Versammlung der RAK eine deutliche Mehrheit für seine Forderung bekommen, die Berliner Kammer möge auf die BRAK einwirken, dass diese den Linux-Nutzern einen ähnlichen Support biete wie Windows und Apple-Nutzern. "Mittlerweile sind deutlich mehr Linux-Nutzer vollständig unabhängig von den genannten Alternativen, folglich deutlich abhängiger davon, dass Linux-Support und geeignete Software bereitstehen", schreibt Schinagl.
BRAK und BNotK kündigen "single sign on"-Lösung an
Nachdem Schinagls Bemühungen also über Jahre nicht gefruchtet haben, scheint sein Wunsch nun jedoch in Erfüllung zu gehen. Auf Anfrage räumt die BRAK ein, dass die von Schinagls erwähnte Software "SAK lite" derzeit in der Tat nicht mit Linux-Systemen eingesetzt werden könne. Gleichzeitig kündigt sie gegenüber LTO an: "Die BRAK arbeitet gerade mit der BNotK gemeinsam an einer Funktion, über die Software-Zertifikate direkt aus dem beA-System heraus bestellt werden können." Diese zusätzliche Funktionalität werde "voraussichtlich im zweiten Quartal 2024" zur Verfügung stehen, so eine BRAK-Sprecherin. SAK lite werde dann für den Erstellungsprozess nicht mehr notwendig sein. Dadurch werde die Bestellung und Erstellung von Software-Zertifikaten erheblich erleichtert und auch für Linux-Anwender ermöglicht.
Die bevorstehende Neuerung bestätigt gegenüber LTO auch die BNotK: "Die Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer arbeitet derzeit gemeinsam mit der Bundesrechtsanwaltskammer an einer sogenannten 'single sign on'-Lösung, mittels derer sich Nutzer:innen auch ohne die Anwendung SAK lite im Kundenportal anmelden und damit auch Softwarezertifikate bestellen und tauschen können", teil der Sprecher der Notarkammer mit.
Infos im beA-Newsletter
Für Rechtsanwalt Schinagl wäre das Ende der Ungleichbehandlung ein voller Erfolg – wenn auch ein reichlich später. Von der BRAK bekam der Linux-Nutzer inzwischen ebenfalls eine Info über die bevorstehende Neuerung: "Wir werden über den beA-Newsletter informieren, sobald die Bestellmöglichkeit zur Verfügung steht", verspricht ihm darin BRAK-Geschäftsführerin Julia von Seltmann.
Aufatmen dürfte dann auch die RAK Berlin, die Schinagl in seinem Schreiben auf mögliche, bevorstehende rechtliche Schritte aufmerksam gemacht hatte. "Mir sind eine Reihe von Linux-Nutzern in der Anwaltschaft bekannt, die bereits bekundet haben, gegen den faktischen Ausschluss zu klagen," schrieb er der Kammer erst vergangenen Donnerstag.
Ärger mit dem elektronischen Anwaltspostfach: . In: Legal Tribune Online, 28.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53283 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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