Eigentlich sollten Sachverständige und Dolmetscher, die von der Justiz beauftragt werden, wie die Anwälte im kommenden Jahr deutlich mehr Geld bekommen. Daraus wird jetzt nichts, die GroKo gab dem Druck der Länder nach.
Zuletzt war es richtig ernst geworden: Erneut drohten die Länder damit, ein pünktliches Inkrafttreten der Gebührenerhöhung für Anwälte zum 1. Januar 2021 zu blockieren und den Vermittlungsausschuss anzurufen. Der Grund: Im "Kostenrechtsänderungsgesetz (KostRÄG) 2021" wird den klammen Länderhaushalten nicht nur die Erhöhung der Anwaltsgebühren zugemutet, auch die Honorare für Sachverständige und Dolmetscher hätten deutlich steigen sollen.
Damit jedoch zumindest die Anwaltschaft entspannt dem Jahreswechsel entgegenblicke kann, hat sich die GroKo nach LTO-Informationen am Donnerstag darauf verständigt, jedenfalls die Erhöhung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung um zehn Prozent pünktlich zum 1. Januar in Kraft treten zu lassen – auf Kosten der Sachverständigen und Dolmetscher: Die nämlich sollen vorerst weiter auf eine deutliche Honorarerhöhung warten müssen, obwohl ihre Honorare nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) zuletzt zum 1. August 2013 an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst wurden - auf Grundlage einer Marktanalyse von 2009.
Der "Justizrabatt" für Sachverständige bleibt
Auch in Zukunft dürfen Sachverständige und Dolmetscher für ihre Arbeit für die Justiz nicht die vollen Honorarsätze wie auf dem freien Markt verlangen. Die ihnen vom BMJV noch im ursprünglichen Gesetz zur Änderung des (JVEG), die in das KostRÄG integriert wurde, in Aussicht gestellte Abschaffung des sogenannten Justizrabattes ist vom Tisch.
Dieser sieht vor, dass Sachverständige bei ihrer Tätigkeit für die Gerichte zehn Prozent weniger verlangen dürfen als auf dem freien Markt. Auf Grundlage einer Marktanalyse von 2018 sollte er im selben Gesetzesvorhaben, in dem auch die Anwaltsvergütung geregelt wird, eigentlich gestrichen werden. Für die Sachverständigen geht es um mehr Geld - für die Justiz aber vor allem darum, dass den Gerichten und Staatsanwaltschaften überhaupt noch qualifizierte Sachverständige in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen: Offenbar hatten sich mehr und mehr von ihnen wegen des aufgezwungenen Justizrabatts bei Gericht eher für Aufträge aus der freien Wirtschaft entschieden.
Die Gefahr, dass sie das auch weiterhin tun werden, besteht nun. Wie der rechtspolitische Sprecher der SPD, Johannes Fechner, gegenüber LTO bestätigte, bleibt der Justizrabatt zugunsten der Länderhaushalte im Grundsatz bestehen. Er wird lediglich abgesenkt: "Auf der Zielgeraden des Gesetzgebungsverfahrens hatten Unions-Länder mit dem Vermittlungsausschuss gedroht, weil sie zu hohe Kosten befürchtet hatten. Diesen Bedenken sind wir jetzt entgegengekommen. Der sog. Justizrabatt für Sachverständigenhonorare wird nicht wie im Gesetzesentwurf vorgesehen abgeschafft, sondern beibehalten, aber von heute zehn auf künftig fünf Prozent reduziert. "
Union: Mehrkosten für die Länder werden abgemildert
Ein wenig anders klingt die Last-Minute- Änderung zulasten der Sachversständigen aus dem Munde des rechtspolitischen Sprechers der Union, Dr. Jan-Marco Luczak. Er schiebt dem Bundesjustizministerium (BMJV) den Schwarzen Peter zu:
"Das Justizministerium hat zusätzlich zu den Änderungen der Rechtsanwaltsgebühren einige weitere Regelungen aufgenommen, die die Länderhaushalte mit Mehrkosten im dreistelligen Millionenbereich belastet hätten. Damit stand plötzlich die langwierig mit allen Ländern ausgehandelte Einigung und damit auch das Inkrafttreten des Gesetzes zu Anfang Januar 2021 wieder in Frage", erklärte Luczak im Gespräch mit LTO. Jetzt freue er sich über einen Kompromiss, bei dem die Mehrkosten der Länder etwas abgemildert würden, "in dem Kosten für Dolmetscher und Sachverständige nicht so stark steigen wie vom BMJV vorgeschlagen".
Letztlich zeigen sich aber sowohl Union als auch SPD mit der Einigung zufrieden:
"Zum 1. Janur2021 werden die Anwaltsgebühren um rund zehn Prozent erhöht. Das ist maßvoll, weil die Gebühren seit 2013 nicht erhöht worden sind. Die Coronakrise hat auch viele Anwälte getroffen und bei weitem nicht jeder Anwalt hat ein hohes Einkommen," so Fechner. Der SPD-Rechtspolitiker betonte, dass trotz des nunmehr erzielten Kompromisses auch Sachverständige, Sprachmittler, ehrenamtliche Richter und Zeugen eine höhere Vergütung bekommen würden. "Diese Berufsgruppen sind in wichtiger Teil der Rechtspflege und unseres Rechtsstaats. Sie müssen ausreichend verdienen, um ihre Unabhängigkeit und ihre hohe Qualität zu sichern."
Auch Luczak, selbst zugelassener Rechtsanwalt, kann mit der Erhöhung der Anwaltsvergütung gut leben. Es sei "legitim und gerechtfertigt", dass nach sieben Jahren endlich eine Gebührenanpassung erfolge. In den vergangenen Jahren seien die Kosten für Büroräume, Gehälter oder Strom für Anwälte stark gestiegen. "Auch Anwälte müssen wirtschaftlich arbeiten können, damit sie die Qualität ihrer Beratungsdienstleistungen aufrechterhalten und vor allen Dingen auch in der Fläche präsent sein können", so Luczak.
DAV bedauert steigende Gerichtsgebühren
Dass sich ab kommendem Jahr nunmehr für die Bürger – ausgerechnet in der Coronakrise – der Zugang zum Recht verteuert, liegt indes nicht nur an der bevorstehenden Erhöhung der Anwaltsgebühren und Sachverständigenhonorare: Auch die Gerichtsgebühren werden um rund zehn Prozent steigen.
Eine Entwicklung, die der Deutsche Anwaltverein (DAV) trotz seiner Freude über die anstehende Gebührenanpassung für Anwälte in einer Stellungnahme gegenüber LTO bedauert:
"Wir haben uns von Anfang an gegen eine Erhöhung der Gerichtskosten ausgesprochen. Das Prozesskostenrisiko darf nicht zu hoch werden. Auch Menschen mit geringem Einkommen müssen sich den Zugang zum Recht leisten können. Für einen effektiven Zugang zum Recht muss aber auch gewährleistet sein, dass die Einkommen der Anwaltschaft auch die wirtschaftliche Entwicklung abbilden. Ansonsten liefen wir Gefahr, dass das RVG keine Akzeptanz in der Anwaltschaft fände."
GroKo erzielt Kompromiss mit den Ländern: . In: Legal Tribune Online, 20.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43502 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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